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5.2018
„Im Asset Management wie in der Projektentwicklung stel-
len momentan noch Dokumente die letztendliche Wahrheits-
instanz dar. Der große Nachteil: Sie sind versteckt in (schlecht)
gescannten PDFs“, sagt Maurice Grassau, Gründer und CEO
des Datenraum-Managers Architrave GmbH, Berlin. Wenn die
Blockchain-Technologie in Zukunft die Authentifizierung von
Daten übernimmt und diese maschinenlesbar vorhält, sei der
Weg frei zu signifikant einfacheren, direkteren und effizienteren
Prozessen, meint er. „Die Anwendung der Blockchain-Techno-
logie kann die Übertragung von Immobilienwerten vereinfachen,
da aufgrund der Unveränderbarkeit der gespeicherten Daten die
üblicherweise zwischengeschalteten Regulierungsstellen entfal-
len, so Sander van de Rijdt, Gründer und Geschäftsführer der
webbasierten SaaS-Lösung für Baudokumentation PlanRadar
GmbH, Wien. Denkbar sei auch die Finanzierung von Immobili-
enprojektenmittels ICOs (Initial CoinOfferings). Bei dieser Form
der Finanzierung würde die Transaktion mithilfe der Blockchain
über digitale Tokens erfolgen.
„Vorstellbar wäre vor allem auch das automatisierte Auslö-
sen von Bezahlströmen bzw. Tranchen (sog. Smart Contracts)
bei Projektentwicklungen in Abhängigkeit vom Baufortschritt.
Praktisch hieße das, dass der Baufortschritt auf Basis eines un-
veränderlichen Ausgangsplans digitalisiert dokumentiert wird
und bei Erreichen eines bestimmten Meilensteins, etwa dem
fertiggestellten Rohbau, automatisch die Bezahlung der jeweilig
erfolgten Leistungen generiert wird. Pluspunkt für alle Parteien
wäre dabei auch ein optimiertes digitales Reporting über den
Baufortschritt.“
START-UPS BERATEN
Es gibt Start-ups, die UnternehmenMöglich-
keiten für Blockchain-Lösungen aufzeigen. Wenn es Teilbereiche
gibt, bei denen die Daten so fixiert werden sollen, dass sie später
nicht mehr geändert werden können, kann das auch heute schon
über eine Blockchain-Lösung geschehen (siehe Interview auf Seite
50). Allerdings sind das Einzelanwendungen. Für einen Massen-
Rollout der Technik gibt es eine wichtige Vorstufe, das ist das In-
ternet derDinge. UmalsodieTechnologie zumFliegen zubringen,
bedarf es der Vernetzung sämtlicher Dinge mit dem Internet.
Aber auch in diesem Bereich sind wir schon weiter als von vielen
angenommen.
Start-ups wie „Disruptive Technologies“ fangen an, denMarkt
aufzumischen. Das norwegische Technologieunternehmen ent-
wickelt kleine Sensorknoten, die auf den Eintritt in das „Internet
der Dinge“ (IoT) ausgerichtet sind. Das Unternehmen verfolgt
das Ziel, jedes „Ding“ mit dem Internet zu verbinden. In diesem
Bereich dürfte es binnen Kurzem einen massiven Durchbruch
geben. Allerdings haben, so ImmoScout-ChefThomas Schroeter,
Bitcoin und Blockchain nach wie vor den Ruf eines spekulativen
Schneeballsystems. Diese Sichtweise müsse man aber überwin-
den. Schon gar nicht sollteman dasThema Blockchain einfach als
Hype abtun, so Jannis Holthusen, Geschäftsführer des Hambur-
ger Blockchain-Spezialisten Upchain: „Die neuenMöglichkeiten
sind jetzt da und werden auch genutzt werden.“ Katarina Adam
ergänzt: „DasThema wird schneller zumStandard, als das imMo-
ment noch viele denken.“ Wie dem auch immer sei, es erscheint
sinnvoll, auf das Neue vorbereitet zu sein.
«
Frank Urbansky, Leipzig; Dirk Labusch, Freiburg
per Klick und Swipe festlegen und
deren Kosten errechnen lassen. Mit
der Blockchain ließe sich daraus
eine tagesaktuelle Ausstattung
aller Wohnungen hinterlegen.
Warum reicht dafür das ty-
pische Workflow-Management
nicht aus? Wozu Blockchain?
Weil sie dort ihre Stärke entfaltet,
wo wir uns in einer vernetzten
Prozesswelt mit hoher Komplexität
und vielen Stakeholdern bewegen.
Genau dies ist in der Immobilien-
wirtschaft der Fall. Für eine Woh-
nungssanierung etwa sind diverse
Handwerker zu beauftragen, Arbei-
ten zu erledigen, zu kontrollieren
und abzunehmen. Erst danach
kann die Wohnung zur Besichti-
gung freigegeben werden. Das
läuft zurzeit noch über Workflow-
Management, mit dem wir heute
in linearen Prozessen arbeiten.
Die Blockchain verknüpft nun die
Marktteilnehmer miteinander.
Dadurch haben sie alle densel-
ben Informationsstand.
Ja, bei
der Sanierung wissen alle, wie
weit die Wohnung schon fertigge-
stellt ist. Zudem könnte man alle
Beteiligten automatisch per Block-
chain koordinieren, sodass ohne
zwischengeschaltete Koordinatoren
Parallelarbeiten möglich sind. So
könnte der Vermieter Besichti-
gungen schon wesentlich früher
anbieten als bisher. Hier hilft die
Blockchain also, an vielen Ecken
und Enden Zeit zu sparen. Deshalb
erzeugt sie für sämtliche Partner
eine Win-win-Situation – vor allem
auch für die Kunden.
Kann die Blockchain in Deutsch-
land überhaupt verhindert
werden?
Vermutlich nicht. Auch
die GroKo hat sich im Koalitionsver-
trag ihre proaktive Begleitung auf
die Fahnen geschrieben. Zuallererst
aber müssen die Verbraucher über-
zeugt sein von der Technologie.
Das braucht immer etwas Zeit. An-
gesichts der vielen Vorteile für sie
gehen wir jedoch davon aus, dass
das Thema beste Chancen hat, sich
durchzusetzen – global und auch
bei uns in Deutschland. Grundlage
ist und bleibt – und das ist uns als
Unternehmen sehr wichtig –, dass
die dabei entstehenden Daten
sicher sind und der Mieter volle
Hoheit über seine Daten behält.
Die Technologie scheint präde-
stiniert für die Wohnungswirt-
schaft …
Zumindest bringen wir
schon gute Startvoraussetzungen
mit. Denn schon heute sind
wir Wohnungsunternehmen ja
mit diversen Marktteilnehmern
verbunden – mit Interessenten, mit
Mietern, mit Handwerkern sämt-
licher Gewerke, mit Lieferanten
und anderen Geschäftspartnern. In
diesem Beziehungsgeflecht sehen
wir die Blockchain als Chance
und als Ansporn, in Zukunft noch
schneller zu werden, noch agiler zu
arbeiten, den Mietern noch mehr
Nähe und Tempo zu bieten und
damit generell den Kundenservice
auf ein neues Level zu heben.