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5.2018
die Politik versagen sollte, lässt sich doch nichts dagegen unter-
nehmen, dass es von der Wirtschaft entwickelt und über diesen
Weg hierzulande Einzug finden wird. Unternehmen in diesem
Land haben sich deswegen mit dieser Technologie auseinander-
zusetzen. Was bedeutet dasThema für die Immobilienwirtschaft?
Kann es Einfluss haben auf die etablierten Berufsbilder?
Wo liegen die Auswirkungen von Bitcoin & Co. auf den
Immobilienmarkt? Zunächst ist es sinnvoll, in einem Punkt
für Klarheit zu sorgen. Vor Kurzem wurde in der „Süddeut-
schen“ ein Unternehmer zitiert, der die Immobilientransakti-
on beschrieb. Sie sei in viele einzelne Schritte unterteilt, wie
Makler-Vereinbarung, Besichtigung, Vorvertrag, Notartermin
etc. Bei vielen dieser Schritte hielten Intermediäre die Hand
auf. Blockchain-Technologien könnten hier im Sinne des Kun-
den Verbesserungen bringen. Dass aber alleine aufgrund der
Technologie Berufe verschwinden werden, ist nicht zu erwarten.
Verändern könnten sie sich jedoch. Für die Immobilienwirt-
schaft ist dasThema von großem Interesse. Denn damit können
nicht nur Transaktionen, sondern komplette Kundendaten im
großen Stil verwaltet werden. Ein Blick auf einzelne Berufs-
gruppen:
PROPERTY MANAGEMENT: DIE VERWENDUNG DER DATEN WIRD DAS
BERUFSBILD PRÄGEN
Das Berufsbild des Immobilienverwalters
wird sich wandeln. Er wird immer mehr zum Herren über die
Daten des Gebäudes und seiner Bewohner. Damit einher geht
eine größere Verantwortung für die Datensicherheit.
Denkbar sind zudem kommerzielle Modelle, in denen der
Verwalter die Daten Dritten zur Verfügung stellt. Er kann aber
auch als Dienstleister auftreten, indem er anhand der Daten ei-
gene Geschäftsmodelle entwickelt, etwa Energie zu vermarkten,
die über die von ihm verwalteten Häuser erzeugt werden. Denn
die Blockchain ermöglicht auch hier sichere Transaktionen fern-
ab der Netzbetreiber. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass all diese
Modelle an Dritte über Contracting ausgelagert werden.
Thomas Meier, Präsident des Bundesfachverbands der
Immobilienverwalter BVI, meint zu dem Thema: „Die ver-
traglichen Beziehungen zwischen Eigentümern, Mietern und
Lieferanten usw. werden von Verwaltern organisiert. Diese
betreffen systembedingt sehr lange Zeiträume und unterliegen
daher mannigfachen Veränderungen, ob durch gesetzliche Mo-
difikationen, funktionale Modernisierungen oder veränderte
Nutzerwünsche.“ Kommunikation erfolge, statt in klassischer
Schriftform, mehr und mehr über vielfältige und zudem wech-
selnde Medien (WhatsApp, E-Mail, SMS, Twitter usw.).
Die daraus resultierenden Vertragsänderungen müssten
einheitlich zusammengeführt, im Zeitablauf verkettet und
zur Verbindlichkeit rechtssicher dokumentiert werden.
„Die Blockchain-Technologie leistet genau das und schafft da-
bei eine enorme Sicherheit für die Speicherung, Validierung
und Übertragung von Informationen und Werten.“ Die Im-
plementierung dieser Technologie werde ein Zukunftsthema
der Immobilienverwaltung, dessen Potenzial man konstruktiv
nutzen werde.
WOHNUNGSWIRTSCHAFT: GROSSES INNOVATIONSPOTENZIAL
Auch
für dieWohnungswirtschaft gibt es ein riesiges Innovationspoten-
zial. Beispielhaft seien hier zwei Bereiche erwähnt (siehe dazu
auch das Interview auf Seite 52): Zunächst wird sich die Durch-
laufzeit eines Mietvertrages bis zur beidseitigen Unterzeichnung
stark verkürzen. Ein anderer Bereich ist das Thema „Betriebs
kostenabrechnung für die Mieter“ (Stichwort „Jederzeitige Ab-
rechnung per Klick“). All diese Funktionen lassen sich, wenn alles
vernetzt ist, mithilfe der Blockchain abwickeln.
IMMOBILIENHANDEL: STÜTZUNG/ERSETZUNG DES NOTARIATS
WESENS, VERÄNDERUNGEN BEI DEN MAKLERN
Veränderungen
im Notariatswesen dürften noch nicht direkt vor der Tür stehen.
Aber die Art des Immobilienhandels wird sich wandeln. Bisher
war dazu immer ein Notar nötig. Bei der aktuellen Rechtslage
wäre das auch in Zukunft so. Dabei kann eine Immobilientrans-
aktion in einer Blockchain absolut sicher abgewickelt werden. Der
Vorgang würde penibel dokumentiert und ist fälschungssicher.
Ein Immobilienskandal wie in Leipzig, wo in den 90er Jahren
angeblich herrenlose Grundstücke wider besseresWissen seitens
der Stadtverwaltung und inklusive Notarbeteiligung veräußert
wurden, wäre dann nicht möglich. Denn jeder Grundstücksbesit-
zer könnte seine Immobilie innerhalb einer Blockchain absolut si-
cher registrieren – alle notwendigenUnterlagen, Beschreibungen
und bisherigen Besitzerwechsel inklusive.
Auch Makler werden ihre Geschäftsmodelle an die neuen
technischen Möglichkeiten anpassen müssen. Die reine Ver-
mittlung einer Wohnung lässt sich per Blockchain theoretisch
auch ohne eine Zwischenschaltung bewältigen. So könnten sich
bei einem Interessenten je nach seinen Anforderungen passende
Wohnungen selber melden – das ist aber noch Zukunftsmusik
und geht nur, wenn der Interessent das auch wirklich möchte.
Möglich ist dies durch „Ende-zu-Ende-Beziehungen“, also durch
eine Verbindung direkt vom Interessenten zum Produkt, erklärt
Harald Kemmann, Innovationsmanager bei der LEG in Düssel-
dorf. Die Blockchain könnte diese Wohnungen dann mit den
individuellen Bedürfnissen potenzieller Mieter „matchen“. Sie
stellt also die Verbindung des Teilnehmers „Interessent“ zumTeil-
nehmer „Wohnung“ direkt her – ohne eine zwischengeschaltete
Vermittlung. Maklern würde das enorm viel Zeit sparen, ihnen
viel mehr Zeit geben für andere Tätigkeiten, mit denen sie ihren
Kundenservice verbessern können.
PROJEKTENTWICKLUNG
Das international tätige Beratungs- und
Projektmanagementunternehmen Drees & Sommer hat sich mit
Experten und Start-ups zum Thema Distributed-Ledger-Tech-
nologie vernetzt und eine interdisziplinäre Expertengruppe
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