Immobilienwirtschaft 5/2018 - page 45

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5.2018
Mietrecht
– Aktuelle Urteile
«
FAKTEN:
Der Grundstückseigentümer erwirkte beim Landgericht eine einstweilige Ver-
fügung, wonach einer Gruppe aus 40 Personen aufgegeben wurde, „demEigentümer die
Verfügung über das Grundstück einzuräumen“. Der Grundstückseigentümer beauftragte
sodann die Gerichtsvollzieherin mit der Zustellung des Titels und der Durchführung
der Räumung. Diese lehnte die Zustellung mit der Begründung ab, dass die Räumungs-
schuldner nicht eindeutig zu identifizieren seien. Die Beschwerde des Eigentümers war
in allen Instanzen erfolglos. Aus dem Begriff „namentlich“ nach § 750 Abs. 1 ZPO folgt,
dass der oder die Räumungsschuldner grundsätzlich mit ihrem Namen im Rubrum
des Titels aufzuführen sind. Vorliegend ist jedoch unklar, wie die Zugehörigkeit von
Personen zu einem „Kulturkollektiv“ festzustellen ist. In der Literatur wird zum Teil
vertreten, dass es für die Räumung eines illegal besetzten Grundstücks oder Gebäudes
genügt, wenn sich der Titel „gegen unbekannt“ richtet. Der BGH teilt diese Ansicht nicht.
Er verweist auf den eindeutigen Wortlaut des § 750 ZPO. Er räumt dabei ein, dass sich
in Fällen illegaler Haus- und Grundstücksbesetzungen ein gesetzliches Defizit bei der
Durchsetzung zivilrechtlicher Räumungsansprüche offenbart.
FAZIT:
Wie soll nun der Eigentümer gegen illegale Grundstücks- oder Hausbesetzer
vorgehen? Der BGH führt aus, dass die Vollstreckung nach demPolizei- undOrdnungs-
recht zu erfolgen hat. Haus- und Grundstücksbesetzungen sind strafbare Handlungen.
Damit geht es um die Störung der öffentlichen Sicherheit im Sinne der allgemeinen
polizeilichen Eingriffsermächtigungen.
GRUNDSATZENTSCHEIDUNG
Räumung bei illegaler
Hausbesetzung
Das Erfordernis der eindeutigen Be-
zeichnung der Schuldner im Vollstre-
ckungstitel besteht auch dann, wenn
die Räumungsvollstreckung ein rechts-
widrig besetztes Grundstück betrifft
und es dem Gläubiger im Erkenntnis-
verfahren ohne polizeiliche Hilfe nicht
möglich ist, die Schuldner namentlich
zu bezeichnen. Der Eigentümer ist
auch nicht rechtlos gestellt. Eine
Räumung gegenüber Hausbesetzern
kann vielmehr nach dem Polizei- und
Ordnungsrecht erfolgen.
BGH, Beschluss v. 13.07.2017, I ZB 103/16
VERTRETER DES VERMIETERS
Kündigung durch Bevoll-
mächtigte
Wird die Kündigung durch einen Vertre-
ter des Vermieters erklärt, so muss der
Kündigungserklärung die Vollmachts-
urkunde beigefügt werden. Sonst kann
der Kündigungsempfänger die Kün-
digung zurückweisen. Die Zurückwei-
sung muss unverzüglich erfolgen. Die
Zurückweisung einer Kündigung wegen
des Fehlens einer Vollmachtsurkunde
ist nach einer Zeitspanne von mehr als
einer Woche in der Regel nicht mehr
„unverzüglich“. Dies gilt auch bei der
Erklärung eines Widerspruchs gegen
die Verlängerung des Mietverhältnisses
nach Ausübung der Verlängerungs­
option.
KG Berlin, Beschluss v. 23.10.2017, 8 U 91/17
MIETAUFHEBUNGSVERTRAG
Anfechtung wegen
arglistiger Täuschung
Schließen die Parteien einen Mietauf-
hebungsvertrag, nach dem der Mieter
für die vorzeitige Vertragsaufhebung
einen Geldbetrag bezahlen soll, so
darf der Vermieter nicht verschwei-
gen, dass er die Mietsache bereits
weitervermietet hat und dass deshalb
kein wesentlicher Mietausfall ent-
steht. Eine arglistige Täuschung liegt
auch dann vor, wenn der Anfech-
tungsgegner eine Aufklärungspflicht
verletzt und der Vertrag bei Aufklä-
rung nicht in dieser Form geschlossen
worden wäre. Bei Verletzung der
Aufklärungspflicht ist der Mieter zur
Anfechtung berechtigt.
OLG München, Urteil v. 09.11.2017, 14 U 464/17
NACHLASSPFLEGSCHAFT
Tod des Mieters
Beim Tod des Mieters gehen dessen
Verbindlichkeiten gegenüber dem Ver-
mieter auf die Erben über. Diese haften
für eventuelle Mietschulden. War der
Mieter alleinstehend, sind die Erben zur
Räumung und Rückgabe der Miet-
wohnung zuständig. Bei unbekannten
Erben eines verstorbenen Wohnraum-
mieters ist durch das Nachlassgericht
gemäß § 1961 BGB eine Nachlasspfleg-
schaft anzuordnen, sofern der Vermie-
ter dies beantragt, um einen Anspruch
gegen den Nachlass auf Räumung
geltend zu machen. Dass der Mieter
vermögenslos war bzw. der Nachlass
voraussichtlich dürftig ist, steht dem
nicht entgegen.
KG Berlin, Beschluss v. 2.8.2017, 19 W 102/17
1...,35,36,37,38,39,40,41,42,43,44 46,47,48,49,50,51,52,53,54,55,...76
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