Immobilienwirtschaft 5/2018 - page 38

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VERMARKTUNG & MANAGEMENT
I
IMMOBILIENMAKLER
Übrigens zeigt sich an dieser Stelle eine
interessante Parallele zum Berufsbild der
Unternehmensberater, die in den 1980er
und 1990er Jahren ihr Geld vor allem
damit verdient haben, Fach- und Metho-
denwissen an Unternehmen zu verkau-
fen. Lag das Verhältnis von Wissen und
Anwendungskompetenz damals bei 80
zu 20, hat es sich mittlerweile umgekehrt.
Das gilt in gewisser Weise auch für den
Maklerberuf. Entscheidend sind heute
weniger die Informationen selbst, son-
dern vielmehr – bei einem Überangebot
von Informationen im Netz – ihre Ge-
wichtung auf Basis von Bedarf, Optionen,
Kosten und Nutzen. Die Digitalisierung
macht vieles einfacher und komfortabler.
Aber sie funktioniert in vielen Fällen
nur, solange sich Informationen und
Prozesse selbst erklären. Sobald es kom-
plizierter wird, bleibt der Mensch uner-
setzlich.
KUNDEN FORDERN MEHR DETAILS
Den
Makler selbst stellt das allerdings auch
vor Herausforderungen. Er muss sich in
Problemstellungen, die einzelne Unter-
nehmen umtreiben, undZukunftsthemen,
die ganze Industrien bewegen, viel detail-
lierter einarbeiten als früher. Während die
Kunden einerseits auf seine Einschätzung
angewiesen sind, fordern sie gleichzeitig
auch mehr Detailwissen ein. Komplexe
Themen, die sich hinter Schlagworten wie
„Produktivität“, „War for Talents“, „Agile
Working“ und „Work 4.0“ verbergen, be-
einflussen den Entscheidungsprozess bei
Neuvermietungen heute merklich. Die
meisten Unternehmen wissen, dass sich
vieles verändern wird – aber nicht genau
was und vor allem wie schnell. Auch vor
diesem Hintergrund tun sie sich auf der
Suche nach neuen Flächen mittlerweile
schwer, einen Mietvertrag mit einer Lauf-
zeit von fünf oder zehn Jahren abzuschlie-
ßen. Die Unsicherheit beginnt bereits bei
der Flächensuche, wenn es um die quan-
E
s sind vor allem drei Punkte, die die
Veränderung bedingen: die zuneh-
mende Transparenz über aktuell ver-
fügbare Flächen, die gestiegenen Erwar-
tungen der Kunden und das Informations-
und Orientierungschaos, das in vielerlei
Hinsicht mit der digitalen Transforma-
tion und dem Wandel von Lebens- und
Arbeitswelten einhergeht. Anhand dieser
drei Punkte lässt sich sehr gut erläutern,
wie sich beispielsweise das Vermietungs-
geschäft im Gewerbeimmobilienbereich
wandelt.
INSIDERWISSEN WIRD ALLGEMEINWISSEN
Gewerbetreibende, die neue Räumlich-
keiten anmieten wollen, recherchieren
heutzutage in den meisten Fällen zu-
nächst selbst im Netz. Das gilt vor allem
für Flächen bis etwa 1.000 Quadratmeter.
Tagesaktuelle Immobilienportale bilden
annähernd vollständig die bestehenden
Leerstände ab. Jeder Interessent hat so
dieMöglichkeit, denMarkt unter den glei-
chen Bedingungen zu sondieren und sich
passende Flächen und Angebote heraus-
zusuchen. Aus Insiderwissen, mit dem
der klassische Immobilienmakler lange
sein Geld verdient hat, wird dadurch All-
gemeinwissen. Insofern haben die Makler
durch die Digitalisierung tatsächlich ihre
Informationshoheit eingebüßt. Aller-
dings: In der Regel werden die Anzeigen
auf den genannten Plattformen von Mak-
lerhäusern geschaltet und bezahlt. Am
Ende landet der potenzielle Mieter also
doch wieder beim Makler.
Und braucht ihn im nächsten Schritt
mehr denn je. Denn einerseits fühlt er sich
nachder ausgiebigen Internet-Recherche –
wie übrigens in anderen Lebensbereichen
auch – zwar gut informiert. Andererseits
weiß er die Informationen aber nicht rich-
tig zu bewerten. Er braucht jemanden, der
die entsprechende Kompetenz und Erfah-
rung hat, umdas zu tun und ihm eine fun-
dierte Empfehlung auszusprechen.
Der Orientierungs-Makler
Recherchieren, Kunden ab-
holen, Richtung angeben:
Mit den aktuellen und zuküf-
tigen digitalen Möglichkeiten
wandelt sich auch bei den
Gewerbeimmobilien das
Vermietungsgeschaft. Mak-
ler, die auch morgen noch im
Geschäft sein wollen, müssen
gut orientiert sein - und Ori-
entierung geben.
Michael Horn,
Head of Occu-
pier Solutions
bei Avison
Young Germany
AUTOR
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