Immobilienwirtschaft 2/2018 - page 57

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2.2018
sehe, hat die Wohnungswirtschaft wahr-
scheinlich eines der stabilstenWertschöp-
fungsmodelle.
Gerritsen:
Ich würde sagen, in 100 Jahren
brauchen wir immer noch eineWohnung.
Aber brauchen wir auch noch ein Woh-
nungsunternehmen?
Schulmann:
Wenn ich als Wohnungsun-
ternehmen 100 Jahre am Markt bin und
nichts mache – führe keine neue IT ein,
ändere nichts an meinem Geschäftsmo-
dell – fließen die Infos über Smartphones
oder smarte Brillen. Auch in hundert
Jahren werden alle Wohnungen vermietet
sein. Und einen neuen Player, der kommt
und Wohnungsunternehmen den Markt
wegnimmt, sehe ich nicht. Deswegen ist
das gesamte Thema Digitalisierung, über
das wir hier sprechen, ein Luxusproblem.
Und das sagenwir aus der Erfahrung eines
stark auf dieses Thema fokussierten An-
bieters.
Das ist eine steile These.
Schulmann:
Nur ein bisschen provokant.
Im Dienstleistungsbereich sieht es anders
aus. Da gibt es einen starken Wettbewerb
und somit hohen Innovationsdruck.
Gerritsen:
Ich denke, dass Ihre These für
Deutschland gilt, solange es noch mehr
Wohnungssuchende als Wohnungen gibt.
In den USA ist das anders, da gibt es Leer-
stand im Bereich Wohnungen.
Schulmann:
In den USA gibt es eben ei-
nen freien Markt – in Deutschland nicht.
Gerritsen:
Doch auch in Europa ist das
nur eine Frage der Zeit. Denn die nächste
Generation sieht im Wohnen eher etwas
Kurz- als Langfristiges.
Herr Dr. Westphal, wie ist die Crem
Solutions-Haltung zu diesen Extremen?
Dr. Westphal:
Ich bin sicher, auch in
Zukunft werden Wohnungen von Woh-
nungsunternehmen verwaltet. Jedoch
werden Unternehmen, die sich der Di-
gitalisierung bis dahin vollkommen ver-
weigert haben, weder für Mieter noch für
Arbeitnehmer interessant sein. Mietern
bieten sie kein attraktives Angebot und
Arbeitnehmer haben heute schon sehr
hohe Anforderungen an den eigenen Ar-
beitsplatz. Die Unternehmen hätten also
überhaupt keine Existenzgrundlage mehr.
Man sollte bei der Digitalisierung so weit
gehen, wie es erforderlich ist, aber auch
nicht jeden Hype mitmachen.
Gerritsen:
Ja, viele von diesen neuen
Hypes werden immer Hypes bleiben:
Dochmit demSmartphone werde ich bald
– wie heute bereits in den USA – mein
Hotelzimmer oder meine Wohnungstür
öffnen. Das wird auch in Deutschland
kommen. Es wird viel Digitalisierung ge-
ben – auch im Wohnungsbereich.
Was sind Ihre Haupthebel für Wert­
schöpfung – bei sich und beim Kunden?
Dr. Westphal:
Der Einstieg ist immer das
Thema Digitalisierung. Denn Digitalisie-
rung macht Dinge einfacher. Sie zwingt
uns und die Unternehmen, alle Prozesse
– und nicht nur die unwirtschaftlichen
– zu hinterfragen und zu verbessern. So
werden die Unternehmen effektiver und
sparen Kosten ein. Wir als ERP-Herstel-
ler helfen den Unternehmen dabei. Viele
Prozesse im Verwalteralltag sind es wert,
besprochen zu werden.
Gerritsen:
Und Digitalisierung hat so
viele verschiedene Ebenen – Roboter,
Dienstleistungen etc.! Insbesondere in ei-
ner Welt, wo 33 Prozent der Immobilien
weltweit noch in Excel verwaltet werden...
Woher stammt diese Zahl?
Gerritsen:
Von KPMG Luxemburg.
Schulmann:
Diese Zahl können wir auch
auf den deutschen Markt beziehen. Dabei
gilt: Umso kleiner ich werde, desto grö-
ßer ist die Excelquote. Jenseits von 1.000
verwalteten Wohneinheiten gibt es
»
Real Estate Talk, Teilnehmer:
(von links) Dr. Christian Westphal, Crem Solutions;
Richard Gerritsen, Yardi Sytems; Jörg Seifert,
Immobilienwirtschaft (Moderation);
Nicolas Schulmann, FIOSystems
SUMMARY
»
Die
IT-Frage
ist auf der Vorstandsebene angekommen
»
Für die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft ist es wichtig, sich auf
neue
Businessmodelle
einzulassen
»
Doch in der stabilen Wohnungswirtschaft sehen sich die
ERP-Hersteller
auch als
stabiler Lieferant
der für die
Unternehmen lebenswichtigen Grundfunktionalitäten
»
Dennoch liegen die
Haupthebel für Wertschöpfung
in einer weiteren
Digitalisierung
der
Unternehmen
»
Dabei sehen sich die ERP-Systeme in einer
Rolle des Portalwächters
– auch was die Kooperation mit neuen Proptechs anbelangt.
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