Immobilienwirtschaft 4/2018 - page 42

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VERMARKTUNG & MANAGEMENT
I
RECHT
Wohnungseigentumsrecht
– Aktuelle Urteile
FAKTEN:
Nach der Hausordnung ist „unbedingte Ruhe von 13.00 bis 15.00 Uhr sowie von
20.00 bis 7.00Uhr einzuhalten“. In einer Eigentümerversammlung hatten die Eigentümer
die Hausordnung per Beschluss wie folgt ergänzt: „Musizieren und Klavierspielen ist
nur an Werktagen Montags bis Freitags von 9.00 bis 12.00 Uhr und von 15.00 bis 19.00
Uhr und Samstag von 9.00 bis 12.00 Uhr und von 15.00 bis 17.00 Uhr zulässig; die Mu-
sizieren- und Klavierspielzeit ist täglich auf zwei Stunden begrenzt.“ Diesen Beschluss
hatte eine Eigentümerin angefochten. Ihre Klage war erfolgreich. Der gefasste Beschluss
entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, weil er sich nur auf das Musizieren und
Klavierspielen beschränkt und dieses von anderen lärmintensiven Tätigkeiten abgrenzt.
Gemäß BGH ist eine Regelung in einer Hausordnung über die Lautstärke nämlich dann
unwirksam, wenn sie verschiedene Geräuschquellen in Bezug auf Ruhezeiten unzuläs-
sigerweise unterschiedlich behandelt.
FAZIT:
Das Selbstorganisationsrecht der Eigentümer geht nicht so weit, durchMehrheits-
beschluss einzelne Störer gegenüber anderen ohne sachlichen Grund zu bevorzugen.
RUHEZEITEN
Keine wirksame Beschränkung
von ausschließlich Musizieren
Eine lediglich das Musizieren be­
schränkende Regelung über Ruhe­
zeiten in einer Hausordnung ist
unzulässig.
LG Frankfurt, Urteil v. 04.10.2017, 2-13 S 131/16
FAKTEN:
Zugunsten des Nachbarn der Gemeinschaft besteht einWegerecht. Angrenzend
an diesen Weg ist zugunsten einer Wohnung ein Sondernutzungsrecht begründet. Der
Nachbar hat auf demvor seinemHaus befindlichen Teil des Zugangswegs unter anderem
Pflanzkübel aufgestellt. Der sondernutzungsberechtigte Eigentümer verlangt deren Ent-
fernung. Seine Klage war erfolgreich. Der Eigentümer, dessen Anspruch grundsätzlich
besteht, konnte ihn gegen den Nachbarn selbstständig gerichtlich geltend machen. Für
Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus dem Miteigentum an dem Grundstück
besteht gemäß § 1004 Abs. 1 BGB keine geborene Ausübungsbefugnis des Verbandes,
sondern lediglich eine gekorene Ausübungsbefugnis.
FAZIT:
Ein gemeinschaftliches Vorgehen ist auch nicht deshalb erforderlich, weil es unter
den Eigentümern über die Art des Vorgehens gegen den Störer Meinungsunterschiede
geben kann. Etwaigen Differenzen kann dadurch begegnet werden, dass die Gemein-
schaft die Rechtsverfolgung durch Beschluss an sich zieht. Eigentümer, die damit nicht
einverstanden sind, können den Beschluss mit der Anfechtungsklage überprüfen lassen.
EIGENTÜMER ODER GEMEINSCHAFT?
Beseitigungsansprüche als
Sache der Gemeinschaft
Für Unterlassungs- und Beseitigungs­
ansprüche der Eigentümer aus dem
Miteigentum am Grundstück besteht
auch dann keine geborene Aus
übungsbefugnis des Verbandes, wenn
Anspruchsgegner ein außerhalb der
Eigentümergemeinschaft stehender
Dritter ist.
BGH, Urteil v. 13.10.2017, V ZR 45/17
FAKTEN:
Im Vorfeld der Beschlussfassung über die Genehmigung der Jahresabrech-
nung hatte der Eigentümer Einsicht in die Verwalterunterlagen begehrt und erhalten.
Die Verwaltung berief später eine weitere Versammlung ein, in der die Abrechnung
genehmigt werden sollte. ImVorfeld begehrte der Eigentümer nochmals Einsicht in die
Unterlagen. Eine Einsichtnahme wurde ihm allerdings verwehrt. Die Jahresabrechnung
wurde sodann mehrheitlich genehmigt. Die Anfechtungsklage des Eigentümers war
erfolgreich. Eigentümer haben grundsätzlich einen Anspruch auf – ggf. auch wieder-
holte – Gewährung von Einsicht in sämtliche Verwaltungsunterlagen. Nur das Verbot
des Rechtsmissbrauchs und das Schikaneverbot begrenzen das Einsichtsrecht.
FAZIT:
Das Gericht war hier auch noch gnädig und hat dem Verwalter nicht die Kosten
des Verfahrens auferlegt. Verwalter sollten immer bedenken, dass sie dennoch einem
materiellrechtlichen Schadensersatzanspruch ausgesetzt sein können, auch wenn ihnen
das Gericht nicht nach § 49 Abs. 2 WEG die Verfahrenskosten auferlegt hat.
VERWALTUNGSUNTERLAGEN
Eigentümer haben umfas-
sendes Einsichtsrecht
Eigentümer sind auch berechtigt,
wiederholt Einsicht in die Unterlagen
zu nehmen. Ein Beschluss widerspricht
den Grundsätzen ordnungsmäßiger
Verwaltung, wenn er gefasst wurde,
ohne einem Eigentümer Einsicht in die
Verwaltungsunterlagen zu gewähren.
LG Frankfurt/Main, Urteil v. 12.01.2017, 2-13 S 48/16
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