Immobilienwirtschaft 4/2018 - page 50

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TECHNOLOGIE, IT & ENERGIE
I
DIGITAL REAL ESTATE
Genau diese Transparenz sei nach
Hubers Meinung erst einmal zu schaf-
fen. „Wir wissen wenig über Immobilien,
können so kein Benchmarking schaffen“,
so der Siemensianer. Ein Monitoring er-
öffne immer einen Einstieg, der zu einer
schnellen Analyse führe. Eine gute Richt-
schnur biete dabei die DIN ISO 50001 für
Energiemanagement, nach der auch Sie-
mens seine Maßnahmen für die Kunden
ausrichte und die in der Industrie schon
verpflichtend sei.
KEINE FESTEN STANDARDS
Standards, die
man fest anwenden könne, gebe es hin-
gegen keine, so Huber. Gerade in der
Immobilienwirtschaft sei es jedoch wich-
tig, dass die erhobenen Daten mit dem
System beim Kunden sowie mit SAP als
meistverbreitetem Standard kompati-
bel seien. Auf Seiten der Geräte seien
für die Messeinrichtungen Bus-basierte
Systeme gebräuchlich, auf Raumebene
hingegen KNX. Bei cloudbasierten Syste-
men könnten damit sogar die Gateways
überflüssig werden. Wenn das nicht ginge,
dann reiche auch eine Excel-Tabelle. „Da-
rüber mag man lächeln, aber das wird
noch lange Bestand haben“, so Huber.
Siemens geht bei der Implementierung
solcher Systeme wie folgt vor: Das gebäu-
detechnische Wissen eines Ingenieurs
wird in Programmiercodes übersetzt. Da-
für werden etwa 200 Regeln definiert. Für
die Anwendung wird dann eine Kontroll-
Regel-Strategie genutzt, die selbst Opti-
mierungspotenziale erkennt und diese
umsetzt. Siemens wendet solche Systeme
schon seit über zehn Jahren an und hat
aktuell 80.000 Gebäude so aufgeschaltet.
Der Vorteil: Ein Immobilienverwalter
kann sofort und unterstützt von Google
Maps sehen, wo ein Problem auftritt. He-
runtergebrochen werden kann diese Pro-
blemerkennung bis in jeden einzelnen
Raum einer Immobilie.
HOHE POTENZIALE BEI BELEUCHTUNG
Die
Kosten dafür müssen gar nicht mal so
hoch ausfallen. Huber nennt 5.000 bis
10.000 Euro je Standort. Manchmal reicht
es, nur an dieHauptzähler zu gehen.Wenn
der Kunde es wünsche, könne man auch
die Unterverteiler mit einbeziehen. Allein
mit nichtinvestiven Maßnahmen wie der
Kontroll-Regel-Strategie ließen sich 15
Prozent Energie einsparen. Bei investiven
Maßnahmen wie neuer Heiztechnik, Be-
leuchtungsumstellung auf LED, Präsenz-
meldung und anderen könnten es sogar
50 Prozent sein.
«
Frank Urbansky, Leipzig
Herr Mokler, wie setzen Sie
für Ihre Kunden den Smart
Meter Rollout und damit die
Verarbeitung der Kundendaten
um?
Generell arbeiten wir mit
SAP. Auch in einer digitalisierten
Zählerwelt wird ein Großteil der
Kundendaten über SAP laufen.
Die entsprechend digitalisierten
Daten können wir problemlos in
das System einpflegen. Auch Mie­
terstrommodelle können wir so
abbilden. Doch die Digitalisierung
wird viel kleinteiligere Lösungen
zulassen. Die unsere Kunden im
Übrigen verstärkt einfordern. Da
stößt SAP an seine Grenzen, es ist
zu klassisch ausgerichtet. Derzeit
sind wir auf der Suche nach
einer passenden Software und
haben auch schon cloudbasierte
Lösungen im Blick.
.
Warum ist diese Unterschei-
dung nötig?
SAP ist dafür aus­
gelegt, Millionen Kundendaten zu
verwalten. Beim Smart Metering
sprechen wir anfangs jedoch von
500 oder 1.000 Kundendaten. Da
braucht es spezielle Lösungen.
Wie nutzen Sie dabei den
Smart Meter Rollout?
Wir haben
zusammen mit EWE und Westfalen
Weser Netz eine Tochter für
Dienstleistungen rund um intel­
ligente Messsysteme gegründet,
die GWAdriga. In dem Unterneh­
men bündeln wir unser Know-how
für Gateway-Administration und
Messdatenmanagement und stel­
len es beispielsweise Verteilnetz-
und Messstellenbetreibern zur
Verfügung. Vor allem wollen wir
künftig aber eben nicht nur Strom­
daten erfassen, sondern auch die
Heizkostenverteiler mit anbinden.
Daran wiederum ist insbesondere
der Wohnungswirtschaft gelegen,
die genau solche Modelle sucht.
Was ist dabei die größte He-
rausforderung?
Noch leben wir in
zwei Welten, einer analogen und
einer digitalen. In der digitalen
Welt könnte man solche Prozesse
durchspielen, in der analogen
geht das leider nicht. Wir können
also in der analogen Welt nicht
punktgenau auf Zähler zugreifen
und etwa einen auf die Minute
genauen Lieferantenwechsel
durchführen. Aber das wird mit
einer kompletten Umstellung auf
digitale Zähler möglich sein.
Welche Vorteile sehen Sie noch?
Etwa, dass es keine Stornoprozesse
mehr gibt, die heute einen Großteil
der Arbeitsbelastungen in unserem
Kundenservice ausmachen. Über
entsprechende Portale sind die
digital erhobenen Zählerdaten so­
wohl uns als auch dem Verbraucher
jederzeit zugänglich. Anhand der
digitalen Kennzahlen haben wir zu­
künftig mehr und schnellere Mög­
lichkeiten, den Kunden auf nicht
plausible oder erhöhte Verbräuche
hinzuweisen, also dass eventuell
etwas mit der Heizungsanlage
oder nachgelagerten Geräten nicht
stimmt. Wenn wir bei einer solchen
Anlage als Contractor auftreten,
besteht die Möglichkeit, die auf­
tretenden Probleme in Eigenregie
zu lösen. Und natürlich bietet sich
dabei für die E-Mobilität eine neue
Chance. Wir kennen etwa den
Ladezustand eines E-Autos, das in
solch einem digital erfassten Netz
eingebunden ist. Wir können also
den Ladezustand des Autos sehen
und die für den Folgetag benötigte
Strommenge steuern. Mögliche
Überkapazitäten der Batterie
könnten dann zum Beispiel für den
nächtlichen Betrieb einer Wasch­
maschine genutzt werden.
Gibt es für solch digital ge-
prägte Datenverwaltungen
nicht jede Menge Mitbewerber?
Ja, die Googles und Cos werden
in diesen Markt eindringen. Sie
könnten auch als wettbewerbliche
Messstellenbetreiber auftreten
und dabei ihre aktuellen Angebote
nutzen. So könnte der Kunde etwa
Amazons Sprachsteuerungssystem
Alexa nutzen, um den Ladezustand
seines E-Autos zu steuern.
„Weniger Stornos!“
INTERVIEW
Michael Mokler,
RheinEnergie, Key
Account Manager
Abrechnungsservice
Foto: Urbansky
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