Immobilienwirtschaft 4/2018 - page 27

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zutarieren. „Projektentwickler bauen trotz
gestiegener Grundstückspreise und Bau-
kostenmittlerweile sehr gerne Hotels.“ Sie
gelten als die Profiteure der angespannten
Situation; JLL-Experte Giesemann schätzt
den Anteil von Projektentwicklungen am
gesamten Transaktionsvolumen auf 15 bis
20 Prozent. Umwandlungen von Büro
gebäuden in Hotels, wie etwa der Umbau
des ehemaligen Swiss-Life-Sitzes in Mün-
chen in ein Steigenberger Hotel, bleiben
bislang eher die Ausnahme.
DISKUSSION ÜBER DIE STANDORTWAHL
Entwickler bekräftigen die Einschätzung –
ihre Auftragsbücher sind voll. „Die Anzahl
der Übernachtungen übersteigt weiterhin
das Wachstum der Kapazitäten – und das
trotz zunehmender Konkurrenz-Produkte
wie Airbnb“, beschreibt der COO von
UBM Development, Martin Löcker, die
Lage. Dem geschäftsführenden Gesell-
schafter von Benchmark.Real Estate, Götz
Hufenbach, zufolge schlägt sich der Druck
ganz konkret nieder – auch Lagen außer-
halb der A- und B-Destinationen würden
interessant: „Wir prüfen mittlerweile C-
Standorte.“ JLL-Experte Giesemann sieht
indes eine deutlichere Fokussierung auf
Top-Standorte, im Gegensatz zu anderen
Teilmärkten wie Büro oder Wohnen. Sein
Kollege Trobitz bekräftigt: „In C-Stand
orten zählen nur die absoluten Top-La-
gen.“ Interessant seien etwa Städte, die
infrastrukturell nicht ideal angebunden
sind, sagt Trobitz. Dort bliebenGeschäfts-
reisende eher über Nacht.
„Wir ziehen einen Zirkel mit etwa fünf
Kilometer Radius und entscheiden je nach
Nachfrage innerhalb dieses Bereichs“, er-
klärt hingegen Max Luscher, Geschäfts-
führer der B&B Hotels GmbH, die Stand-
ortentscheidungen seines Unternehmens.
Er bewertet die Grundstückssuche weni-
ger kritisch als andere Marktteilnehmer.
„Für uns sind auch Flächen interessant,
die andere nicht unbedingt haben wol-
len, zum Beispiel in Shoppingcentern
oder in Gegenden, die guten Schallschutz
erfordern.“ B&B will nach 13 Projekten
2017 im laufenden Jahr 15 neue Hotels
eröffnen. Kombinierte Angebote freilich
machen auch bei Mitbewerbern Schule; so
realisiert der Entwickler MQ Real Estate
in Berlin einmodular errichtetes Hotel auf
einem Shoppingcenter, der Betreiber No-
vum Hospitality will es unter der Marke
Niu noch in diesem Jahr eröffnen.
Die meisten Entwickler in Deutsch-
land veräußernObjekte zumTeil Jahre vor
der Fertigstellung an institutionelle Anle-
ger oder familieneigene Gesellschaften.
Die Entwickler schließen dabei Verträge
mit denHotelbetreibern ab, die die Käufer
übernehmen. Während familiengeführte
Einzelhäuser zunehmend ins Hintertref-
fen geraten, beherrschenMarkenmit stan-
dardisierten Angeboten die Szene – und
Gruppen, die mehrere Namen und Ver-
triebslinien unter einem Dach vereinen,
wie Honestis mit den Dorint-Hotels oder
die Deutsche Hospitality, die hinter den
Steigenberger- und Intercity-Hotels steht.
Mit den Jaz-Hotels hat das Unternehmen
vor drei Jahren zudem eine Marke aufge-
legt, die sich an eine design- und lifestyle-
bewusste Klientel wendet.
VERÄNDERTE ARBEITSWELTEN
Ein Objekt
mit entsprechender Ausrichtung in Stutt-
gart ist Development-Chef Claus-Dieter
Jandel zufolge zu 80 Prozent ausgelastet;
Jandel sieht darin auch einen Spiegel für
veränderte Lebens- und Arbeitswelten.
„Restaurants, die sichtbar sind, ziehen
auch externe Gäste an“, sagt er. Auch
wachse in den Häusern der Bedarf an öf-
fentlichen, multifunktionalen Räumen.
„Der Gast, der imHotelzimmer an seinem
Schreibtisch sitzt und den Essensservice
bemüht, wird immer seltener“, sagt Jan-
del. Ähnliche Tendenzen beobachtet auch
UBM-Development-COOLöcker. Auffäl-
lig sei, dass fast alle Marken besonders in
das Design und den Service investierten.
Mittelklasse- und Budget-Angebote gelten
als die Zugpferde amMarkt. Bei ihnen do-
miniere Kostenbewusstsein, sie seien effi-
zient und endoptimiert, sagt Trobitz von
der BNP Paribas Real Estate. Kaussen von
CBRE verweist auf entsprechende Linien,
die bisher ausschließlich auf Luxus aus-
gerichtete Unternehmen wie Hilton oder
Hyatt platziert hätten.
Solchen Angeboten schreiben Markt-
beobachter die größte Krisenresistenz zu
– wegen ihrer Effizienz und der transpa-
renten Preiskalkulation. Denn auch wenn
die Anlageklasse dauerhaft ihre Nische
verlassen haben dürfte, wird das bishe-
rige starke Wachstum zwangsläufig ab-
flauen müssen. „Das verfügbare Produkt
wird weniger, und es kommen ja nicht von
einemauf den anderen Tag 15 neue Hotels
dazu“, sagt Giesemann. Der JLL-Analyst
sieht außerdem analog zum Wohn- und
Büromarkt Potenzial für Rundum-sorg-
los-Angebote – also etwa Serviced Apart-
ments, die auch angesichts derWohnungs-
knappheit in Ballungsräumen attraktiver
werden: Wer länger geschäftlich in einer
Stadt zu tun hat, will sich womöglich zwi-
schendurch selbst etwas kochen und sich
zurückziehen. Solche Dienstwohnungen
sind für Unternehmen teuer und schwer
erhältlich geworden.
Mittelfristig zeichnet sich folglich eine
rosige Perspektive für den Hotelimmobi-
lienmarkt ab; sollte die Wirtschaft in eine
Krise rutschen, dürfte es die Hotels freilich
mitziehen. Wenn Geschäftsreisende aus-
bleiben, leiden sowohl Konferenz- als auch
Übernachtungsgeschäft. Diese Aussicht
stärkt das Budget-Segment: „Aufgrund
des guten Preis-Leistungs-Verhältnisses
für die Gäste und der geringen Betriebsko-
sten gelten Budgethotels unter Investoren
als krisenresistent und besonders attrak-
tiv“, erklärt CBRE-Expertin Kaussen.
SUMMARY
»
2017 lag das
Investitionsvolumen in Hotelimmobilien bei fast 4,2 Milliarden Euro
und damit 84 Prozent über dem Zehnjahres-
schnitt.
»
Zugleich blieb der Jahresabschluss 2017
fast ein Fünftel hinter dem Vorjahreswert zurück.
»
Schuld daran ist der Boom selbst:
Der Markt
ist leergefegt.
»
Projektentwickler prüfen mittlerweile C-Standorte,
die Grundstückssuche wird als Flaschenhals bezeichnet.
»
Mittelfristig zeichnet
sich folglich eine
rosige Perspektive für den Hotelimmobilienmarkt
ab.
»
Besonders Budgethotels
gelten unter Investoren als attraktiv.
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Kristina Pezzei, Berlin
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