Immobilienwirtschaft 7/2018 - page 30

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FINANZIERUNG, INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
SHOPPING-CENTER
Retaildential Spaces oder Destination Center?
W
enn die Unternehmensberatung
A.T. Kearney recht hat, so wird es
zukünftig keine Shopping-Center
im klassischen Sinn mehr geben. „Die
Einkaufszentren der Zukunft werden mit
Einkauf nicht mehr viel zu tun haben“,
prophezeit Dr. Mirko Warschun, Han-
delsexperte und Partner bei A.T. Kearney.
Stattdessen werden sich seiner Ansicht
nach die Center weiterentwickeln und
neue Formen annehmen. „Retaildential
Spaces“ beispielsweise werden einen auf
jeweils eine spezifische Zielgruppe aus-
gerichteten Mix aus Handel, Restaurants,
Unterhaltung und Dienstleistungen bie-
ten, während „Destination Center“ ihr
Angebot rund um Attraktionen wie The-
„kaum mehr Mietsteigerungspotenziale“,
hält die BBE Handelsberatung mit Blick
auf Einkaufszentren fest. Das bestätigt Jens
Nagelsmeier, Head of Retail Transaction
beim Investmentmanager Warburg-HIH
Invest, wenn er sagt: „Bei Nachvermie-
tungenmuss man sich in vielen Fällen von
der bisherigen Miethöhe verabschieden.“
Hinzu kommt, dass die Mietvertrags-
laufzeiten kürzer werden. „Getrieben von
großen Textilunternehmen streben viele
Händler Verträge mit einem Sonderkün-
digungsrecht nach drei Jahren an“, berich-
tet Nagelsmeier. Immer mehr Filialisten
bevorzugen nach seinen Worten außer-
demeinenUmsatzmietvertrag. Insgesamt,
stellt Nagelsmeier fest, gingen die Größen
menparks oder Indoor-Skipisten gruppie-
ren und so ein überregionales Publikum
anziehen werden.
Die Vermietung von
Shopping-Center-Flächen
ist inzwischen alles
andere als einfach
Das mag Zukunftsmusik sein. Unbe-
stritten aber ist, dass die erfolgreiche Ver-
mietung von Shopping-Center-Flächen
vor demHintergrund des Online-Handels
und der sich wandelnden Kundenbedürf-
nisse alles andere als einfach ist. Es gebe
Sei es in Unternehmenspräsen-
tationen, Panel-Diskussionen
oder in Fachartikeln: Vermie-
tungsmanagement und die
Positionierung von Shopping-
Centern scheint derzeit in aller
Munde zu sein.
Aber nicht nur Reden, sondern
konsequentes Handeln ist nötig,
denn die Herausforderungen sind
zahlreich. Inzwischen erleben wir,
dass einige Center die an sie ge-
stellten Performance-Erwartungen
nicht mehr erfüllen. Dennoch
wird das Thema oft nicht in seiner
gesamten Tiefe wahrgenom-
men. In Zukunft muss sich das
ändern, denn Einheitslösungen,
wie sie stellenweise immer noch
Anwendung finden, funktionieren
nicht mehr.
Das A und O:
Ein klar umrissenes Profil
Der rasant wachsende E-
Commerce setzt den stationären
Einzelhandel ständigem Druck
aus. Obwohl die wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen so gut
wie selten zuvor ausfallen und
der Einzelhandel kontinuierlich
wächst, findet dieses Wachstum
größtenteils im Internet statt. Die
Folge sind Standortschließungen
und immer kürzere Vertragslauf-
zeiten bei Neuvermietungen.
Das Einzelhandelssegment ist
heute kein Vermieter-, sondern ein
Mietermarkt.
Diese Entwicklungen stellen das
Vermietungsmanagement von
Shopping-Centern vor komplexe
Fragestellungen. Die meisten Cen-
ter – vor allem Revitalisierungsob-
jekte – können eine erfolgreiche
Positionierung nur über eine klare
Differenzierung leisten. Dafür muss
das Vermietungsmanagement
gewissermaßen Adler spielen: Die
Vogelperspektive auf das Große
und Ganze ist ebenso wichtig
wie der Blick auf die Details. Was
konkret bedeutet, dass aus allen
verfügbaren Informationen zum
Objekt und seinem Einzugsge-
biet die Stärken, Schwächen und
Potenziale des Standorts im ersten
Schritt exakt ermittelt werden
müssen. Aus diesen Gegeben-
heiten muss als zweiter Schritt
ein klarer Zusatznutzen abgeleitet
werden, der exakt auf das Profil
und die Wünsche der Zielkunden
ausgerichtet und der eindeutig
kommunizierbar ist. Auf dieser
Positionierung bauen konsequent
die Ausgestaltung des Mieter-
mixes, das Design- und vor allem
auch das Marketingkonzept für das
Objekt auf.
Während sich in einem Fall ein
auf Nahversorger ausgerichtetes
Profil anbietet, kann andernorts
ein Konzept funktionieren, das
vor allem die aus den Stadträn-
dern bekannten Großformate
(Category Killer) wie Kaufland
oder Decathlon in die Innenstädte
holt. Sogar ein Center, bei dessen
Positionierung die Textilhändler
klar im Vordergrund stehen, kann
sich in der Ära des E-Commerce
POSITIONIERUNG VON SHOPPING-CENTERN
Adlertaktik statt Schema F
Lars Jähnichen, Mitglied
der Geschäftsführung, IPH
Handelsimmobilien GmbH
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