Immobilienwirtschaft 3/2018 - page 58

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TECHNOLOGIE, IT & ENERGIE
I
DIGITAL REAL ESTATE
insbesondere die Finanzbranche, die zu-
dem gegenüber der Energiebranche ei-
nen deutlichen Vorsprung an Know-how
hinsichtlich digitalisierter Kundendaten
und deren Nutzung hat. Nur ein Beispiel:
Arbeitet eine Bausparkasse großflächig
mit den Kundendaten, zu denen auch
Bauzustand, Heizungsart und -alter sowie
eben die Verbräuche gehören, könnte sie
daraus Geschäftsmodelle entwickeln, die
denKunden zielgerichtet Sanierungsmaß-
nahmen und gleichzeitig deren Finanzie-
rung vorschlagen.
FINANZBRANCHE SCHNELLER
Dieses Zu-
kunftsszenario sieht Christoph Klemm,
Geschäftsführer von EigenheimManager,
einem auf Ablese-Software spezialisierten
Entwickler. Die Leipziger haben ein Tool
entwickelt, das nicht nur die Stromver-
bräuche erfasst, sondern auch die aller an-
deren Medien bis hin zum Wasser. Nötig
ist dafür nur ein Computer oder ein Han-
dy. Die Verbräuche werden mit Hilfe der
App pixolus erfasst, wofür ein einfaches
Abfotografieren des Zählers reicht. Im
Hintergrund werden dann alle entspre-
chenden Daten berechnet und dem Nut-
zer mitgeteilt. Eigenheim Manager bietet
dieses Tool nicht nur Immobilienbesitzern
an, sondern auch Stadtwerken und Netz-
betreibern. Doch ist das Interesse bei de-
nen – im Gegensatz zur Finanzwirtschaft
– äußerst gering.
Als wäre das alles noch nicht genug,
droht auch noch Ärger vom Bundeskar-
tellamt. Eine Sektoruntersuchung, die
zwei Jahre lang von 2015 bis 2017 lief, kam
zu dem Schluss, dass der Markt unter we-
nigen Firmen aufgeteilt ist. „Die beiden
größten Anbieter Techem und ista haben
einen Marktanteil von 50 bis 60 Prozent“,
schätzt der Bund der Energieverbraucher.
Die beiden größten der Messdienstleister
erleben zudem turbulente Zeiten. Ista
wurde letztes Jahr von dem Hongkonger
Milliardär Li Ka-shing für geschätzte 5,8
Milliarden Euro gekauft. Für Techemwird
derzeit ein Käufer gesucht. Als Gründe
nennen Experten eine ungewisse Zukunft
sowohl durch die Digitalisierung als auch
die Kartellamtsvorgaben. Nähme man
noch Brunata und Minol hinzu, dann
hätten diese vier Unternehmen einen
Marktanteil von 70 bis 80 Prozent und gel-
ten somit als marktbeherrschend imSinne
des Kartellrechts (§ 18 Abs. 6 GWB), so
der Bund der Energieverbraucher weiter.
Diese machten sich logischerweise wenig
Konkurrenz, was letztlich zu überhöhten
Preisen führte. Die Verbraucherschützer
sprechen gar von „Traumrenditen“.
Auch wenn es keinen Missbrauch
erkennt, empfiehlt das Bundeskartellamt
Maßnahmen, mit denen diese Markt-
struktur aufgeweicht werden kann. Dazu
zählen die Interoperabilität von Zählern,
sodass diese auch von anderen Anbietern
genutzt werden können, die Vereinheitli-
chung der Eichfristen und Nutzungsdau-
ern sowie eine verbesserte Transparenz für
dieWohnungsmieter durch Informations-
rechte und Ausschreibungspflichten. All
das sind auch Bereiche, die sich mit der
Digitalisierung überschneiden. Die Bran-
che sieht im Übrigen die Untersuchung
des Kartellamtes überwiegend positiv (si-
ehe auch Statements derMessdienstleister
auf Seite 59).
KERNGESCHÄFT BLEIBT
Wo aber Gefahr
droht, sollte das Rettende nicht weit sein.
„Unser Kerngeschäft, die verbrauchsab-
hängige Abrechnung von Heizwärme und
Wasser, bleibt trotz der sich wandelnden
technischen und politischen Bedingungen
zukunftssicher“, so FrankPeters vonMinol.
Als Gründe führt er vor allem den Be-
stand in der Wohnungswirtschaft an, der
noch über Jahrzehnte Fernwärme, Heizöl,
Gas, Wasser und Strom verbrauchen wer-
de, was eine verbrauchsabhängige Abrech-
nung nötig mache. Allerdings wird sich
das klassische Geschäft ändern. In Neu-
bauten und zunehmend auch im Bestand
seien Funklösungen Standard, mit denen
der Verbrauch außerhalb derWohnungen
erfasst werden könne.
„Entscheidend für eine qualitativ
hochwertige Abrechnung sind neben
prozessualemKnow-how auch technische
Expertise und immer aktuelle rechtliche
Kenntnisse“, wirft Oliver Geer, Tech-
nischer Geschäftsführer von Brunata-
Metrona, noch einen weiteren Aspekt ein.
Der Aufwand, der hierfür erforderlich sei,
übersteige das, was die Mehrzahl der Ver-
walter leisten könne und wolle.
Für Torben Pfau von ista spricht auch
der politische Rahmen aus Klimaschutz
und Verbrauchstransparenz, die beide auf
optimiertes Nutzerverhalten abzielen, für
die Messdienstleister. Denn sie „können
einen erheblichen und vor allem kosten-
günstigen Beitrag leisten, um die Ener-
giebilanz eines Gebäudes zu verbessern.
Deswegen wird das Ablesen, Abrechnen
sowie die transparente Visualisierung von
Verbräuchen nicht nur digitaler, sondern
auch immer wichtiger“, so Pfau.
„Aber selbst bei neu errichteten, ener­
giesparenden Gebäuden ist eine Abrech-
nung nach Verbrauch sinnvoll, damit die
Bewohner zum Energiesparen motiviert
sind“, so Peters. Ohne Verbrauchsmessung
würde der Verbrauch um bis zu 20 Pro-
zent steigen. Und: „Abrechnungen blei-
ben ein Fachgebiet, das außer der Tech-
nik auch ein fundiertes Know-how über
Heizleistungen, Wärmeübergangswerte,
Abtrennungsverfahren, Schätzungen und
Verteilerschlüssel erfordert. Nur wenige
Unternehmen verfügen über die Erfah-
rung und die Prozesse, um komplexe Im-
mobilien rechtlich sicher abzurechnen.“
DIGITALISIERUNG ALS CHANCE
In der Di-
gitalisierung sieht Peters auch deswegen
mehr Chance als Bedrohung. Keines der
bestehenden Geschäftsfelder, so Peters,
werde unter der Digitalisierung leiden.
Stattdessen könne man wegkommen von
Papierbergen und manuellen Prozessen
und hingelangen zu smarten Services aus
der Cloud. Berücksichtigt werde dabei,
dass Gebäude künftig nicht nur Wohn-
oder Gewerbeimmobilie seien, sondern
Informationsquelle, Energiezentrale oder
Gesundheitsstandort.
Gleiches sieht Pfau. Keines der alten
Geschäftsfelder werde leiden. Stattdessen
habe sein Unternehmen bereits mehrere
hundert Millionen Euro in die digitale In-
1...,48,49,50,51,52,53,54,55,56,57 59,60,61,62,63,64,65,66,67,68,...76
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