Immobilienwirtschaft 3/2018 - page 32

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INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
INTERVIEW
Foto: Catella; Oleg Golikov/shutterstock.com
Zukunft lernen von den Schweden
Herr Dr. Beyerle, Sie sind seit dreiein-
halb Jahren bei einem schwedischen
Konzern angestellt. Arbeitet es sich
dort anders?
Man arbeitet in Zyklen, hat
etliche rituelle Unterbrechungen, aber
auch keine endlosen Meetings. Diese
Kaffeetrink-Kultur, die Begegnung am
Kaffeeautomaten, ist stärker ausgeprägt
als bei uns – informelle Meetings haben
einen höheren Stellenwert, da es zu 100
Prozent umUnternehmensdinge geht und
weniger umFamilie &Co. Die Autonomie
des Arbeitens ist dort grundsätzlich viel
ausgeprägter als derzeit schon bei uns.
Es heißt, dass bei Entscheidungsprozes-
sen in Schweden alle mitreden dürfen,
bis ein für alle tragfähiger Beschluss
gefunden wird. Was bedeutet das für
Genehmigungsprozesse in Bauverfah-
ren?
Entscheidungen sind tatsächlich
stark auf ein Konsenssystem ausgelegt.
Man darf aber eines nicht vergessen: Es
gibt eine Art Spielanleitung oder hidden
agenda. Das Gegenüber weiß, welchen To-
leranzbereich es nicht überschreiten sollte.
Deshalb wird oftmals 70 Prozent der zur
Verfügung stehenden Zeit diskutiert. Das
gilt auch bei Baugenehmigungen. Für
mich ist das ehrlicherweise manchmal
„Sondierungsgespräche“ live.
Wie stark ist Bürgerbeteiligung dort
ausgeprägt?
Die gibt es durchaus. Aber
im Vorfeld. Bei uns ist es eher so, dass
nachträglich noch etliche Änderungswün-
sche kommen, die dann inMediationsver-
fahren eingearbeitet werden müssen. In-
teressant ist, dass der Baugenehmigungs-
prozess von einer hohen Transparenz
geprägt ist, die es sicherlich so bei uns in
Deutschland nicht gibt. Bei uns liegt dem-
gegenüber der Bundesverkehrswegeplan
aus, und da musst du dann mal Seite 223
nachschlagen, wenn dich etwas tangiert.
In Schweden läuft das anders.
Transparenz ist dort jedenfalls nicht
nur ein Wort …
Nein. Es gibt eine viel
transparentere Immobilienstruktur, die
wesentlichen Eckdaten einer Immobilie
sind von jedem einsehbar. Die Transpa-
renz resultiert zwangsläufig auch aus dem
hohen Technisierungsgrad des Landes.
„Die meisten neuen
Gebäude in Schweden
sind Smart Homes. Die
passen in die technische
Landschaft, da dort fast
jeder immer online ist.“
Thomas Beyerle
arbeitet
bei einem schwedischen
Unternehmen. Taugen die
Skandinavier als Vorbild für
die Deutschen? Zumindest in
einigen Bereichen, meint er.
Jedes noch so ursprünglich
wirkende Schwedenhaus
kann ein Smart Home sein.
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