IMMOBILIENWIRTSCHAFT 6/2017 - page 34

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INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
KOLUMNE
richtige Ort. In diesem Jahr sind zur Hauptausstellung 120 Künst-
ler aus 51 Ländern eingeladen, fast ein Dutzend lebt in Berlin.
103 der Teilnehmer sind zum ersten Mal dabei. Christine Macel
hat sich nicht auf die bekannten, etablierten Künstler verlassen,
sondern mehrheitlich neue Positionen gefunden.
Mich zieht es zuerst in den Hauptpavillon. Dort sehe ich
Schwarz-Weiß-Fotos, die den Künstler Mladen Stilinović beim
Mittagsschlaf zeigen. Sehr sympathisch. Träumen ist künstle-
rische Arbeit. Ihm folgt die hyperaktive Künstlerin Dawn Kas-
per, die ihr Atelier auf die Biennale verlegt und sich nun sieben
Monate bei ihremSchaffen beobachten lässt. So etwas hat es zwar
schon vorher gegeben, aber ich verstehe: Kunst ist auch intensive
Arbeit. Im dritten Raum bastelt Olafur Eliassonmit Flüchtlingen
und Besuchern Lampen. Ziemlich totalitär, wenn die Flüchtlinge
nur seinen Bauplan nachbasteln sollen. Aber die Botschaft ist klar:
Kunst kann auch ein Gemeinschaftsprojekt sein.
TRÄUMEN, ARBEITEN UND DAS AUCH GEMEINSAM
sind also für
Christine Macel die zentralen künstlerischen Strategien, um die
es ihr geht. So einfach ist das. Sehr ähnlich zu den Verfahren bei
anderen kreativen Prozessen, auch in der Architektur oder der
Immobilienwirtschaft. Da heißt es dann Visionen entwickeln,
hart und kreativ arbeiten, am besten zusammen mit Planern,
Betroffenen und öffentlichen Institutionen. Eigentlich banal,
aber so kann man ja mal anfangen. In der milden Nachmittags-
E
s regnet, Wellen spritzen über die Quaimauer, ich schließe
meine Jacke fester und steige auf das Boot Richtung Insel hin-
ter der grauen Wolkendecke. Die anrollende Instagram- und
Facebook-Nachrichtenwelle schickte bereits erste Gischtspritzer
voraus: Hunde im Deutschen Pavillon, der Markusplatz unter
Wasser, Alexander Kluge in der Fondazione Prada, DamienHirst
monströs. Ich bin wieder in Venedig, sehr müde (Check-in: 5.30
Uhr) und sehr neugierig.
Alle zwei Jahre zieht die internationale Kunstgemeinde hier
auf der Biennale di Venezia Bilanz. In diesem Sommer zum 57.
Mal. „Viva Arte Viva“, „Es lebe die Kunst, sie lebe“, hat Christi-
ne Macel, die diesjährige Kuratorin, ihre Biennale genannt: mit
Künstlern, von Künstlern und für Künstler. Etwas ausführlicher
heißt das bei ihr: „Kunst legt heute (…) Zeugnis vomwertvollsten
Anteil dessen ab, was uns menschlich macht. Kunst bietet den
ultimativen Austragungsort für Reflexionen, individuellen Aus-
druck, Freiheit und zugleich für grundsätzliche Fragestellungen.
(…) Mehr denn je erscheinen die Rolle, die Mitsprache und die
Verantwortlichkeit der Künstlerinnen und Künstler im Zusam-
menhang zeitgenössischer Debatten als entscheidende Faktoren.
Durch diese individuellen Einsätze gewinnt dieWelt vonmorgen
eine wenn auch sicherlich noch ungewisse Gestalt, für die Künst-
lerinnen und Künstler oft ein besseres Gespür bewiesen haben
als andere.“ Wenn wir also etwas über unsere Zeit und über das,
was daraus werden kann, erfahren wollen, ist Venedig zurzeit der
Kunst und Architektur
Foto: Dirk Weiß
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