IMMOBILIENWIRTSCHAFT 6/2017 - page 32

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INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
LOGISTIKIMMOBILIEN
beispielsweise sind Flächen zwar begehrt,
aber für Logistiker zu teuer – im Schat-
ten des Wirtschaftsstandorts haben sich
Duisburg und Krefeld als Logistikcham-
pions etabliert. In manchen Top-Lagen
gebe es schlicht keine Angebote mehr,
erklärt P3-Geschäftsführer Jürgen Diehl.
„ImMünchner oder Stuttgarter Raum, da
kommen Sie nicht einmal mehr an Acker-
land.“
Projektentwickler versuchen dem-
nach, die notwendigen Faktoren für ihre
Kunden auszutarieren. Zunächst vergrö-
ßern sich die Radien um die Ballungs-
räume, in noch möglichst dicht besie-
delte Gegenden. Die Geschäftsführerin
des Logistikimmobilien-Spezialisten RLI
Investors, Katrin Poos, spricht von der
idealen Nähe zwischen „Business und
Consumer“ – also den Logistikprozessen
zwischen den Herstellern und den Kun-
den von Produkten.
ZEIT WICHTIGER ALS KOSTEN
Als poten-
zielles Personal bilden Verbraucher noch
einen weiteren Standortfaktor. „Wo Ar-
beitskräfte sind, siedeln sich Firmen an“,
sagt Christopher Garbe, Geschäftsführer
der Garbe Industrial Real Estate GmbH.
Garbe plant, entwickelt und verwaltet
Industrieimmobilien an knapp 90 Stand-
orten in Deutschland und in den Nach-
barländern. Der Geschäftsführer Garbe
beobachtet so auch, wie sich Rahmenbe-
dingungen für Standortentscheidungen
wandeln. So gewinne der Faktor Zeit ge-
genüber demKostenfaktor kontinuierlich
an Bedeutung – eine Neujustierung, die
ein entsprechend verändertes Konsumen-
tenverhalten widerspiegelt.
Im Austarieren zwischen Nähe, Ver-
fügbarkeit, Arbeitskräftepotenzial und
Preis haben sich vor allem Regionen in
Westdeutschland als Logistikspots he-
rauskristallisiert. Augsburg etwa und Re-
gensburg, auch in und um Nürnberg liegt
nach Experteneinschätzung noch Poten-
zial. Der Raum Würzburg/Schweinfurt
gilt als klassischer „Hidden Champion“,
genauso wie sich in Mönchengladbach
ein Cluster rund um die Mode-Branche
entwickelt hat und Kassel/Bad Hersfeld
verkehrstechnisch günstig liegt. Im Os-
ten Deutschlands bleiben weiße Flecken.
Zwar hat sich Erfurt dank seiner Lage
an Verkehrsknotenpunkten als Standort
entwickelt, genauso wie die Region Halle-
Leipzig. Sonst allerdings sind hier weder
Konzerne angesiedelt, die nah gelegene
Zulieferer brauchen, nochMassen anKon-
sumenten, die schnell an Waren kommen
müssen. Nördlich von Berlin wiederum
gibt es Landstriche mit verschwindend
geringem Arbeitskräftepotenzial.
Wie Entscheidungen ausfallen, hängt
immer auch vomeinzelnenUnternehmen
ab. Wer die Nähe zum Hafen unbedingt
braucht, wird sie sich etwas kosten lassen.
Goodman-Experte Prange etwa berichtet
von einem Kunden, der eigentlich nach
Hamburg oder Bremerhaven wollte. Auf
der Suche nach einer möglichst idealen
Standortlösung ist Prange schließlich auf
denRaumWalsrode-Soltau gestoßen. Uwe
Veres-Homm von Fraunhofer weiß von
ähnlichen Beispielen etwa im begehrten
Raum Rhein-Neckar, wo in ländlichen
Orten wie Östringen oder Gaggenau Lo-
gistikimmobilien entstanden sind.
Abseits derMetropolregionen erleben
Projektentwickler häufig zudem ein güns-
tigeres politisches Klima, wenn es um die
Versiegelung von Flächen geht. Gleichzei-
tig hat das Zerfasern der Logistik-Land-
karte Grenzen: Alpha-Industrial-Chef
Wörner etwa verweist auf mangelnde
Arbeitskräfte-Verfügbarkeit und fehlende
Infrastruktur. „In Logistikhallen arbeiten
in der Regel Geringverdiener, für die sich
lange, kostenintensive Anfahrtswege nicht
lohnen.“ An neuen Standorten fehlt es zu-
demhäufig an gewachsener Infrastruktur,
und weite Wege erhöhen auch für Unter-
nehmer die Kosten empfindlich.
VERDICHTUNG UND WIEDERNUTZUNG
Pro-
jektentwickler setzen folglich verstärkt auf
Verdichtung und Wiedernutzung. „Wir
suchen Brownfields mit und ohne Bau-
recht, dabei machen wir uns das Risiko
im Boden durch eine technische Due Di-
ligence bewusst“, sagt P3-Geschäftsführer
Diehl und verweist auf das Beispiel Ka-
men. Brownfields, also die Konversion
von bisweilen kleinteiligen Industrie-
und Militärflächen, ist zum Zauberwort
geworden – vor allem, wenn es um die
Herausforderung geht, dem Trend nach
E-Commerce in den Städten nachzukom-
men. Denn innerstädtisch konkurriert
Logistik mit anderen Nutzungsarten wie
Wohnen, Büro oder Gewerbe; das Preis-
niveau anderer Sparten kann die Branche
nicht halten. Goodman-Experte Prange
verweist zudem auf die Lieferkette, die
funktionieren müsse. Kleine Flächen für
die „letzte Meile“ ergäben nur dann Sinn,
wenn im Umland ein größeres Zentrum
zur Belieferung bereitsteht.
Trotz der rosigen Aussichten für die
Logistikimmobilien-Branche allgemein
dürften die Herausforderungen in der
Fläche folglich wachsen. Die Berater von
Scope sehen für den E-Commerce ein
Umsatzwachstum von etwa zehn Prozent
„Es geht immer um die
ideale Schnittmenge von
Flächenverfügbarkeit,
Preis, Arbeitskräften und
Nähe.“
Tobias Kassner,
Beratungshaus Bulwiengesa
Foto: bulwiengesa
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