IMMOBILIENWIRTSCHAFT 6/2017 - page 23

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6.2017
Stärkung der Raumordnung angesagt
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nDeutschland verschärfen sich die regionalenDisparitäten; die Lebensverhältnisse in
den Regionen entwickeln sich immer weiter auseinander. Festmachen lässt sich dies an
zunehmenden Unterschieden beim Einkommen und Arbeitsplatzwachstum, der Be-
völkerungsentwicklung, demDurchschnittsalter sowie der Infrastrukturausstattung und
der öffentlichen Daseinsvorsorge. So liegt das Medianeinkommen in Vorpommern bei
2.027, in der Region Stuttgart bei 3.500 Euro. Die Bevölkerung wuchs in Berlin zwischen
2011 und 2014 um4,3 Prozent und ging in der Region Anhalt-Bitterfeld-Wittenberg um
3 Prozent zurück; das Durchschnittsalter beider Regionen liegt bei 42,6 bzw. 48,6 Jahren.
In Göttingen kommen auf 100.000 Einwohner 64 Allgemeinärzte, in Dortmund nur 34.
WACHSTUMS- UND SCHRUMPFUNGSREGIONEN
In wachsenden Regionen wirdWohnraum
knapp, Mieten und Immobilienpreise steigen sprunghaft. Die Neuvertragsmiete inMün-
chen liegt bei knapp 16 Euro/qm, der Preis für ein Standardeinfamilienhaus bei 1,18
Millionen Euro. Günstiger ist die Miete mit vier Euro/qm in Wunsiedel; in der Region
Halle ist ein typisches Einfamilienhaus schon für 84.000 Euro zu haben. Dafür gibt es
in Schrumpfungsräumen hohe Leerstände, eine nicht ausgelastete Infrastruktur. Wachs-
tumsregionen können auch ländlich sein, wie rund umden Bodensee, Schrumpfungsge-
biete städtisch, wie Teile des Ruhrgebiets. Vermehrt treten kleinräumige Disparitäten auf.
Und auch die Umsetzung nationaler Politikziele, wie das 30-ha-Ziel, die Klima-
schutzziele und die Energiewende sowie Maßnahmen zur Klimafolgeanpassung, lässt
sich nicht gleichmäßig auf Regionen und Branchen verteilen. Sie ist in hohem Maß an
Flächen und Raum gebunden. Jede Maßnahme – seien es Flächen für Windräder oder
Biomasse, neue Stromtrassen, mehr Retentions- und Überflutungsflächen, der Braun-
kohleausstieg samt der Folgen für Arbeitsplätze und Regionalwirtschaft – ist für die
einzelnen Teilräume mit unterschiedlichen Belastungen verbunden.
STÄRKUNG DER RAUMORDNUNGSINSTRUMENTE
Gleichwertige Lebensverhältnisse lassen
sich ohne stärkeres staatliches Handeln nur schwer erreichen. Dafür muss vor allem die
Raumordnung dringendmit wirkungsvolleren Instrumenten ausgestattet werden. Diese
müssen integrierte Ansätze verfolgen, Interessen ausgleichen, demokratisch legitimiert
und mit finanziellen Mitteln ausgestattet sein. Für die klassischen Landesentwicklungs-
und Regionalpläne bedeutet dies: Raumbedeutsame Planungen, Maßnahmen und Inte-
ressen müssen schon in die Erstellung der Raumplanungsentwürfe eingebracht werden.
Auch sollte die Regionalplanung über eine Direktwahl der Regionalräte stärker demokra-
tisch legitimiert sein. Zur Umsetzung der Raumordnungsplanung ist eine Verzahnung
der verschiedenen Instrumente der Regionalentwicklung durch integrierte und koor-
dinierte Fördermittelvergabe notwendig. Öffentliche Gelder sollten nur auf Grundlage
integrierter regionaler Entwicklungskonzepte zumEinsatz kommen. Zusätzlich braucht
die Raumordnung aber auch selbst gesonderte Finanzierungsinstrumente etwa für die
Entwicklung und Sanierung größerer Gebiete außerhalb der Siedlungsräume.
Der Deutsche Verband hat dazu auf Grundlage eines Diskussionspapiers von Dr.
Runkel mit ausgewählten Experten von Bund, Ländern, Kommunen, Wirtschaft und
Wissenschaft ein Positionspapier mit konkreten Vorschlägen erarbeitet. Dieses wird als
Plädoyer für eine gestärkte und neujustierte Raumordnungspolitik in die Koalitions-
verhandlungen eingebracht.
Dr. Josef Meyer, Vizepräsident des Deutschen
Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau
und Raumordnung e.V.
Deutscher Verband
Wir
brauchen eine gestärkte und
wirkungsvollere Raumord-
nungspolitik. Dazu hat der
Deutsche Verband zur Bun-
destagswahl ein aktuelles
Positionspapier vorgelegt.
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Dr. Josef Meyer
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