IMMOBILIENWIRTSCHAFT 6/2017 - page 14

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MARKT & POLITIK
I
TITELTHEMA
Foto: : EBS Universität für Wirtschaft und Recht
suchungen der letzten Jahre haben gezeigt,
dass die so genannte „R&D search inten-
sity“ (R&D: Research and Development)
immer dann gering ist, wenn es einem
Unternehmen zu gut oder zu schlecht geht
– wenn also entweder alles bestens läuft
oder aber die Insolvenz kurz bevorsteht.
Die Frage ist: Geht es der Immobilienwirt-
schaft heute einfach gut oder zu gut?Wenn
es ihr gut geht, sindfinanzielle und zeitliche
Ressourcen vorhanden, umEntwicklungen
proaktiv voranzutreiben, und dann wäre
jetzt genau der richtige Zeitpunkt, um In-
novationstätigkeiten zu verfolgen.
Warum ist Innovation für Unternehmen
so wichtig?
Schon seit Schumpeter, das
heißt seit etwa 100 Jahren, werden Inno-
vationen als wichtige Quelle für unterneh-
merisches Wachstum gesehen. Für alle
Industrien gilt, dass sich Unternehmen
an die Veränderungen der Zeit anpassen
müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben
und weiterhin existieren zu können. Mit
Stillstand kommt man früher oder spä-
ter unter die Räder. Die Digitalisierung
führt beispielsweise dazu, dass die Gren-
zen zwischen Industrien verschwimmen.
Ein Hinweis darauf ist, dass die meisten
Gründer von PropTechs aus ganz anderen
Bereichen stammen.
Stichwort PropTechs: Wie sollen eta-
blierte Immobilienunternehmen mit
ihnen umgehen?
Es ist auf jeden Fall
nicht empfehlenswert, sie zu ignorieren.
Ein Unternehmen wird aber auch nicht
automatisch innovativ, wenn es ein Prop-
Tech übernimmt, sondern nur dann, wenn
es selbst innovative Dienstleistungen,
Produkte oder Prozesse aufsetzt. Zwar
können große Unternehmen die Prozesse
und Strukturen von PropTechs nicht eins
zu eins übernehmen; so macht es zum
Beispiel nicht in jedem Großkonzern mit
gewachsenenHierarchien Sinn, diese pau-
schal auf flache Hierarchienwie in kleinen
Frau Hügel, die Immobilienwirtschaft
gilt nicht als besonders innovativ. Trifft
dieser Eindruck zu?
Um dieser Frage
nachzugehen, wurde 2014 an der EBS die
Forschungsstelle Innovation und Entre-
preneurship in der Immobilienwirtschaft
ins Leben gerufen. Dass die Immobilien-
wirtschaft als sehr konservativ wahrge-
nommenwird, hat unter anderemdamit zu
tun, dass sie selber nichts produziert und
auch keine technischen Anwendungen
entwickelt, in denen Neuerungen direkt
sichtbar und greifbar werden, sondern
dass sie hauptsächlich Dienstleistungen
anbietet, bei denen der Innovationsgrad
grundsätzlich schwerer zu beurteilen ist
als bei Produkten. Festzuhalten ist aber,
dass es auch in der Immobilienbranche
innovative Unternehmen gibt.
Hat die heterogene Struktur der Immo-
bilienwirtschaft eine innovationsbrem-
sende Wirkung?
Eine klare Antwort auf
diese Frage habe ich noch nicht, aber eine
Hypothese: Weil die Immobilienwirt-
schaft so kleinteilig organisiert ist und
eine Vielzahl an Tätigkeitsfeldern entlang
des Lebenszyklus der Immobilie abdeckt,
können die sich daraus ergebenden Inter-
dependenzen zwischen denUnternehmen
dazu führen, dass ein konservatives Unter-
nehmen die Entwicklung in der gesamten
Kette bremst. Hinzu kommt ein zweiter
Punkt: Die Kunden von Immobilienun-
ternehmen sind oft nicht die Endkunden
bzw. Nutzer, sondern andere Player mit
einer ähnlichen Mentalität. Andere Bran-
chen haben Kunden mit unterschied-
lichen Ansprüchen und vielschichtigen
Hintergründen, sodass dort der Innova-
tionsdruck von außen schonmal höher ist.
Wird die Innovationsbereitschaft nicht
auch dadurch gehemmt, dass es der
Immobilienwirtschaft momentan wirt-
schaftlich so gut geht?
Das ist eine interes-
santeHypothese.WissenschaftlicheUnter-
„Zur Innovation gehört
das Risiko des Scheiterns“
Immobilienunternehmen gel-
ten als vergleichsweise we-
nig innovativ. Warum das so
ist und was dagegen zu tun
ist, weiß
Dipl.-Ing. Susanne
Hügel
, Research Assistant
& Doctoral Candidate an der
EBS Universität für Wirtschaft
und Recht in Wiesbaden. Sie
ist Autorin des „Innovations-
barometers der Immobilien-
wirtschaft 2017“.
„Die Frage ist: Geht es
der Immobilienwirtschaft
heute einfach gut oder
zu gut?“
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