IMMOBILIENWIRTSCHAFT 6/2017 - page 16

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TECHNOLOGIE, IT & ENERGIE
I
KOMMENTAR
Auch in diesem Jahr wurde der Deutsche Corporate Governance Kodex („DCGK“) in
erheblichem Umfang geändert und ergänzt. Die mit konkreten Vorschlägen fundiert
unterlegte Anregung des Ausschusses Handelsrecht des Deutschen Anwaltvereins
(„DAV“), das Jahr für Jahr ausufernde Regelwerk endlich zu verschlanken und Über-
flüssiges zu streichen, fand wiederum fast kein Gehör.
Man kann eher von einer weiteren Ausuferung mit deutlich mehr Bürokratieaufwand
sprechen, die unter anderem in der Einfügung des „Leitbildes des ehrbaren Kauf-
manns für ethisch fundiertes eigenverantwortliches Handeln“ Ausdruck gefunden
hat. Es fragt sich aber, ob ausufernde Regelwerke mit Allgemeinplätzen und unbe-
stimmten bis hin zu eher konturlosen Begriffen auf zum Teil zweifelhaften rechtlichen
Grundlagen der guten Sache nicht eher schaden können.
Eine andere Gefahr, auf die Prof. Axel Jäger hingewiesen hat, droht vom Gesetzgeber.
Es macht wenig Sinn, Regeln, die der Gesetzgeber nunmehr mit wachsendem Detail-
lierungsrad aufstellt, weiter in dem Kodex „mitzuschleppen“. Denn für die Einhaltung
der gesetzlichen Bestimmungen hat der Vorstand ohnehin immer zu sorgen.
Die Initiative Corporate Governance der deutschen Immobilienwirtschaft hingegen
ist mit ihren Grundsätzen ordnungsgemäßer und lauterer Geschäftsführung der
Immobilienwirtschaft – ihren 10 Geboten – einen anderen Weg gegangen. Sie bemüht
sich um eine griffige Reduzierung auf das Wesentliche bei gleichzeitiger Vermeidung
von Gemeinplätzen.
Gute Unternehmensführung erfordert eine klare und eindeutige Werteorientierung
im täglichen Handeln; die sklavische Befolgung zahlloser immer unübersichtlicher
werdender Detailregeln reicht dafür nicht aus und sollte auch nicht das primäre Kri-
terium für eine gute Unternehmensführung sein. Verbreitet ist die schnell formulierte
Forderung, Regeln nach Geist und Buchstaben zu beachten. Viele neigen dann dazu,
den Buchstaben überzubewerten, weil das einfacher erscheint und weniger persön-
liche Verantwortung zu fordern scheint.
Für die Akzeptanz guter Regeln ist aber der Geist entscheidend, der im Unternehmen
gelebt wird, nicht das sklavische Befolgen von „Buchstaben“. Hierfür bieten die 10 Ge-
bote der Initiative Corporate Governance der Deutschen Immobilienwirtschaft einen
guten lebensnahen Leitfaden.
Corporate Governance:
Überladung droht
Die 10 Gebote der Initiative Corporate Governance (ICG)
unterscheiden sich wohltuend von dem ausufernden
Deutschen Corporate Governance Kodex.
Kommentar
Dr. Jürgen Hübner
„Es fragt sich, ob aus-
ufernde Regelwerke mit
Allgemeinplätzen und
unbestimmten bis hin
zu konturlosen Begriffen
der guten Sache nicht
eher schaden können.“
Dr. Jürgen Hübner,
Retired Partner
Latham & Watkins LLP
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