IMMOBILIENWIRTSCHAFT 6/2017 - page 13

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6.2017
NICHT OHNE KONFLIKTE
Hinter dieser Aussage verbirgt sich ein
Konfliktpotenzial. Denn in Zeiten, in denen die Geschäfte brum-
men, ist es nicht so einfach, Kapazitäten für die Entwicklung neu-
er Ideen freizuschaufeln. „Für die Unternehmen stehen Umsatz
undGewinn imVordergrund. Da fällt es schwer, zwanzig Prozent
der Arbeitszeit für neue Ideen abzuzweigen“, gibt Dr. Thomas
Herr zu bedenken, der sich seit März dieses Jahres mit dem Titel
eines EMEA Head of Digital Innovation bei der Immobilien­
beratungsgesellschaft CBRE schmücken darf. „Deshalb ist es
nötig, bei den Vorgesetzten Überzeugungsarbeit zu leisten und
an sie zu appellieren: Denkt an den Long-Term Profit!“
Auf eine weitere Herausforderung macht Jens Leyh aufmerk-
sam, der als Leiter Competence Center Innovationsmanagement
beim Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisa-
tion IAO branchenübergreifend Unternehmen beim Umgang
mit Innovation berät. Für ihn ist es die enorme Geschwindigkeit
der Entwicklung, welche die Firmen vor erhebliche Schwierig-
keiten stellt. „Bei den Unternehmen ist die Unsicherheit, was als
Nächstes kommt, ein großes Thema“, stellt er fest. „Es kommen
Entwicklungen auf sie zu, die man noch nicht kennt. Und sie
kommen schnell.“
Um damit angemessen umzugehen, empfiehlt auch Leyh
„Agilität“ und die Anwendung von Methoden wie Design Thin-
king. Gleichzeitig macht der Experte auf die Grenzen dieses
Vorgehens aufmerksam: „Man kann nicht alles agil machen.“
Deshalb rät er auch davon ab, ausschließlich auf Kreativität und
verrückte Ideen zu setzen: „Es braucht beides: die kreative Hand
und die Hand, die etwas effizient macht.“
PROPTECHS ALS INSPIRATIONSQUELLE
Dabei betonen so gut wie
alle innovationsorientierten Immobilienunternehmen die Chan-
cen, welche die Beschäftigung mit PropTechs mit sich bringt. Be-
sonders deutlichmacht das Jörn Stobbe, dessenUnion Investment
Real Estate imMai erstmals den internationalen PropTech Inno-
vation Award vergeben hat: „Ein offener Austausch auf Augen-
höhe fördert indirekt auch unsere eigene Innovationsfähigkeit,
da wir uns Anregungen von außen holen und gleichzeitig unsere
Stärken einbringen.“ Und auch Dr. Philipp Sepehr, als Director
Marketing, Research & Innovation bei ECE direkt unterhalb der
Geschäftsführungsebene tätig, sagt: „Wir führen zahlreiche In-
novationsprojekte gemeinsam mit Start-ups durch. Das macht
Spaß, weil die Gründer für ihr Projekt brennen und unfassbar
umsetzungswillig sind.“
Der Bereich, den Sepehr beimHamburger Shopping-Center-
Riesen leitet, existiert erst seit 2016. „Wir haben die Abteilungen
Marketing, Research und Innovation zusammengelegt, da es kein
Innovationsprojekt gibt, an dem nicht verschiedene Bereiche be-
teiligt sind“, erklärt Sepehr. Das ist aber nicht die einzige Ins­
titution im Unternehmen, die sich mit Innovation befasst: Seit
2015 gibt es auch das Marketing & Innovation Committee, in
dem sich Führungskräfte aus allen Bereichen einmal monatlich
treffen. „Das ist in unseren Augen zielführender als eine zentrale
Innovationsabteilung für die ganze ECE“, sagt Sepehr. „Denn für
Innovation spielt der fachübergreifende Austausch eine wichtige
Rolle.“ Und noch eine zweite Aussage der anderen Innovations-
experten bestätigt er: „Wir haben den Anspruch, schnell und
flexibel zu sein. Das bedeutet auch, Hierarchien abzubauen und
scheitern zu dürfen. Scheitern – und vor allem auch Lernen aus
dem Scheitern – ist wichtig.“
AUF DER SUCHE NACH DEM NUTZEN
Inhaltlich konzentrieren sich
Sepehr und seine Mitarbeiter auf konkrete Innovationsthemen
im B2C-Bereich. „In unseren Shopping-Centern haben wir die
Innovation lange den Mietern überlassen“, sagt der Innovations-
beauftragte. „Vor dem Hintergrund der Digitalisierung müssen
wir uns aber als Plattformbetreiber neu erfinden, der Anbieter
und Endkunden miteinander verbindet.“ Vorrangig auf interne
Prozesse und eine Erhöhung der Effizienz zielt hingegen die Ar-
beit von Friederike Buchheister bei Corpus Sireo: „Unsere Vision
ist es, digitale Ermöglicher für alle Business Units zu werden.“
Sehr umfassend versteht Thomas Herr seine Aufgabe bei
CBRE. Drei vorrangige Ziele benennt er: Es gelte, Innovations-
strategien für das Unternehmen zu entwickeln, vorhandene Inno-
vationsprojekte zu identifizieren und miteinander zu verbinden
und schließlich die Kontakte zu Wissenschaft und PropTechs
zu intensivieren. Big Data, Internet of Things, Virtual und Aug-
mented Reality sowie Blockchain – das sind einige der Innova-
tionsthemen, die nach Ansicht Herrs für die Branche besonders
relevant sind.
Und wann schlägt die Innovation in die viel zitierte Disrupti-
on um? Innovationsexpertin SusanneHügel von der EBS sieht das
in historischer Perspektive recht entspannt: „Grundsätzlich ist es
ganz normal, dass es immer wieder größere Innovationssprünge
gibt und Marktteilnehmer verschwinden, wenn diese darauf zu
spät reagieren und den Wandel nicht mitgestalten.“ Genau das
aber soll nicht passieren, betont Union-Investment-COO Jörn
Stobbe: „Wer sich heute traut, echte Innovationen umzusetzen,
steigert damit seine Wettbewerbsfähigkeit von morgen.“
«
Christian Hunziker, Berlin
„Man kann nicht alles agil machen.“
Jens Leyh,
Leiter Competence Center Innovations-
management beim Fraunhofer-Institut für Arbeitswirt-
schaft und Organisation IAO
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