Immobilienwirtschaft 10/2017 - page 90

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TECHNOLOGIE, IT & ENERGIE
I
TITELTHEMA
Immobilienevents. Der Bund und die Städte unterstützen die
Ansiedlung von Start-ups. Dies alles sind Anzeichen dafür, wie
stark der PropTech-Markt aktuell in Bewegung ist.
ERSTE ERFOLGE
Doch die Bewegung führte bei kapitalmarktge-
führten und größeren Wohnungsunternehmen auch bereits zu
ersten erfolgreichen Projekten zwischen PropTechs und Woh-
nungsunternehmen. Vonovia steht etwa mit ihrer Eigentümer-
App der easysquare GmbH beispielhaft für diese Entwicklung.
Ein weiterer Vorreiter ist die BUWOG-Group mit ihrer Mieter-
App der Deutschen Immobilien IT & Marketing GmbH. Der
COO der BUWOG, Herwig Teufelsdorfer, erläutert: „Wir sind
mit einerMieter-App gestartet, weil wir die Kunden stärker einbe-
ziehen wollen. Das betrifft sowohl die Bereitstellung von Services
als auch den Informationsaustausch.“ Erste Vorteile der Mieter-
App, wie kürzere Prozessdurchlaufzeiten, effektivere Kunden-
kommunikation und Effizienzsteigerung, sind bereitsmessbar. So
können etwa Handwerkerleistungen jetzt direkt vom Mieter auf
der App bewertet werden. „DenWeg der Digitalisierungmöchten
wir konsequent weitergehen“, denkt Thorsten Gleitz, BUWOG-
Geschäftsführer, bereits an die nächsten Schritte. Denn wenn die
Auswahl eines PropTechs etwa sechs Monate Zeit benötigt, so
braucht die Projektumsetzung noch einmal so lange.
Auch Degewo-AG-Vorstand Christoph Beck bestätigt: „Die
Digitalisierung durchzieht heute bereits die privaten Alltags-
prozesse der Mieter. Die Wohnungswirtschaft wird sich deshalb
neben den internen Kernprozessen auch den Alltagsthemen der
Mieterinnen und Mieter im Quartier widmen müssen.“
FAST SYMBIOTISCH
Und so scheint es, als ob PropTechs undWoh-
nungswirtschaft auf eine Art einander brauchen würden. Denn
die Wohnungsunternehmen sahen bis vor nicht allzu langer Zeit
gar nicht die Notwendigkeit, sich für ihre Problemlösungen in-
novative Abteilungen aufzubauen. Sie verließen – und verlassen
– sich dabei technologisch größtenteils auf ihre IT-Dienstleister.
Es gab im letzten Jahrzehnt dabei ja auch substantielle wohnungs-
wirtschaftlich orientierte Innovationen. Dazu zählen etwa die
Handwerkerkopplung, die digitale Gebäudedatenerfassung, das
papierlose Büro sowie die Vermietungsportale. Trotzdembleiben
für die aktuellen Marktnotwendigkeiten der Unternehmen rela-
tiv spürbare Innovations-Gaps. Und gerade diese motivieren die
heutigen PropTechs, sich kreativ für die Immobilienwirtschaft
einzusetzen. Smarte digitale Ideen, Wachstumund technologisch
basierte Skalierung sind dabei ihre Ziele und Treiber zugleich.
Denn nur damit sichern sie sich Investitionskapital, Projekte
und Beteiligungen. Erfolgreiche PropTechs zeichnen sich durch
die richtige Mischung aus Technologie- und Forschungseinrich-
tungen aus. Sie mischen Branchenquereinsteiger mit Talenten
vor Ort. Sie finden Kapital und Finanzierungslösungen sowie
administrativen und staatlichen Support.
UNTERNEHMENSPERSPEKTIVE?
Die genannten vielfältigenAwards
ehren denn auch die bereits Erfolgreichenmit scheinbar stabilem
Geschäftserfolg, hoher Innovationskraft, ausgeprägtem Unter-
nehmergeist und leistungsstarken Teams. Das soll ihnen Glaub-
würdigkeit und Prestige verleihen, um eine weitere Verzahnung
mit der Immobilienwirtschaft zu sichern. Doch wie steht es wirk-
lich um Produkt- und Unternehmensperspektive der PropTechs
auf dem deutschen Markt? In einer internen Untersuchung hat
Deloitte die Start-ups einer Ersteinschätzung für die Wohnungs-
wirtschaft unterzogen. In dieser Momentaufnahme eines sehr
agilen Markts wurden 132 von 155 PropTechs betrachtet, die
in den letzten fünf Jahren gegründet wurden. PropTechs ohne
erkennbaren Bezug zur Wohnungs- und Immobilienwirtschaft
wurden nicht berücksichtigt. Untersucht wurden Produkt-USP,
Reifegrad, Sicherheit, Geschäftsmodell, Finanzierung, Pilotpro-
jekte sowie vorhandene Partnerschaften.
Die Untersuchung lieferte höchst interessante Ergebnisse.
So liegt etwa das durchschnittliche Unternehmensalter der be-
trachteten PropTechs bei zwei Jahren. Sehr unterschiedlich ist
die Mitarbeiterzahl: Sie variiert vom alleinigen Gründerteam bis
zur Größe eines mittelständischen Unternehmens mit über 100
Mitarbeitern. Bereits ein Drittel der PropTechs lässt sich nach-
weislich von Investoren unterstützen. Das übernehmen überwie-
gend Business Angels. Eine zunehmende Rolle spielen in diesem
Prozess auchVenture Capital Funds. Bereits ein Fünftel finanziert
sich über Crowdfunding. Diese Tendenz ist steigend. „Doch je
früher Investoren einsteigen, desto mehr Einfluss können Prop-
Techs im eigenen Unternehmen verlieren“, meint René Wallat,
selbst Neugründer von Nooxl Systems GmbH. „Es ist ein zwei-
schneidiges Schwert“, so der Hersteller einer neuen cloudbasier-
ten Portfoliomanagementlösung, „einerseits ist man finanziert,
andererseits steigt damit derWachstumsdruck immens. Je länger
man den Einstieg hinauszögern kann, desto besser ist die Ver-
„Man ist finanziert,
doch der Wachstums-
druck steigt immens.
Je länger man den
Einstieg eines Inves-
tors hinauszögern
kann, desto besser.“
René Wallat,
Nooxl Systems GmbH
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