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VERMARKTUNG & MANAGEMENT
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RECHT
Präsentiert von:
Hubert Blank
Richter am Landgericht
Mannheim
Mietrecht
Mietrecht
– Aktuelle Urteile
nicht nur zuWohnzwecken beziehen, son-
dern dort zugleich überwiegend einer frei-
beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit
nachgehen, ist zusätzlich zu den für eine
Eigenbedarfskündigung genügenden Vo-
raussetzungen ein weiterer Gesichtspunkt
zu fordern, der für das Erlangungsinteres-
se des Vermieters spricht. Es genügt, dass
dem Vermieter im Falle des Fortbestands
des Mietverhältnisses ein „beachtens-
werter“ Nachteil entsteht.
Soll dieWohnung ausschließlich zu freibe-
ruflichen oder gewerblichen Zwecken ge-
nutzt werden, müssen weitere Umstände
hinzutreten, um den Vermieterinteressen
den Vorzug einzuräumen. Der Fortbe-
stand des Wohnraummietverhältnisses
FAKTEN:
Die Vermieterin hat das Mietver-
hältnis gekündigt. Grund: Sie wolle die
Wohnung ihrem Ehemann überlassen.
Dieser benötige sie, um dort Akten unter-
zubringen. Der BGHhatte zu entscheiden,
ob ein Wohnraummietverhältnis gekün-
digt werden kann, wenn der Vermieter
oder ein Angehöriger die Räume zu ge-
werblichen oder freiberuflichen Zwecken
benötigt. Für die Kündigung zur Deckung
eines gewerblichen oder freiberuflichen
Eigenbedarfs ist erforderlich, dass die
Berufstätigkeit zumindest nennenswert
erschwert wird. Zur Orientierung im
Rahmen der Interessenabwägung schlägt
der BGH hier folgende grobe Leitlinien
vor. Will der Vermieter die Mietwohnung
Urteil des Monats:
Kündigung zur Deckung von gewerblichem Bedarf – Grundsatzentscheidung
Der Entschluss eines Vermieters, die Mietwohnung nicht nur zu Wohnzwecken zu beziehen, sondern dort zugleich
überwiegend einer geschäftlichen Tätigkeit nachzugehen, ist anders zu behandeln als Fälle, in denen der Vermieter
die Wohnung ausschließlich zu geschäftlichen Zwecken nutzen möchte.
BGH, Urteil v. 29.03.2017, VIII ZR 45/16
FAKTEN:
Die Entscheidung betrifft ein im Jahre 1906 erbautes Mehrfamilienhaus, vor
dessen Hauseingangstür sich seit Jahrzehnten ein Fußabstreifer in Form eines Gitter-
rostes mit rautenförmigenÖffnungen von 4mal 7,3 cmbefindet. Der Gast einerMieterin
blieb mit dem Absatz des rechten Schuhs in dem Gitterrost hängen, kam dadurch zu
Fall und verletzte sich erheblich. Sie nimmt den Eigentümer auf Schadensersatz und
Schmerzensgeld in Anspruch. Die Klage hatte keinen Erfolg: Moderne, handelsübliche
Gitterroste haben quadratische Öffnungen von ca. 3 cm Seitenlänge. Dies führt zu der
Frage, ob der Verkehrssicherungspflichtige gehalten ist, einen älteren Gitterrost mit
einer größeren Öffnung gegen einen modernen auszutauschen. Dies ist nach Ansicht
des Gerichts nicht der Fall.
FAZIT:
Das Gericht weist im Übrigen darauf hin, dass Gitterroste älterer Bauart nach
wie vor üblich sind. Deshalb darf der Verkehrssicherungspflichtige darauf vertrauen,
dass die Hausbewohner und deren Besucher angemessen auf die von einem Gitterrost
ausgehende Gefahr reagieren.
VERKEHRSSICHERUNGSPFLICHT
Sturz eines Besuchers auf
Fußabtreter-Gitterrost
Wer vor dem Eingang seines Mehrfa-
milienhauses einen jahrzehntelang
unfallfrei benutzten Gitterrost-Fußab-
treter belässt, verletzt nicht deshalb
schuldhaft die ihm als Eigentümer
obliegende Verkehrssicherungspflicht,
weil die Öffnungen zwischen den
Stegen des Fußabtreters etwas größer
sind als heutzutage üblich.
OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 6.4.2017, 11 U 65/15
muss für den Vermieter einen Nachteil
von einigem Gewicht darstellen. Solche
Nachteile können vorliegen, wenn die
anderweitige Anmietung von Geschäfts-
räumen nicht rentabel ist oder wenn be-
sondere Umstände für die Nähe vonWoh-
nung undArbeitsplatz sprechen, etwa eine
Krankheit, die Betreuung von Kindern
oder die Pflege von Angehörigen.
FAZIT:
Im Entscheidungsfall hat der BGH
die Räumungsklage der Vermieterin für
unbegründet erachtet: Gegenüber einer
Kündigung zu Aktenlagerungszwecken
und zur Schaffung eines Platzes zur
Akteneinsicht sei das Bestandsinteresse
des Mieters vorrangig.