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TECHNOLOGIE, IT & ENERGIE
I
TITELTHEMA
steht derzeit noch die Internetseite imVordergrund, auf der man
sich durchklicken darf. Apps fungieren scheinbar bisher nur für
wenige Unternehmen als Startpunkt, um kundenorientiert, pro-
zessual und digital ins neue Zeitalter einzutreten.
STEIGENDE ERWARTUNGEN
Die Erwartungshaltung nach perma-
nenter Verfügbarkeit aktueller Informationen und die Anzahl
spezieller Apps steigt. Die organisatorische Komplexität erfordert
den Fokus auf Qualität. Der Anspruch an wertschöpfende Tätig-
keiten wird immer höher. Neue, noch experimentell eingebun-
dene Messenger-Dienste und Chatbots, die die Kommunikation
mit demMieter übernehmen, sind schon erlebbare Zukunftsmu-
sik. Treiber sind auch in diesen Fällen die Aspekte Kundenorien-
tierung und Effizienz. Einsparungen sind sekundär.
Im Prozess der Digitalisierung ist nicht die einzelne Inno-
vation entscheidend. Es geht vielmehr um die Kombination
der Technologien. Erst daraus resultieren neue strategische
Geschäftsmodelle. Es transformieren sich derzeit auch die Füh-
rungs- und Unternehmenskulturen. Welchen Anteil genau die
PropTechs daran haben werden, wird erst die Zukunft zeigen.
Fakt ist, dass die Wohnungswirtschaft nicht an Innovationen
und Digitalisierung vorbeikommt. Der lange und evolutionäre
Transformationsprozess von analog zu digital hat begonnen. Der
Kunde erwartet es, denn die Technologie – ist nicht zuletzt auch
dank der PropTechs – vorhanden.
«
Bernhard Schreiber MRICS und Anke Giertler, Berlin,
quasi die an sie ausgelagerte Pflicht, mögliche Innovationsanfor-
derungen des Marktes zu erfüllen. Mit dieser Organisationsform
geht ein weiteres Risiko für die PropTechs einher: EinzelneWoh-
nungsunternehmen könnten sich lediglich die Inspirationen von
ihnen holen. Danach könnten sie diese mit ihrem angestammten
ERP-Dienstleister besprechen und sich die Produktidee dann von
diesem umsetzen lassen. Obwohl das zumeist teurer ist, reicht
in der Abwägung vielfach das Argument, die Vernetzung der
Prozesse wäre besser. Allerdings steigt damit automatisch die
Abhängigkeit vom IT-Dienstleister noch weiter.
WAS TUN?
Wie kannman nunmit dieser Gemengelage umgehen?
Dazu zwei Grundannahmen: Wohnungsunternehmen denken in
Strukturen und Prozessen. PropTechs denken in Technologien
undwie sie die einzelnen Beteiligten und Prozesse vernetzen kön-
nen. Die Schnittmenge sind die Prozesse. Die von den PropTechs
bedrohte Prozesswelt konzentrierte sich in den letzten Jahren in
der Wohnungswirtschaft auf den Ausbau der IT-Landschaft in
Verbindung mit der Erstellung von Organisationshandbüchern
sowie der Visualisierung und Zementierung etablierter Prozess-
welten. Der Gründer Stefan Zanetti von der Allthings GmbH
vertritt die Meinung, „dass 80 Prozent der mieterorientierten
wohnungswirtschaftlichen Prozesse durch Digitalisierung auto-
matisiert werden können“. PropTechs ermöglichen innovative
Unternehmensformate mit einer flexiblen webbasierten Platt-
form, in der Kunden, Gebäude, Mitarbeiter und Dienstleister
integriert werden. Die bisherigeWelt derMedienbrüche zwischen
ERP-Systemund internen sowie externenKommunikationssyste-
men kommt durch die moderne automatisierte, standardisier-
te und digitalisierte plattformgesteuerte Prozessvernetzung ins
Wanken. Die Transformation vomERP-geführten zumERP- und
Kommunikationsplattform-geführtenUnternehmen für eine bes-
sere Kundenorientierung hat begonnen.
Bei der Digitalisierung der Kundenorientierung wird vor
allem der neuen App-Welt und dem „Look and Feel“ noch zu
wenig Beachtung geschenkt. Im Privaten gelangt man mit we-
nigen Klicks ans individuelle Ziel. In der Wohnungswirtschaft
Bernhard
Schreiber
MRICS
Strategy &
Operations |
Real Estate Con-
sulting Certified
Business Advisor
AUTOREN
Anke Giertler
Senior Consul-
tant Real Estate
Consulting
beide: Deloitte
Consulting
GmbH
Bei den Wohnungsunternehmen gibt es verschiedene Lager
mit unterschiedlichen Strategien:
„FIRST MOVER“
beginnen mit der Digitalisierung und
setzen erste von PropTechs entwickelte Innovationen um.
Sie sind proaktiv. Das First-Mover-Lager kalkuliert Risiken,
Fehlschläge und Scheitern mit ein. First Mover sind vor allem
die größeren und kapitalmarktgetriebenen Unternehmen.
„RISIKOSCHEUE“
setzen auf bewährte Technologie. Sie
steigen langsam in die Digitalisierung ein. Sie sind eher re-
aktiv. Die Risikoscheuen warten mit der Umsetzung, bis sich
neue PropTech-Technologien bewährt haben. Sie veranschla-
gen für die Umsetzung ihrer Digitalisierungsstrategie eine
längere Wegstrecke.
Jedes Unternehmen muss für sich die richtige Variante
finden, den Königsweg gibt es nicht.
„Laissez-faire“, laufen lassen, ist keine Lösung.
DIGITALISIERUNGSTYPEN