Immobilienwirtschaft 10/2017 - page 91

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handlungsposition zur Umsetzung der eigenen Vorstellungen.“
PropTechs – so viel wird klar – stecken also in einer veritablen
Zwickmühle. In welchemMaße sie bereit sind, andere an der Un-
ternehmensentwicklung zu beteiligen, ist Resultat von komplexen
Überlegungen. Denn mit Fremdkapital bestünde die Chance auf
rasantesWachstum. Ohne Investorenbeteiligung könnten sie sich
aus eigener Kraft auch rentabel und mit nachhaltiger Kunden­
beziehung entwickeln – das aber wohl langsamer.
Letztendlich gilt für jedes PropTech: Nur mit ausreichender
Finanzierung kann es langfristig amMarkt existieren. Dafür sind
der Mehrwert des Produkts und sein Alleinstellungsmerkmal
(USP) entscheidend. In der durchgeführten Untersuchung wur-
den die Einzelbewertungen gewichtet in einer Matrix abgebildet.
Diese Matrix liegt bei Deloitte vor. Eines der Ergebnisse darin:
Produkt-USP, die Marktpräsenz und die Finanzierung sind das
A und O für eine positive Unternehmensperspektive. Natürlich
helfen Start-up-Booster, wie etwa die blackprint Booster GmbH,
Partnerschaftenmit Branchenführern und der Einstieg namhafter
Investoren einem Newcomer. Aber eine Garantie für das Gelin-
gen einer Unternehmung gibt auch das nicht. Denn eine etwaige
mittelfristige Übernahme des PropTech-Unternehmens oder des
Produkts stellt für jedes kooperierende Wohnungsunternehmen
ein nicht zu unterschätzendes Risiko dar.
INNOVATION?
Auch der innovative Charakter einer Produktidee
allein reicht für einen zu prognostizierenden Geschäftserfolg
nicht aus. Denn ob die Wohnungswirtschaft tatsächlich bereit
ist, dafür ihren Geldbeutel zu öffnen, wird bei den Unterneh-
mensneugründungen interessanterweise wenig hinterfragt. Ein
pragmatischer, aber auch ambitionierter Businessplan kann dabei
helfen. So klare Planungen haben die PropTechs aber oft nicht.
Hinzu kommt häufig das Risiko, dass durch vergleichbare Pro-
duktideen auf dem Markt ein harter Wettbewerb das Überleben
des PropTechs gefährdet. Die Konkurrenz schläft nicht! Gute
Zeichen dagegen sind, wenn es ein Start-up geschafft hat, durch
aktives Marketing und Netzwerken am Markt präsent zu sein.
Wenigstens ein Pilotprojekt sollte am Laufen sein. Idealerweise
kann das PropTech sogar schon mehrere Referenzkunden auf-
weisen. Dann hat es mit dem entsprechend innovativen Produkt
auch gute Chancen amMarkt – solange die Finanzierung reicht.
Weitere nicht zu unterschätzende Erfolgsfaktoren der Prop-
Techs sind Gründerpersönlichkeiten, die in der Außenwirkung
Kunden und Investoren überzeugen. In der Untersuchung wur-
den von den Wohnungsunternehmen als Erfolgsfaktoren für er-
folgreich umgesetzte Projektemit PropTechs folgende Punkte ge-
nannt: Ästhetik des technologischen Produkts, Durchschlagskraft
des Projektverantwortlichen, multidisziplinäres Projektteam,
Kreativität bei den Mitarbeitern und pragmatische Umsetzung.
Unbedingt muss das Projekt intern kommunikativ begleitet wer-
den, sodass es von allen Mitarbeitern akzeptiert wird.
ABDECKUNG RELEVANTER THEMEN: 70 PROZENT
Mehr als dieHälfte
der untersuchten PropTechs bedient die bekannten Unterneh-
mensprozesse wie Vermietung und Verkauf, Immobilienma-
nagement (Objektbewirtschaftung und Kundenmanagement),
Immobilienbewertung und Baumanagement. Die andere Hälfte
beschäftigt sich mit innovativen Themen wie 3D/ Virtual/ Aug-
mented Reality, digitalen Datenräumen, Crowdfunding, Smart
Building sowie dem Internet of Things. Insgesamt decken sie 70
Prozent der wohnungswirtschaftlichen Themen ab. Besonders
im Themenfeld Vermietung und Verkauf zeigt sich ein harter
Wettbewerb der Plattformen.
Dabei spielt es keine Rolle, ob primär Vermieter oder Mieter
angesprochen, temporäre Vermietung oder ganze Verkaufstrans-
aktionen angeboten werden. Der Reifegrad der Produkte ist sehr
unterschiedlich: Er reicht von einer ersten Idee bis zum ausge-
reiften Vertriebsprodukt. Es existieren auf der PropTech-Land-
karte selbstverständlich noch viele weiße Flecken. Doch eines
überrascht in diesem Zusammenhang: Assistenzsysteme für ein
selbstbestimmtes Leben im Alter (AAL: Ambient Assisted Li-
ving) haben sich –mit Ausnahme des Hausnotrufs – bislang nicht
durchgesetzt. Allen Annahmen nach wird dieser Themenkom-
plex zukünftig aber stärker in den Fokus rücken.
Technisch gesehen basieren die meisten untersuchten Pro-
dukte auf Web-Plattformen, die einfach zugänglich sind. Das
Thema Sicherheit – ISO-zertifizierte, TÜV-geprüfte oder in
Deutschland gehostete Datenzentren – ist den PropTechs bekannt
und erfährt zunehmend Priorität. Eine heikle Stelle in allen Pro-
jekten ist der Datenaustauschmit den bestehenden IT-Systemen.
Seitens der PropTechs wird dieser zwar angeboten. Es hängt je-
doch letztlich immer von der Bereitschaft des IT-Dienstleisters
des Wohnungsunternehmens ab, ob Zugang etwa zu den Enter
prise-Ressource-Planning-Systemen gewährt wird. Aktuell gibt
es in Deutschland keinen Marktstandard, der automatisch einen
Zugang zum ERP-System ermöglicht.
»
„PropTechs werden
eher als evolutionär
denn als disruptiv
empfunden. Dennoch
bieten sie viele Chan-
cen für die Moderni-
sierung der Prozesse.“
COO Claudia Hoyer,
TAG Immobilien AG
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