Immobilienwirtschaft 10/2017 - page 78

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VERMARKTUNG & MANAGEMENT
I
ENERGIEWENDE
„Es wäre sinnvoll gewe-
sen, ganze Quartiere in
das Mieterstrom-Modell
einzubeziehen, weil
Verwaltungen häufig für
mehrere Gebäudeblöcke
zuständig sind.“
Thomas Meier,
BVI-Präsident
kümmert sich der Vermieter um den Be-
trieb der Heizung und kauft den nötigen
Brennstoff ein. Die Heizkosten und die
Betriebs- undWartungskosten der Anlage
werden nach der Heizkostenverordnung
auf die Mieter umgelegt. Es gibt jedoch
auch vertragliche Konstruktionen, bei
denen das Blockheizkraftwerk vom Ver-
mieter an einen anderen Betreiber ver-
pachtet oder von vornherein durch einen
externen Betreiber errichtet wird, das so
genannte Contracting, in verschiedenen
Ausführungsmöglichkeiten: Vom be-
triebswirtschaftlichen bis hin zum Ener­
giecontracting oder Verträgen, die auf
Einsparziele hinarbeiten, sind mehrere
Varianten denkbar.
Die jüngst beschlossenen Neurege-
lungen für Photovoltaikanlagen auf Haus-
dächern sollen der Energiewende gerade
in Städten zu neuem Schwung verhelfen.
Wer als Eigentümer auf dem Dach Solar-
panels installiert und den daraus gewon-
nenen Stromdirekt anMieter verkauft, er-
hält künftig einen Zuschlag. Dessen Höhe
hängt von der Größe der Solaranlage und
dem Photovoltaik-Zubau insgesamt ab
und dürfte zwischen 2,21 Cent und 3,81
Cent pro Kilowattstunde liegen.
Der Strom darf auch an Bewohner in Ge-
bäuden im „unmittelbaren räumlichen
Zusammenhang“ mit dem Solardach-
Haus gehen – was genau dies in Praxis
und Rechtsprechung bedeutet, bleibt
abzuwarten. Die Gebäude müssen min-
destens zu 40 Prozent für Wohnzwecke
genutzt werden.
PFERDEFUSS 1: KEINE FÖRDERUNG AUF
QUARTIERSEBENE
Mit der Forderung,
ganze Quartiere in das Modell einzube-
ziehen, konnten sich Branchenverbände
leider nicht durchsetzen. „Dabei wäre
genau das sinnvoll gewesen, weil ja auch
Verwaltungen häufig für mehrere Gebäu-
deblöcke zuständig sind, hinter denen
ein Wohnungsunternehmen oder eine
Wohneigentumsgemeinschaft steht“, sagt
BVI-Präsident Thomas Meier.
PFERDEFUSS 2: GROSSE ANLAGEN NICHT
GEFÖRDERT
Kopfschütteln löst bei vielen
Experten aus, dass die Größe der förder
fähigen Anlagen auf 500 Megawatt jähr-
lich beschränkt ist. „Es gibt keinenGrund,
Investitionen auf diese Art und Weise zu
hemmen“, sagt Thomas Meier.
PFERDEFUSS 3: RIESIGER BÜROKRA-
TISCHER AUFWAND
Ohnehin ist fraglich,
welcher Vermieter die eigene Strompro-
duktion tatsächlich in Angriff nehmen
wird: Mit dem Engagement verlieren Un-
ternehmen ihre Gewerbesteuerbefreiung;
umgehen können sie das nur, indem sie
neue Gesellschaften eigens zur Stromher-
stellung und den entsprechenden Verkauf
gründen. „Wir als Immobilienverwalter
können nur vor dem erheblichen büro-
kratischen Mehraufwand warnen, der auf
Eigentümer und uns zukommt“, gibt Mei-
er zu bedenken.
„Unkomplizierter wäre es gewesen,
die Ausnahmeregelungen für Vermieter
auf den Mieterstrom auszuweiten.“ Ein
Knackpunkt bleibt auch die rechtliche
Stellung von Wohnungseigentümer­
gemeinschaften: Im Moment werden sie
zu Elektrizitätsversorgungsunternehmen
mit entsprechenden Lieferantenpflichten.
Hier gebe es Anpassungsbedarf, stelltMei-
er klar. Es könne nicht sein, dass Eigentü-
mern und damit auch Verwaltungen noch
mehr Aufwand ans Bein gebunden wird.
PFERDEFUSS 4: EEG-UMLAGE WIRD FÄLLIG
Nach einer Studie des Instituts für Öko-
logische Wirtschaftsforschung (IÖW) im
Auftrag der Grünen ist Mieterstrom ge-
genüber dem Eigenverbrauch schlechter
gestellt. Während nämlich Eigenheim­
besitzer keine oder reduzierte Abgaben
und Umlagen auf den selbst erzeugten
Strom zahlen müssten, werde der im
Hausnetz an Mieter gelieferte Solarstrom
voll mit der EEG-Umlage belastet.
Trotzdem können sich Mieterstrom-
Modelle schon für Gebäude ab 15 Wohn-
einheiten rechnen.
FÖRDERUNG: LÄNDER GEHEN VERSCHIE-
DENE WEGE
Neben den hohen KfW-För-
derungen KfW40 und KfW40 Plus bieten
immer mehr Bundesländer eigeneMieter-
stromförderungen an. Dazu gehörenHes-
sen, Nordrhein-Westfalen undThüringen.
In NRW zum Beispiel betrifft die
Förderung von maximal 30.000 Euro vor
allem Zuwendungen für die Ausgaben
bei Kauf und Installation von passenden
Zählern zur Bilanzierung des Mieter-
stromverbrauchs. Zuwendungsfähig
sind außerdem Hard- und Software für
Abrechnungssysteme. Daneben gibt es
andere Förderungen für Speicher und
PV-Anlagen.
In Thüringen wiederum werden mit
dem Programm „Solar Invest“ Solaranla-
gen mit bis zu 40 Prozent und Energie-
speicher mit bis zu 50 Prozent der Inves­
titionskosten gefördert, sofern der Strom
komplett lokal imEigenverbrauch genutzt
wird. Investitionen in Mieterstrom-Mo-
delle werden sogar mit bis zu 80 Prozent
gefördert, dazu zählen auch Beratungsleis­
tungen. Der maximal mögliche Zuschuss
je Vorhaben beträgt 100.000 Euro. Der
Fördersatz sollte nicht weniger als zehn
Prozent betragen.
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Redaktion „Immobilienwirtschaft“, Freiburg
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