Immobilienwirtschaft 9/2017 - page 48

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20 JAHRE SPEZIAL
I
20 ZIELGRUPPEN
um ein Arbeitsfeld reicher.
Erst tragen sie die Datenberge
zusammen, dann machen sie
sie durch Übersetzung in Bild,
Text und Grafik beherrschbar.
Weil sich der Kaufpro-
zess professionalisierte, haben
Verkäufer seit gut zwölf Jahren
die Wahl: Bieten sie ihr Ob-
jekt gezielt nur jenen an, bei
denen sie die stärkste Nach-
frage vermuten? Oder rufen
sie ein strukturiertes Bieter-
verfahren aus und bieten so
ihr Projekt international feil?
Der Aufwand ist größer, stellt
Anbietern aber in Aussicht,
den höchstmöglichen Erlös
imaktuellenMarkt zu erzielen.
Käufer pitchen um Pro-
jekte und große Maklerhäuser
um ihre Vermarktungsman-
date. Vom institutionellen Ei-
gentümer eingeladen werden
jedoch nur Vermarkter, deren
„Track Record“ den „Access to
the global money“ dokumen-
tiert. Ums Mandat selbst wird
mit Filmen und Broschüren
vomVerkaufsobjekt gekämpft.
Die stellen Bewerber auf ihre
Kosten her. Deshalb kann
nur am großen Immobilien-
rad mitdrehen, wer weltweite
Netzwerke besitzt sowie fünf-
stellige Summen für Wettbe-
werbsunterlagen. So gesehen
ist der Markt wieder ein Clo-
sed Shop, jedoch ein weltwei-
ter.
IST NUN ALLES BESSER?
In
nicht mal 20 Jahren wandel-
ten sich die Makler zu voll
integrierten Dienstleistern für
Kapitalmarktprodukte. Das
Geschäft wurde komplexer,
entsprechend breiter sind die
Immobilienberatungsgesell-
schaften aufgestellt. Makeln ist
nur noch ein Aspekt von vie-
len – und auch der veränderte
sich. „Früher wollte man den
bestmöglichen Deal abschlie-
Sicherheit. Da der deutsche
Markt herrlich stabil war,
rückte er nun auch in den Fo-
kus asiatischer, australischer
und saudi-arabischer Anleger.
NEUENTDECKUNG DER IMMO-
BILIE
Mit den internationa-
len Investoren etablierte sich
schleichend, aber beharrlich
ein neues Verständnis von
„Immobilie“ im Markt. „Die
Branche lernte, das Vermö-
gensgut kapitalmarktorien-
tiert zu managen, statt es nur
zu verwalten. Damit entwi-
ckelte sich das Bewusstsein
für das Potenzial der Asset-
klasse vergleichsweise spät“,
erklärt CBREs Research-Chef
Dr. Jan Linsin. Ursprünglich
dominierten auf Sicherheit
bedachte Anleger wie Versi-
cherungen und Rentenfonds.
Von denen nahm keiner unter
„Core Plus“ Geld in die Hand –
lieber setzte man auf schmale,
aber sichere Renditen. Wohin-
gegen die ausländischen Player
mehr Chancen als Risiken wit-
terten. Sie interessierten auch
die Value-add-Objekte oder
gar B- und C-Standorte. Im
miet- und kaufpreisgünstigen
Deutschland sahen sie den
nächsten Turnaround-Kan-
didaten. Sie behielten Recht.
Rückblickend ist das Land
der große Gewinner, der nach
kurzem Einbruch gestärkt aus
der globalen Finanzmarktkrise
hervorging. Bis heute gilt das
wirtschaftsstabile Land als si-
cherer Investorenhafen. Rund
45 Prozent des jährlichen In-
vestments stammt aus dem
Ausland. Undmit demZufluss
des internationalen Geldes
und mit risikofreudigen An-
lagestrategien zog das Asset
Management ein.
WELTOFFENER CLOSED SHOP
In-
ternationalisiert hat sich auch
das Geschäftsgebaren. Früher
reichten Gespräche und Ex-
posés, um sich handelseinig
zu werden. Nun gilt: Kein
Deal ohne Pitch; kein Verkauf
ohne buchähnliches Info-Me-
morandum. Das beschreibt
Objekte samt Umfeld so aus-
führlich, dass auch Stadt- und
Landunkundige denWert ein-
zuschätzen vermögen. Bieter
in der engeren Wahl erhalten
Zugang zu Datenräumen. Die
digitalen Depots vereinen die
gesammelten Vertragswerke
und Technikunterlagen. Will
der Bieter sichergehen, beauf-
tragt er das Maklerhaus seines
Vertrauens als By-Side-Advi-
sor. Im Rahmen einer Techni-
cal Due Diligence bereitet der
ihm die Daten investorenge-
recht auf – und ist so wieder
ßen. Das war der, der die In-
teressen von Anbietern sowie
Käufern bzw. Mietern in Ein-
klang brachte. Heute vertritt
die vermittelnde Innung nach
angloamerikanischem Muster
qua Vertrag zunehmend häu-
figer nur noch die Interessen
ihres Auftraggebers“, bedauert
Bechtle den Verlust einer koo-
perativenVerhandlungskultur.
Eine Kritik, die bei den
Playern angelsächsischer
Prägung auf Unverständnis
stößt. Sie sehen sich weiterhin
als sachverständigen Mittler,
wenngleich Verhandlungen
heute mit profunderen Kennt-
nissen über Objekt und Markt
ausgefochten werden. Aber
Hand aufs Herz: Wie ernsthaft
hält man anlageversessene
Wann kamen die großen
Immobiliendienstleister nach
Deutschland?
1973
Jones Lang Wootton und CB
Richard Ellis eröffnen deutsche
Landesdependancen.
1989
Der US-Makler Cushman Wakefield
startet in Deutschland.
1991
Die schwedische Catella kauft
Eureal, und Savills kommt aus UK.
1999
Knight Frank (UK) nimmt sein
Deutschland-Geschäft auf.
2003
vereinen sich lokal selbstständige
Makler unter der Marke Colliers
International.
2004
BNP Paribas übernimmt Atis Real,
die 2001 gegründete europäische
Immobiliengruppe, in der Müller
International (ab 1958) Deutsch-
land vertrat.
HISTORIE
„Das Bewusstsein
für das Potenzial
der Assetklasse
entwickelte sich
vergleichsweise
spät.“
Dr. Jan Linsin,
Research-Chef CBRE
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