Immobilienwirtschaft 9/2017 - page 106

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INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
EXPO REAL 2017
Klaus Dittrich, Vorsitzender der
Geschäftsführung Messe Mün-
chen GmbH, über boomende
Märkte und deren Kehrseite.
Das wirtschaftliche Umfeld
mit weiterem Wachstum und
niedrigen Zinsen verhilft der
Branche zu immer neuen
Höhenflügen. Wie spiegelt
sich das auf der Expo Real?
Es
spiegelt sich unter anderem in
den Diskussionen im Expo Real
Forum. Wir haben dieses Jahr den
amerikanischen Wirtschaftswis-
senschaftler und Nobelpreisträger
Professor Joseph Stiglitz gewinnen
können, der über „Uncertainties
in Economics and Politics: What
matters? What is the influence
for real estate?“ spricht und die
jüngsten geopolitischen Entwick-
lungen sowie die wachsende
Verunsicherung seit 2008 und ihre
Folgen analysiert. Darüber hinaus
befassen sich auch die Eröffnungs-
runden im Forum mit dem Thema
„Gesamtökonomie und Immobili-
enwirtschaft“. Hier wird Professor
Clemens Fuest vom ifo Institut
einen Überblick über die aktuelle
Wirtschaftslage geben. Es geht um
die Frage, wie lange die EZB noch
ihre Niedrigzinspolitik verfolgen
wird und welche Auswirkungen zu
erwarten sind. Und es geht auch
um die Frage, wie lange sich die
hohen Preise und niedrigen Ren-
diten bei Immobilieninvestitionen
noch rechnen.
Inwieweit haben der Brexit und
ein zunehmend gespaltenes
Europa Einfluss auf die Investi-
tionsentscheidungen und die
Messebuchungen?
Im Moment
scheint – allen Unkenrufen zum
Trotz – das Investitionsinteresse
durch den Brexit nicht gedämpft
zu werden, weder in Großbritan-
nien noch auf dem Kontinent. Es
gibt zwar zahlreiche Planspiele,
welcher Finanzplatz vom Brexit
profitieren wird, aber bislang sind
es eben nur Planspiele. Und noch
ist keineswegs geklärt, wie der
Brexit genau aussehen wird. Viel
entscheidender als der Brexit ist
für Investitionsentscheidungen
in Europa das Potenzial, das die
jeweiligen Standorte mittel- und
langfristig bieten, wobei insbe-
sondere die wirtschaftliche und
demographische Entwicklung eine
große Rolle spielen. Daher richtet
sich der Blick nicht nur auf die
internationalen Metropolen, son-
dern häufig auch auf Städte und
Regionen aus der „zweiten Reihe“.
Bei den Messebuchungen konnten
wir bislang keinerlei Auswirkungen
des Brexits feststellen, im Gegen-
teil: Die Nachfrage ist noch größer
geworden, wir erwarten dieses
Jahr mehr als 1.850 Aussteller.
Mit neuen Formaten wie REIN
reagieren Sie auf den aktu-
ellen Wandel?
Grundsätzlich
wollen wir das Thema Innovation
stärker in den Fokus rücken. Und
Innovationen kommen derzeit vor
allem aus dem Bereich Digitali-
sierung. Hier wurden in jüngster
Zeit Entwicklungen angestoßen,
die auch die Immobilienwirtschaft
grundlegend verändern wer-
den. Deshalb haben wir uns mit
nationalen und internationalen
PropTech-Initiativen zu der Platt-
form REIN Real Estate Innovation
Network zusammengeschlossen:
aus Österreich mit Digital Building
Solutions – IG Lebenszyklus
Bau und der Austrian PropTech
Initiative, aus der Schweiz mit
SwissPropTech, aus den Nieder-
landen mit Holland PropTech, aus
UK mit FuturePropTech und aus
Deutschland mit ReTechDach e.V.
Ziel ist es, den Austausch zwischen
Start-ups im Bereich PropTech und
etablierten Immobilienunterneh-
men zu fördern.
Ist der Themenblock „Neue
Menschen in Deutschland:
Zuwanderung und Bauen“ noch
relevant?
Das Thema Wohnen
ist und bleibt eines der wichtigen
Themen unserer Fachmesse.
Zuwanderung bedeutet nicht nur
„Neue Menschen in Deutschland“,
sondern auch, dass es immer
mehr Menschen in die Städte zieht
und diese Menschen dort Wohn-
raum benötigen. Wir erleben im
Moment zwar einen Bauboom bei
Wohnungen. Dennoch ist in den
Städten der Bedarf an Wohnungen
unverändert hoch. Entsprechend
steigen die Preise und Mieten.
Auf manchen Märkten ist bereits
von einer Blase die Rede. Die
Mietpreisbremse, die regulierend
wirken sollte, ist umstritten. Und
wenn von „erschwinglichem
Wohnraum“ die Rede ist, führen
vor allem Wohnungsentwickler ins
Feld, dass besonders Grundstücks
preise und staatliche Bauvor-
schriften die Preise in die Höhe
treiben. Umso wichtiger ist es, alle
Beteiligten zusammenzubringen
und die drängenden Probleme
gemeinsam zu diskutieren.
„Die Nachfrage wird immer größer“
INTERVIEW
MIT KLAUS DITTRICH, MESSECHEF EXPO REAL
anhalten, heißt es unter den Immobilien­
experten. Messechef Dittrich reagiert ent­
sprechend: „Es hat sich generell als sehr
sinnvoll erwiesen, für bestimmte Asset­
klassen wie Logistik, aber auch Hotel und
Tourismus oder Handel und Handels
immobilien eigene Kristallisationspunkte
auf der Expo Real zu schaffen, an denen
alle, die mit dem jeweiligenThema befasst
sind, gezielt zusammentreffen können.“
Zum vorgezeichneten Erfolgskurs der
Logistikbranche wird laut Peter Kunz, bei
Colliers International der Chef für Indus­
trie und Logistik, insbesondere das Ver­
schmelzenmit Funktionen des Einzelhan­
dels beitragen.
EINZELHANDEL IN DER PROBIERPHASE
Besonders in Zeiten des aufstrebenden
Online-Handels befinde sich die Branche
in der „Probierphase“. Neue Immobilien­
typen, optimierte Logistikkonzepte und
die Digitalisierung der Handelslogistik
werden den Markt auch zukünftig voran­
treiben und die Bedeutung der Logistik in
Deutschland stärken, ist Kunz gewiss.
Ob Angermann, Garbe, Colliers oder
R.C. Spies und viele andere Immobilien
unternehmen, in diesen Tagen werden
Gespräche mit Bestandshaltern und
Entwicklern geführt, um neue Produkte
aus Handel und Logistik zum Verkauf
zu generieren. Hohe Nachfrage und im­
mer knapper werdende Angebote führen
jedoch auch in diesen Assetklassen zu
Umorientierungen und mehr Flexibilität
in der Standortsuche.
Es hat sich gezeigt, dass der Markt
nicht mehr bereit ist, jeden „x-beliebigen
Klaus Dittrich,
Vorsitzender der
Geschäftsführung
Messe München
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