2.2017
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mer angefochten. Die Unterbrechung der
Versammlung zwecks Ermöglichens des
„Mandantengesprächs“ unter Ausschluss
einiger Eigentümer stellt nach Auffas-
sung des BGH keinen Nichtigkeitsgrund
dar. Da die während der Unterbrechung
der Eigentümerversammlung geführte
Besprechung der Eigentümer mit ihrem
Rechtsanwalt kein Teil der Eigentümer-
versammlung war, waren die ausgeschlos-
senen Eigentümer nicht in ihrem Recht
auf Teilnahme an der Eigentümerver-
sammlung beschnitten worden. Die Un-
terbrechung der Versammlung erfolgte
jedoch ermessensfehlerhaft. Nur bei Vor-
liegen besonderer Umstände, etwa wenn
ein Beratungsbedarf erst aufgrund der in
der Eigentümerversammlung geführten
FAKTEN:
Im laufenden Verfahren über
die Wiederbestellung des Verwalters fand
eine weitere Eigentümerversammlung
statt. Nachdem der Verwalter über den
Stand des gerichtlichen Verfahrens be-
richtet hatte, rief er den Rechtsanwalt in
den Versammlungsraum, der einige Ei-
gentümer in dem Anfechtungsverfahren
vertreten hatte. Der Anwalt forderte die
übrigen Eigentümer zum Verlassen des
Versammlungsraumes auf. Daraufhin un-
terbrach der Verwalter die Versammlung
und verließ mit den ausgeschlossenen
Eigentümern den Saal. Später wurde die
Versammlung fortgeführt und nach er-
neuter Diskussion die Wiederbestellung
des Verwalters beschlossen. Diesen Be-
schluss hatte nun der klagende Eigentü-
Urteil des Monats:
Problematische Unterbrechung der Eigentümerversammlung für „Mandantengespräch“
Die Unterbrechung einer Eigentümerversammlung für ein Mandantengespräch zwischen den von einem Beschluss-
anfechtungsverfahren betroffenen Eigentümern und ihrem Prozessbevollmächtigten entspricht nur bei Vorliegen beson-
derer Umstände ordnungsmäßiger Durchführung der Versammlung.
BGH, Urteil v. 08.07.2016, V ZR 261/15
FAKTEN:
Im Laufe einer Eigentümerversammlung hatte ein Eigentümer diese verlassen,
woraufhin Beschlussunfähigkeit eingetreten war. Dennoch wurden weitere Beschlüsse
gefasst. Diese hatte nun der Eigentümer angefochten, der die Versammlung verlassen
hatte. Seine Klage war erfolgreich. Dem Eigentümer war nämlich – wie die mündliche
Verhandlung ergab – kein rechtsmissbräuchliches Verhalten anzulasten. Eine Mitwir-
kungspflicht der Eigentümer aufgrund der gegenseitigen Treuepflicht besteht nur imEin-
zelfall, der hier nicht vorlag. Der Eintritt der Beschlussunfähigkeit war zudemkeineswegs
bezweckt. Selbst der Verwalter als Versammlungsleiter ging ausweislich des Protokolls
der Eigentümerversammlung davon aus, dass diese weiterhin beschlussfähig war.
FAZIT:
Ein formeller Beschlussmangel führt zur Ungültigkeit des Beschlusses, wenn das
Beschlussergebnis auf dem formellen Fehler beruht. Die Kausalität zwischen dem for-
mellen Mangel und dem Beschlussergebnis wird widerlegbar vermutet. Die Vermutung
ist widerlegt, wenn feststeht, dass der angefochtene Beschluss auch bei Nichtvorliegen
des formellen Fehlers so gefasst worden wäre, was hier der Fall war.
EIGENTÜMERVERSAMMLUNG
Verlassen muss nicht
rechtsmissbräuchlich sein
Verlässt ein Eigentümer die Eigentü-
merversammlung und tritt daraufhin
Beschlussunfähigkeit ein, kann dies
nicht als rechtsmissbräuchlich ange-
sehen sein, wenn diese Folge nicht
bezweckt war.
LG Nürnberg-Fürth, Beschluss v. 05.07.2016,
14 S 6933/15 WEG
Diskussion zu einem bestimmten Tages-
ordnungspunkt entsteht, kann eine Unter-
brechung zumZweck einesMandantenge-
spräches in Betracht kommen. Das aber
war vorliegend nicht der Fall.
FAZIT:
Den ausgeschlossenen Eigentü-
mern ist imÜbrigennicht zumutbar, einen
unbegrenzten Zeitraum im Ungewissen
zu sein, ob und wann die Eigentümerver-
sammlung fortgesetzt wird. Verlassen sie
in einem derartigen Fall die Versamm-
lung, dürften die dann in ihrer Abwesen-
heit gefassten Beschlüsse anfechtbar sein.
Anders sicherlich dann, wenn sie nachfol-
gend – also nach Abschluss der Bespre-
chung – weiter an der Versammlung und
Beschlussfassung teilnehmen.
Präsentiert von:
Rechtsanwalt Alexander C. Blankenstein
Fachanwalt für Miet- und
Wohnungseigentumsrecht, Düsseldorf
Wohnungs-
eigentumsrecht
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