Immobilienwirtschaft 5/2016 - page 32

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VERMARKTUNG & MANAGEMENT
I
VERTRIEBSSTRATEGIEN
Spielen wir doch das Einwand-Antwort-
Spiel. Es startet mit dem großen E, dem
Einwand (siehe Grafik). Ein schönes Bei-
spiel ist der klassische aller Einwände: Zu
teuer! Entgegen allen Gepflogenheiten
wird dieser Ausspruch vom Verkäufer ge-
lobt. Aber nur ein ganz klein wenig. Etwa
so: Ganz klar! Kaufleute achten auch aufs
Geld. Damit fühlt sich der Kunde gut,
ernst genommen und verstanden.
Als nächster Punkt erfolgt die Analy-
se des Kontextes. Ein einfaches „Warum?“
genügt dazu häufig. Dies ist der zentrale
Punkt der Methode, denn mit der Ana-
lyse hat sich ein Großteil der Einwände
von selbst aus der Welt geschafft. Aller
Erfahrung nach sind an dieser Stelle 75
Prozent der Themen erledigt. Das Ge-
spräch könnte also weitergehen mit der
Frage: Zu teuer verglichen mit was? Was
meint der Interessent konkret in Bezug
auf die Immobilie: die Ausstattung, die
Lage, die Bauweise? Oder geht es um die
Überschreitung des Maximalbudgets?
Den absoluten Preis oder die Finanzie-
rungsmethode?
Wenn herauskommt, dass der Kunde
Angst um seine Finanzierung hat, dann
gibt es wiederum zwei Möglichkeiten:
1. Akzeptieren:
„Ja, Sie haben recht. Die
Immobilie ist zu teuer. Alles, was imLeben
Spaß macht, ist zu teuer. Autos, schöner
Schmuck, Klamotten, Schuhe etc.“
2. Ausräumen:
Finanzierungshilfe an-
bieten: „Wegen der 20.000 wollen Sie auf
das Gesamtpaket verzichten? Oder wollen
wir jemanden finden, der uns doch noch
0,2 Prozent in der Finanzierung nachgibt?
Dann haben wir das wieder drin.“
WENIG WERTSCHÄTZUNG, WENIG FREUDE
Das Ausräumen wird in 25 Prozent der
Fälle nötig sein, ist aber die Ultima Ratio.
Eben weil die Verkäufermechanik, immer
direkt vom Einwand zum Ausräumen zu
springen, wenig wertschätzend ist. Damit
fühlt sich der Kunde hinterher immer
I
n der alten Welt war der Kunde der
König. Ganz weit unten verharrte der
Verkäufer als sein Diener, einem Butler
gleich, mit einer weißen Serviette über
dem Arm und einer Hand hinter dem
Rücken. Einige Zeit später wandelte sich
das Bild radikal. Ganz oben befand sich
jetzt der Verkäufer, sehr weit unten der
Kunde. Im Immobilienkontext war das
die Zeit der Bauherrenmodelle, als unwis-
senden Zahnärzten zu teure Wohnungen
via Treuhandvertrag verkauft wurden.
MEHR NUTZEN ALS DAS INTERNET
Aber
auch diese Zeiten sind vorbei. Heute leben
wir in einer Welt, in der durch das Inter-
net jeder Zugriff auf alle Informationen
hat und der Verkäufer nur dann erfolg-
reich ist, wenn er als echter Experte eine
Wissensnische gefunden hat. Der Kunde
schätzt den Verkäufer, wenn dieser ihm
mehr nutzen kann als das Webportal.
„Augenhöhe“ ist das Wort der Stunde.
Es geht umWertschätzung in beide Rich-
tungen. Der Dreh- und Angelpunkt dabei
ist, zu ermöglichen, dass das Gegenüber
entscheidet. Das gilt gleichfalls für den
Verkäufer wie für den Interessenten.
Wie biete ich dem Eigentümer einer
Immobilie also die Möglichkeit, mich als
Makler zu beauftragen? Da gehört natür-
lich eine ganze Menge an Informationen
dazu. Eine Leistungsgarantie, die transpa-
rent und vernünftig kommuniziert wird.
Ein klarer Auftritt, eine feste Maklermar-
ke. Denn den Alleinauftrag bekomme ich
nicht mit rhetorischen Tricks.
Auch dempassenden Interessenten zu
ermöglichen, sich für die richtige Immo-
bilie zu entscheiden, hat nichts mehr mit
Verkaufen zu tun, sondern mit „Kaufen-
lassen“. Doch wie kann das gelingen? An-
gesichts der Tatsache, dass die über viele
Jahre gelernte Einwandbehandlung, die
zugegebenermaßen Spaß macht, Schlag-
fertigkeit trainiert und irgendwie auch
häufig zum Ziel geführt hat, passé ist?
„Kaufenlassen“ statt verkaufen
Die Welt des Verkaufens
hat sich in den letzten
Jahrzehnten gedreht. Die
Tendenz geht weg vom
gelernten Einwand und von
schlagkräftiger Verkäufer-
rhetorik. „Kaufenlassen“
heißt die neue Formel, dem-
entsprechend wird der Ver-
käufer zum „Kaufenlasser“.
Was heißt das für den Immo-
bilienmakler?
Lars Grosenick
ist einer von
drei Geschäfts-
führern der
Flowfact GmbH
in Köln.
AUTOR
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