Immobilienwirtschaft 5/2016 - page 29

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Kurzem„privatisiert“, also abgeschafftwerden sollten. Sie werden
jetzt beauftragt, Tausende von Wohnungen im Jahr zu errichten.
In dieser Situation fällt der Blick erneut auf die über Jahre im ten-
denziell denkfaulen und innovationsfeindlichen Wohnungsbau
vernachlässigte Modulbauweise.
Typisierte Bauten müssen nicht einzeln von der Verwaltung
genehmigt werden. Sie sind als Serienmodelle wie bei einemAu-
tohersteller mit Statik und Brandschutz ausgestattet und abge-
nommen. Das spart in der Regel ein ganzes Jahr Genehmigungs-
und Planungszeit. Bis zu sechs Geschosse hoch können diese Ty-
pengebäude werden. Dabei sollen sie, wie ganz konventionelle
Häuser, bis zu 90 Jahre lang halten. Dazu müssen sie der EnEV
entsprechen, besonders flexibel sein und später gegebenenfalls als
Hotels, Studentenwohnheime oder konventionelle Wohnungen
genutzt werden können, wie es in der Ausschreibung des Berliner
Senats heißt. Wer dabei an Plattenbau oder an die westdeutschen
Großwohnsiedlungen denkt, liegt nicht falsch. Auch heute geht es
um serielles Bauen. Das bedeutet mindestens Sandwichpaneele
für die Fassade und vorgefertigte Badzellen.
Mit der Entscheidung für die Modulbauweise beginnt ein
Wettlauf mit der Zeit. Die ambitionierten Terminpläne fordern
kurzfristige Entscheidungen. Die Fundamente und das Unterge-
schoss werden konventionell vor Ort erstellt, während gleichzeitig
dieModule inwitterungsgeschütztenWerkhallenwie in der Auto-
industrie produziert werden. Oberflächenbeläge, Sanitärobjekte,
Beleuchtungselemente, Medientrassen und andere Festeinbauten
werden bereits im Werk installiert und in wenigen Tagen vor
Ort aufgestellt. Die Endarbeiten an Außenwänden, Dächern und
inneren Verbindungen sind in der Regel in wenigen Wochen be-
endet. Die Serienproduktion ermöglicht eine hohe Detailqualität
und den damit verbundenen sparsamen Einsatz von Materialien
und Energie. Auch bei Rückbau, Erneuerung oder Recycling ist
die leichte Demontierbarkeit von Vorteil.
Nachteile sind der Transport der sperrigen Container, die
dadurch limitierten Gesamtabmessungen und der hohe kons-
truktive Aufwand durch die doppelten Innenwände und Decken.
DOCH DAS IST NICHT DAS HAUPTPROBLEM.
Ingenieurtechnisches
Effizienzdenken entscheidet sich allzu oft gegen eine architekto-
nische Individualisierung. Und dadurch geraten die Nutzerbe-
dürfnisse aus dem Blickfeld. Denn wer will schon als anonyme
Nummer in einemMeer von Gleichem wohnen? Angesichts der
schierenMassen geht es panisch einfach nur um ein kostengüns-
tiges Dach über dem Kopf für möglichst viele. Und die einseitige
Konzentration auf die Optimierung des Produktionsprozesses
führt allzu schnell zur Vernachlässigung desmenschlichenMaßes
und der vielfältigen sozialen Notwendigkeiten. Im Ergebnis
kommt es schnell zu Plattenbauhochregallagern in monotonen
Großsiedlungen ohne Nachbarn, Wüsten des Asozialen, Schnei-
sen der Einsamkeit, der Verrohung und Desintegration.
Das darf aber nicht so sein. Wir wissen heute so viel mehr
über sozial erfolgreiches und nachhaltiges Zusammenleben ganz
unterschiedlicher Personengruppen. Diese Erkenntnisse müssen
auch in diesen neuen Quartieren berücksichtigt werden. Und
wenn man das Gestaltungspotenzial der digital gesteuerten Vor-
fertigung zu nutzen vermag, müssen Standardisierungen heute
keineswegs mehr mit Kümmergrundrissen und Waschbeton-
Wüsten verbunden werden. Doch gute, innovative Lösungen
gelingen ausschließlich mit sorgfältiger, neugieriger und kluger
Planung.
Aber die bisher bekannten hektischen Ausschreibungen
erwarten bereits fertige Systeme und beziehen allzu häufig Ar-
chitekten nicht mit ein. So entstehen ganze Stadtquartiere ohne
städtebauliche Leitbilder, ohne entsprechende architektonische
Qualifizierung und ohne die sonst üblichen Abwägungen und
Meinungsbildungen. Bauen ist immer auch der Ausdruck eines
gesellschaftlichen Zustandes und geht alle an. Viele über Jahre
hart erkämpfte Standards, die gerade zu den verbesserten Le-
bensqualitäten in den Innenstädten geführt haben, drohenwieder
über Bord gekippt zu werden. Modulbau kann helfen, bessere
Wohnungen zu entwickeln. Das geht aber nur mit sorgfältiger,
ausgewogener Planung. Sonst entstehen heute die Gettos von
morgen.
Ingenieurtechnisches Effizienzdenken verliert oft Nutzerbedürfnisse
aus dem Blick. Stadtquartiere entstehen ohne städtebauliche Leitbilder,
architektonische Qualifizierung, Meinungsbildungen. Es drohen Gettos.
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ZUR PERSON
Eike Becker
leitet seit Dezember 1999 zusammen mit Helge Schmidt das Büro Eike Becker_Architekten in Berlin.
Internationale Projekte und Preise bestätigen seitdem den Rang unter den erfolgreichen Architekturbüros in Europa. Eike Becker_Architekten arbeiten
an den Schnittstellen von Architektur und Stadtplanung mit innovativen Materialien und sozialer Verantwortung.
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