Immobilienwirtschaft 5/2016 - page 20

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INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
BANKENENGAGEMENT
keit, Kreditlaufzeit, Tilgung und Belei-
hungswertauslauf den örtlichen Gege-
benheiten angepasst, das heißt strenger
ausgelegt werden.
Was hat das nun für Auswirkungen
auf die Wohnungsunternehmen, die in
diesen Regionen in wohnwirtschaftliche
Immobilien investieren wollen bzw. Be-
stände halten? Hier lohnt sich ein Blick in
den Osten Deutschlands. Dort lässt sich
einiges über denUmgangmit demWandel
lernen. Bevölkerungsrückgang und wirt-
schaftliche Umbrüche haben nach der
Wende 1989 im Zeitraffer vorweggenom-
men, worauf sich in naher Zukunft auch
viele Regionen im Westen Deutschlands
einstellen müssen.
OFT NUR MODERATE ENTSCHULDUNG
Die
DKB wertet bereits seit 1999 konstant alle
verfügbaren Daten von Wohnungsunter-
nehmen in einem eigenen Kennzahlen-
system insbesondere auch in den neuen
Bundesländern aus. Das grundsätzliche
Verhalten der Akteure im Markt ist dabei
ganz unterschiedlich. Kommunale Woh-
nungsunternehmen entschulden sich
derzeit eher moderat. Dies liegt vor allem
daran, dass die betroffenen Unternehmen
häufig kommunale Aufgaben überneh-
men müssen und gleichzeitig ein Beitrag
zur Haushaltskonsolidierung erwartet
wird. SozialerWohnungsbau und niedrige
Mieten sind für diese Unternehmen eine
großeHerausforderung. Trotz augenblick-
lich guter Leistungsfähigkeit sehen wir
hier die Gefahr, dass diese Unternehmen
wirtschaftlich überfordert werden.
Kirchliche und die großen privaten
Wohnungsunternehmen, Family Offices
und solche, die aus ehemals gemeinnüt-
zigen oder industriellen Wohnungsge-
sellschaften hervorgingen, zeichnen sich
häufig durch eine vorsichtige Bestands-
verjüngung (partieller Neubau) und eine
Optimierung des eigenen Portfolios aus.
Börsennotierte Wohnungsunterneh-
men sind dagegen vor allem an einer Er-
tragsoptimierung ihrer Bestände durch
Verjüngung interessiert. Marktopportu-
nitäten werden offensiv genutzt.
Mit Blick auf die Situation in den
schrumpfenden Regionen sieht die DKB
bei Wohnungsunternehmen folgenden
Handlungsbedarf:
1. Neue Wege beschreiten, die für Mie-
ter einen Mehrwert bedeuten.
Woh-
nungsunternehmen als Energieerzeuger
sind inzwischen öfter anzutreffen. Koo-
perationen mit Pflegeeinrichtungen sind
dagegen selten. Sie helfen, den Auszug
älterer Bewohner zu verhindern.
2. Sicherstellung von Mindestanforde-
rungen an die Infrastruktur.
Wohnungs-
unternehmen sind nicht nur Regulativ
am Immobilienmarkt, sondern entschei-
dender Akteur in der Gestaltung der At-
traktivität der Städte. Dies umfasst den
Bau von Kitas und Schulen, aber auch die
Schaffung von Einzelhandelsflächen und
Ähnlichem für ein lebenswertes Umfeld.
3. Fusionsstrategien entwickeln.
Woh-
nungsunternehmen müssen für sich indi-
viduell definieren, wie groß ihre kritische
Masse ist. Durch Fusionen können unter
Umständen Synergieeffekte erzeugt wer-
den. Alternativ stünde dem gegenüber
eine Schrumpfung, das heißt konsequente
Anpassung der Kostenstruktur (Verwal-
tungs-, Zinsaufwand, Dividendenpolitik).
4. Aktives Angehen des Abrisses von
strukturell leerstehenden Objekten.
Er-
tragsschonende Abrissstrategien aus eige-
ner Kraft sind zu forcieren. Die Hoffnung
auf neue Fördermittel dürfte enttäuscht
werden, weil die Situation der öffentlichen
Haushalte keine Spielräume dafür hat.
5. Richtige Nutzung des Cashflows.
Heu-
tige Überschüsse sollten, insbesondere
unter der Berücksichtigung des aktuell
niedrigen Zinsniveaus, für Investitionen
in die Zukunft genutzt werden und nicht
z.B. für die totale Entschuldung.
6. Abkehr von Portfolioverkäufen.
Hier
steht dem kurzfristigen Liquiditätseffekt
die Schaffung eines Mitbewerbers gegen-
über, dermit allenMitteln versuchenwird,
sein Investment mit einer ausreichenden
Rendite zu entwickeln. Davon unbenom-
men sind selbstverständlich Einzelver-
käufe an Privatpersonen resp. die Mieter.
7. Konsequente Nutzung von Ertrags-
spielräumen.
Sofern vorhanden, abhän-
gig selbstverständlich von der Qualität der
publizierten Mietspiegel, sind die Mieten
fortlaufend anzupassen. Empfohlen wird
ausdrücklich eine aktive Mitwirkung an
der Erstellung von Mietspiegeln.
8. Abkehr von der reinen Kennzahlen-
betrachtung.
Der ständige Blick auf die
Eigenkapitalquote u. Ä. ist nicht sachdien-
lich. Entscheidend ist der Blick auf eine
gesunde Bonität, d. h. dass einWohnungs-
unternehmen immer in der Lage ist, auf
die Herausforderungen zu reagieren.
Heute geht es vielen Wohnungsunter-
nehmen, gerade auch in strukturschwa-
chen Regionen, gut. Das ist eine gute
Voraussetzung, um sich den Herausfor-
derungen zu stellen, die die Zukunft an-
gesichts der demografischen Entwicklung
zweifelsohne halten wird. Allerdings ist
jetzt der richtige Zeitpunkt, das Thema
anzugehen, denn die Wohnungsunter-
nehmen, die dabei erfolgreich sind, wer-
den auch zukünftig in der Lage sein, in
schrumpfenden Regionen Chancen zu
erkennen und zu nutzen.
«
Thomas Jebsen ist Mitglied des Vorstands der
Deutschen Kreditbank AG
In schrumpfenden Regio-
nen werden Vorgaben
an Kapitaldienstfähigkeit,
Kreditlaufzeit, Tilgung
und Beleihungswertaus-
lauf strenger ausgelegt.
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