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5.2016
Ewald Nowotny hat bereits konkrete Zah-
len für den Strukturwandel: Rund 25.000
Stellen könnten in absehbarer Zeit von den
derzeit vorhandenen 74.000 wegfallen.
Gefragt wären hingegen Datenana-
lysten und Algorithmen-Experten, bei
denen mit einem Stellenzuwachs von
weltweit 4,5 Prozent zu rechnen wäre. Al-
lerdings benötigt diese Berufsgruppe nicht
zwingend ein Büro zur Ausübung ihrer
Tätigkeit, sondern kann überall arbeiten.
Die Einstellung von Personal führt
also nicht, wie zu analogen Zeiten, auto-
matisch zu einer größeren Flächennach-
frage. Im Gegenteil: Die Bürofläche, die
einUnternehmen imZuge seiner digitalen
Transformation abbaut, wird es – wenn
überhaupt – nicht wieder in der gleichen
Art und Weise anmieten, sondern statt-
dessen eine konnektive Formwählen. Mit
demFortschreiten der Digitalisierung lau-
fen Eigentümer von herkömmlichen Bü-
roimmobilien und traditionellen Flächen-
konzepten also Gefahr, dass ihre Objekte
unzeitgemäß und deshalb schwer vermiet-
bar werden. Zumindest wenn sie sie nicht
für das Internetzeitalter umrüsten.
FINTECHS WERDEN NACHFRAGELÜCKE
NICHT FÜLLEN
Die Situation ist ernst, denn
sollten Banken und Versicherungen ihre
Kapazitäten infolge des Umbruchs weiter
zurückfahren, wer nutzt dann die (über-
zähligen) Büroflächen? Immerhin macht
ihre Nachfrage jährlich etwa 25 Prozent
des europäischen Büroimmobilienmarkts
aus. Können die umschwärmten FinTechs,
die die Bankenmit ihren IT-gestützten Fi-
nanzdiensten vor sich hertreiben, eventu-
ell die Lücke füllen? Catella‘s Chef-Analyst
Dr. Thomas Beyerle ist in seinemMarket-
Tracker „FinTechs und andere Start-ups:
Bedeutung für gewerbliche Immobilien-
märkte“ skeptisch. Bis 2020 erwartet er
im klassischen Bankenbereich in Europa
einen Rückgang der Flächennachfrage um
etwa 30 Prozent, wovon voraussichtlich
nur die Hälfte durch FinTechs aufgefangen
werde. Es ist also höchste Zeit zu handeln.
DER NEUE ZIA-AUSSCHUSS „BÜRO“
Mit
dem Ende 2015 gegründeten ZIA-Aus-
schuss „Büro“ geht die Branche jetzt in
die Offensive. Er soll dem Immobilien-
segment die notwendige starke Stimme
in Politik und Öffentlichkeit verleihen
und sich außerdem mit den veränderten
Nutzeransprüchen beschäftigen. Zur ers-
ten Sitzung hatte der Ausschussvorsit-
zende Andreas Wende den Europa-Chef
des US-Co-Working-Anbieters WeWork,
Patrick Nelson, eingeladen, der Einblicke
in die Bedürfnisse seiner Mieterklientel
gab. Weltweit unterhält der mit rund 15
Milliarden Euro bewertete Senkrechtstar-
ter 77 Dependancen, davon allein 250.000
Quadratmeter Bürofläche in Manhattan.
Täglich wächst die 50.000 Mitglieder
zählende Mieter-Community. Bald auch
in Berlin, woWeWork in diesem Jahr drei
Standorte eröffnet. Büro kann also durch-
aus sexy sein.
„Wir müssen uns nun also auch in
Deutschland fragen, was wir unserenMie-
tern und Kunden in Zukunft bieten kön-
nen und müssen. Wie muss sich unsere
Branche anpassen? Welche Innovationen
werden unser Geschäft in welcher Form
verändern? Und wie können wir die Digi-
talisierung voranbringen?“, überlegt Vor-
denker Wende und will den Dialog auch
mit externen Experten intensivieren. Der
muss allerdings zügig zu pfiffigenKonzep-
ten führen, denn die Konkurrenz schläft
nicht, wie man sieht.
Vielleicht kommt es aber auch ganz
anders, wenn auf der CeBIT 2017 eine
Technologie präsentiert wird, die kom-
plette Büroimmobilien virtualisiert. Dann
ist die Raumkrise überwunden und alle
schweben auf Datenwolke sieben.
SUMMARY
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Es gibt erste Anzeichen dafür, dass sich das Büro als einziger und
fester Arbeitsort in der Neudefinition
befindet.
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Ein Smartphone, aus dem ein blau schimmerndes Hologramm aufsteigt, das eine Benutzeroberfläche simuliert, das könnte
das Büro
des 21. Jahrhunderts
sein.
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Für die Bürofläche, die ein Unternehmen im Zuge seiner
digitalen Transformation
abbaut, wird es eine
konnektive Form wählen.
»
Mit dem Ende 2015 gegründeten
ZIA-Ausschuss „Büro“
geht die Branche jetzt in die Offensive.
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Dagmar Hotze, Hamburg
Wenn sich Arbeit und Büro entkoppeln,
was wird dann aus der renditestärksten Anlageklasse?