Immobilienwirtschaft 5/2016 - page 13

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5.2016
Foto: Deutscher Verband
Mietspiegel zu einem anerkannten
Konsensinstrument weiterentwickeln
D
ie ortsübliche Vergleichsmiete hat imMietrecht eine zentrale Stellung: An ihr orien-
tiert sich die zwischenMieter und Vermieter vereinbarte Miete. Mit der Mietpreis-
bremse muss sich in angespannten Wohnungsmarktregionen auch die bislang frei
verhandelbare Neuvertragsmiete daran ausrichten. Die zweite Stufe der Mietrechtsre-
form sieht nun vor, dass der Betrachtungszeitraum für die Berechnung der ortsüblichen
Vergleichsmiete von vier auf acht Jahre verdoppelt wird. In Städten mit dynamischen
Märkten wie Berlin oder Frankfurt würde dieMietspiegelmiete um fünf bis acht Prozent
sinken, die künftig zu erzielendenWiedervermietungsmieten sogar umbis zu 40 Prozent.
Nach der Mietpreisbremse dürfen dieWiedervermietungsmieten für Bestandswoh-
nungen zwar auf dem bisherigen Niveau bleiben oder auf bis zu zehn Prozent über der
ortsüblichen Vergleichsmiete erhöht werden. Erstmietverträge von Neubauten können
weiterhin frei verhandelt werden. Durch die sinkende Vergleichsmiete sind aber weitere
Erhöhungen erst in einigen Jahren möglich, was die Immobilienwirtschaft als Mieten-
stopp ohne Inflationsausgleich wertet. Die Wohnungsunternehmen fürchten dadurch
negative Folgen für die Immobilienwerte, da diese durch die Höhe und Entwicklungs-
möglichkeiten der Miete bestimmt sind. Damit würde das Eigenkapital der Wohnungs-
unternehmen sinken und der Verschuldungsgrad steigen. Beleihungswerte würden sich
verringern, was auch die Immobilienfinanzierung privater Vermieter negativ beeinflusst.
Die Immobilienbranche sieht damit die Finanzierungspotenziale für Neubau, aber auch
für energetische oder altersgerechte Modernisierung der Bestände eingeschränkt.
Ökonomen befürchten durch die realitätsferne Abbildung der Marktmiete zudem
falsche Marktsignale: Investoren würden aufgrund sinkender Renditeaussichten weni-
ger neue Wohnungen bauen. Auf der anderen Seite konkurrieren mehr Mieter um den
weiterhin knappen Wohnraum, der aber vor allem nach sozioökonomischen Kriterien
vergeben wird. Davon profitieren einkommensstärkere Mieter, die sich aufgrund der
falschen Preissignale mehr Wohnraum leisten können. Insgesamt würden sich damit
die Anspannungen auf den städtischen Wohnungsmärkten eher verschärfen.
Die bislang betriebenen weichen Mietpreisregelungen für laufende Mietverträge
entwickeln sich damit in Richtung einer harten Mietendeckelung für Neuverträge. Die
Zielsetzung, Neuvertragsmieten bewusst zu steuern, würde zulasten einer realitätsnahen,
empirischen Abbildung derMarktmiete überbetont. AusMietersicht erscheint eine nor-
mative Mietensteuerung angesichts der vielerorts stark gestiegenen Mieten allerdings
auch geboten, um bezahlbares Wohnen und soziale Durchmischung in den Städten
zu gewährleisten. Allerdings könnte gerade diese unterschiedliche Einschätzung der
zweiten Stufe der Mietrechtsreform eine der wichtigsten Funktionen des Mietspiegels
gefährden: die Konsens- oder Befriedungsfunktion zwischen Mietern und Vermietern.
Denn die Akzeptanz auf Vermieterseite sinkt. Dadurch erhöhen sich Rechtsstrei-
tigkeiten und Verunsicherung, wie die voneinander abweichenden Urteile zum Berli-
ner Mietspiegel zeigen. Um den Mietspiegel als ein von beiden Parteien anerkanntes,
rechtssicheres Instrument zu stärken und auch eine größere Verbreitung vor allem des
qualifizierten Mietspiegels zu erreichen, sollte deshalb das Hauptaugenmerk der Re-
form auf der Verbesserung der Methodik und der wissenschaftlichen Grundsätze und
Kriterien für die Erstellung der Mietspiegel sowie der Rechtssicherheit liegen. Darin
sind sich Mieter- und Vermieterseite auch einig und der Referentenentwurf beinhaltet
Ansatzpunkte, die in die richtige Richtung gehen.
Lutz Basse, Leiter der Arbeitsgruppe
Wohnungswesen des Deutschen Verbandes
Deutscher Verband
Die
Immobilienwirtschaft be-
fürchtet mit der Ausweitung
des Betrachtungszeitraums
für die ortsübliche Vergleichs-
miete erhebliche negative
Folgen auf die Wohnungs-
märkte. Damit hat sich die
AG Wohnungswesen des
Deutschen Verbandes inten-
siv auseinandergesetzt.
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Lutz Basse
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