Immobilienwirtschaft 5/2016 - page 19

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5.2016
SUMMARY
»
Für Wohnungsunternehmen gibt es
auch in Regionen mit schrumpfender Bevölkerung Chancen
, wenn sie die richtigen
Schritte einleiten.
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Die Aussicht einer Region auch hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung fließt in die
Finanzierungsentscheidung
ein.
»
Als
verlässliche Datengrundlage
nutzt die DKB die Analyse „Wachsende und schrumpfende Städte und Gemeinden in Deutschland“ des Bundes-
instituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR).
»
Mit Blick auf die Situation in den schrumpfenden Regionen hat die DKB
bei Wohnungs-
unternehmen Handlungsbedarf
formuliert.
»
Wichtig ist
das Engagement im Bestand und die Kreativität der Wohnungsunternehmen.
Über Immobilienfinanzierung
in strukturschwachen Gebieten
ein Interview mit Thomas Jeb-
sen, Mitglied des Vorstands der
Deutschen Kreditbank AG.
Herr Jebsen, wie sind Ihre
Erfahrungen bei Immobilien-
finanzierungen in struktur-
schwachen Gebieten? Hat die
DKB überproportional häufig
Abschreibungen vornehmen
müssen?
Einige Regionen ent-
wickeln sich ausgesprochen gut,
andere etwas schwächer. Insge-
samt fühlen wir uns sehr wohl mit
unserem Kreditportfolio und haben
auch keine überproportional häu-
figen Abschreibungen. Wir schauen
aber genau hin und erfassen die
relevanten Daten der Bilanzen
der Wohnungsunternehmen und
spielen sie in eine besondere
Datenbank ein. Die ist
für uns ein Instrument, mit dem
wir sehr schnell sehen können,
wie sich ein Unternehmen verän-
dert gegenüber seinen Mitbewer-
bern.
Was ist für Sie dabei beson-
ders wichtig?
Wird zum Beispiel
weniger in den Bestand investiert,
springt sofort eine Warnlampe
an und wir suchen das Gespräch.
Uns gelingt in der Regel ein sehr
schneller Dialog mit dem Kunden.
Inwieweit sind Sie über die
kommunalen Entwicklungen
informiert, die für ein dortiges
Wohnungsunternehmen rele-
vant sind?
Wir haben ein dichtes
Netzwerk und bekommen so Pro-
bleme in den einzelnen Regionen,
etwa die Überalterung der Bevöl-
kerungsstruktur, sofort mit. Es gibt
dann immer wieder Beispiele, wie
Wohnungsbaugesellschaften damit
umgehen. Ich denke an Neubran-
denburg, wo eine Genossenschaft
ihre älteren Mieter mit barriere-
freiem Wohnraum versorgt. Es gibt
dort auch einen Pflege-Service und
einiges mehr.
Gibt es weitere Beispiele?
Nehmen Sie den Fall, dass eine
Wohnungsgesellschaft einen
neuen Spielplatz finanziert, und
die Kommune finanziert die dazu
gehörende Beleuchtung. Oder es
werden Wohnungen vergrößert,
um sie für Familien interessanter
zu machen. Das geht besonders in
Plattenbauten sehr gut. Die Frage
muss immer sein, wie ich das
Wohnen für diejenigen, die eigent-
lich bleiben wollen, so attraktiv
mache wie möglich.
Wonach gehen Sie, wenn
Sie die Zukunft einer Region
bewerten?
Es gibt viele Studien,
etwa Bertelsmann versus BBSR.
Wir vergleichen hier immer wieder
und schauen uns die Prognosen
an. Oft genug mussten wir dabei
im Nachhinein aber auch feststel-
len, dass die Wirklichkeit gar nicht
so negativ war, wie es die Trends
zuvor hatten glauben machen wol-
len. Wer vor Herausforderungen
gestellt ist, muss Kreativität entwi-
ckeln. Und der begegnen wir von
Seiten der Wohnungsunternehmen
immer öfter.
Kann es auch kreativ sein,
einen partiellen Rückbau zu
betreiben?
Durchaus. Auch damit
lässt sich zur Gesundung eines
Quartiers beitragen.
Und wird von Ihnen nicht
negativ bewertet?
Nein. Wir
kennen es, dass etwa Blöcke aus
einem Plattenbaugebiet heraus-
geschnitten werden. So etwas
ist erfolgreich praktiziert worden
in Frankfurt/Oder. Frankfurt
war extrem betroffen von dem
demografischen Wandel. So gab es
Wohnumfeldmaßnahmen. Es ent-
stand ein großes Parkgebiet. Be-
sonders schlau finde ich jetzt, dass
man sich dort überlegt, an Polen
zu vermieten, denn in Slubice auf
der anderen Stadtseite herrscht ein
großer Wohnungsdruck.
Gibt es doch Regionen, wo Sie
sich zurückhalten? Etwa länd-
liche Gebiete, kleinere Städte?
Wir schließen keine Regionen aus.
Es gibt ja viele Möglichkeiten der
Finanzierung. Manchmal gehen
wir einfach kürzer herein und
valutieren auch nicht so hoch.
Wichtig ist immer für uns zu
erkennen, ob, wenn es Probleme
gibt, eine Gesellschaft sie auch
erkennt. Eine Gesellschaft hat viele
Möglichkeiten, zusammen mit der
Kommune tätig zu werden. Das
passiert auch oft und zeigt uns
immer wieder, welches Leben
es an einem Ort gibt, der schon
totgesagt wurde.
Was machen Ihre Mitbewerber?
Wir sehen bei ihnen interessante
Phänomene. Sparkassen oder
Volksbanken haben sich zusam-
mengeschlossen zu größeren
Konsortien. Sie, die einzeln nur
kleinere Losgrößen bedienen, sind
plötzlich gemeinsam unterwegs. Es
gab bis vor Kurzem den partiellen
Rückzug der großen Finanzierer.
Nun tauchen Großbanken wieder
auf. Und das ist gut so. Denn
wären wir alleine auf dem Markt,
würde das doch zeigen, dass
wir eine ganz andere Risikobrille
aufhätten als die Konkurrenz.
Inwieweit können kommunale
Wohnungsunternehmen von
börsennotierten Wohnungsun-
ternehmen lernen?
Die gesamte
Wohnungswirtschaft hat in den
letzten 20 Jahren eine Professiona-
lisierung erfahren. Die Stimulanz,
die ausging von manch börsenno-
tierten Unternehmen – ich nenne
hier etwa die Deutsche Wohnen
–, hat viel bewirkt. Man darf aber
nicht vergessen, dass die kommu-
nalen Wohnungsgesellschaften
einen politischen Auftrag haben.
Es geht darum zu bauen, zu bauen
und zu bauen. Alles in allem sehen
unsere Kunden glasklar, wohin die
Reise geht. Und auf dieser Reise
haben sie unsere Unterstützung.
Keine Region wird ausgeschlossen
INTERVIEW
MIT THOMAS JEBSEN
Thomas Jebsen ist seit 01.04.2013
Vorstand der DKB AG. Seit 2010
ist er Mitglied der Bereichsleitung
– Geschäftsbereich Immobilien –
der BayernLB
Interview: Dirk Labusch
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