Immobilienwirtschaft 10/2016 - page 84

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VERMARKTUNG & MANAGEMENT
I
RECHT
Wohnungseigentumsrecht
– Aktuelle Urteile
FAKTEN:
Der Verwalter hatte zur Versammlung geladen. In der Einladung ist dasThema
genannt. Auf der Versammlung wurde der Beschluss gefasst, die Veränderungen amGe-
bäude sollten zurückgebaut werden. Diesen Beschluss fochten die betreffenden Eigentü-
mer an. Diese kamen nicht zur Versammlung. Vorher hatte der Verwalter ihnen nämlich
mitgeteilt, es sei eine Besichtigung geplant. Ihre Klage war erfolgreich. Der Gegenstand
des Beschlusses muss bei der Einberufung bezeichnet sein. Dies war nicht ausreichend
der Fall. Bei anderen TOPs ging die Tatsache, dass ein Beschluss gefasst werden sollte,
aus der Einladung hervor. ImUmkehrschluss durften die klagenden Eigentümer davon
ausgehen, dass zu dem hier verhandelten keine Beschlussfassung erfolgen sollte.
FAZIT:
Grundsätzlich ist es zur Bezeichnung eines Tagesordnungspunkts ausreichend,
wenn die Ankündigung fehlt, es werde insoweit ein Beschluss gefasst. Diese Entschei-
dung verdeutlicht, dass anderes aber dann gilt, wenn zu einigen Tagesordnungspunkten
ausdrücklich eine Beschlussfassung angekündigt wird und zu anderen nicht.
VERFAHRENSKOSTENBELASTUNG
Unzureichende Bezeichnung
eines TOPs
Es ist Aufgabe des Verwalters, Be-
schlussanträge hinreichend bestimmt
zu fassen und diese den Eigentü-
mern mit der Einladung mitzuteilen.
Verstößt der Verwalter gegen diese
Pflichten, rechtfertigt dies die Verfah-
renskostenbelastung des Verwalters
nach § 49 Abs. 2 WEG.
AG Germersheim, Urteil v. 4.5.2016, 4 C 13/15 WEG
FAKTEN:
Die Eheleute sind Eigentümer einer Wohnung auf Sylt, die sie vermietet zur
Kapitalanlage nutzen. Sie selbst wohnen ca. 500 Kilometer entfernt. Der Ehemann ist
zu 80 Prozent schwerbehindert. ImVorfeld der Beschlussfassung über die Jahresabrech-
nung hatte das Ehepaar vom Verwalter die Übersendung von Belegkopien verlangt. Zu
Unrecht. Dem Ehepaar sei es zuzumuten, einmal im Jahr zu den Eigentümerversamm-
lungen nach Sylt anzureisen. Zumindest die Ehefrau wäre hierzu ohne Weiteres in der
Lage. Hinsichtlich des Ehemanns: Eine Schwerbehinderung von 80 Prozent stellt allein
keinen hinreichenden Grund dar. Mangelnde Reisefähigkeit wurde nicht vorgetragen.
FAZIT:
Grundsätzlich besteht für den Verwalter keine Verpflichtung zur Übersendung
von Kopien aus denVerwaltungsunterlagen. Hat der Verwalter allerdings demLadungs-
schreiben nicht den Entwurf des Einzelwirtschaftsplans bzw. der Jahreseinzelabrechnung
beigefügt, oder hat er ggf. keine Vergleichsangebote beigefügt, liegt eine Übersendung in
seinem ureigensten Interesse, da die entsprechenden Beschlüsse wegen eines Ladungs-
mangels erfolgreich anfechtbar wären.
KOPIE-ÜBERSENDUNG
Anspruch hängt ab von
Zumutbarkeitskriterien
Eine Versendungspflicht des Verwal-
ters besteht, wenn anderenfalls der
einzelne Eigentümer die ihm zuste-
henden Informationen nicht rechtzei-
tig, etwa vor einer Eigentümerver-
sammlung, erlangen kann. Auch die
räumliche Entfernung des Eigentümers
vom Ort der möglichen Einsichtnahme
ist zu berücksichtigen.
LG Itzehoe, Beschluss v. 09.03.2016, 11 S 79/15
FAKTEN:
In der Eigentümergemeinschaft wurde ein neuer Verwalter bestellt. Der Be-
stellungsbeschluss wurde angefochten. Die Klage war erfolgreich. Zwei Wochen nach
dem Urteil ließ sich der Verwalter erneut bestellen. Ein Eigentümer hatte den Bestel-
lungsbeschluss angefochten und hiermit Erfolg. Das Gericht erklärte ihn deshalb für
ungültig, weil keine Vergleichsangebote bei der Beschlussfassung vorgelegen hatten. Für
die Vergabe vonAufträgen größerer Art müssenmindestens drei Vergleichsangebote ein-
geholt werden. Selbst wenn hier von einer Wiederbestellung auszugehen gewesen wäre,
hätte es des Einholens von Vergleichsangeboten bedurft. Die Leistungen des bestellten
Verwalters werden von anderenVerwaltern nämlich zur Hälfte des Honorars angeboten.
FAZIT:
Bei der Bestellung eines neuen Verwalters sind mindestens drei Vergleichsange-
bote einzuholen. ImRegelfall gilt dies nicht imFall derWiederbestellung des Verwalters.
Eine Ausnahme gilt, wenn zumindest eine erhebliche Anzahl Eigentümer mit der Arbeit
des bisherigen Verwalters nicht mehr zufrieden sind oder Anlass besteht, die Angemes-
senheit von dessen Honorierung zu überprüfen.
VERWALTERWAHL
Vergleichsangebote
auch bei Wiederbestellung
Werden die Leistungen des bestellten
Verwalters von anderen Verwaltern
spürbar günstiger angeboten, bedarf
es auch bei der Wiederbestellung des
Einholens von Vergleichsangeboten.
LG Dortmund, Urteil v. 14.06.2016, 1 S 455/15
1...,74,75,76,77,78,79,80,81,82,83 85,86,87,88,89,90,91,92,93,94,...116
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