Immobilienwirtschaft 10/2016 - page 77

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des europäischen Rechts“, sagt Ulrich
Glauche, Leiter FM-Beratung bei der Rödl
IT-Consulting. Diese hat das Regelwerke-
Informationssystem REG-IS entwickelt,
das rund 1.200 Gesetze und Regelwerke
umfasst und bei der Wahrnehmung der
Betreiberverantwortung unterstützen
kann.
Im folgenden Schritt ist zu klären,
welche Gesetze im Einzelfall anzuwenden
sind. „Ein weites Feld“, würde Fontane sa-
gen. Es geht aber auch konkreter:
TRANSPARENZ SCHAFFEN
Der verlässlichste
Weg zur gewünschten Transparenz hört
auf das Kürzel GBU, die Gefährdungs-
beurteilung. Diese lässt sich für einzelne
technische Einrichtungen wie Aufzüge,
für Objekte und das gesamte Konvolut
von Verantwortungsbereichen erstellen.
Da Letzteres sehr aufwändig ist, wird in
den meisten Fällen objektweise vorgegan-
gen. Das kann mit Dienstleistern erfolgen
oder inhouse. „Es gibt Tools für Gefähr-
dungsbeurteilung, die Unternehmen ein-
setzen können. Allerdings hängt die Sinn-
fälligkeit immer vom Einzelfall ab“, sagt
ChristianHarting. Der Aachener ist seit 16
Jahren im Feld der Immobilienberatung
tätig, seit 2004 ist auch das Thema Betrei-
berverantwortung Teil seiner Projekte.
Ist die GBU erstellt, gilt es im nächs­
ten Schritt die Abfolge der notwendigen
Arbeiten festzulegen: Was ist dringend,
was nachrangig? Wie sollen die Arbeiten
terminiert werden? All das gehört auf eine
To-do-Liste, die bereits ein erster Nach-
weis für dieWahrnehmung der Betreiber-
verantwortung ist.
GERICHTSFEST DELEGIEREN
Ist bekannt,
was zu tun ist, muss geklärt werden, wer
es zu tun hat. Und vor allem: wer es über-
haupt tun darf. „Grundsätzlich gilt, dass
Aufgaben im Rahmen der Betreiberver-
antwortung nur an solche Personen de-
legiert werden dürfen, die fachlich zur
Wahrnehmung aller zugrunde liegenden
Pflichten in der Lage sind, also eine ent-
sprechende fachliche Ausbildung haben“,
erläutert Harting. Diese Personenmüssen
zudem weisungsbefugt sein und über ein
Budget verfügen, das es ihnen erlaubt, ei-
genständig relevante Investitionen zu täti-
gen, beispielsweise um Missstände durch
Fachbetriebe zeitnah abstellen zu lassen.
Dannmuss die jeweils übertragene Aufga-
be vertraglich festgelegt und vom aktuell
Verantwortlichen und dem zukünftigen
Verantwortlichen unterzeichnet werden.
Dies kann bereits imRahmen des Arbeits-
vertrags geschehen.
GESETZESTEXTE FINDEN
Als Lieferanten von
Gesetzestexten und Rechtsdatenbanken
mit Schwerpunkt Betreiberverantwor-
tung stehen einige Unternehmen in den
Startlöchern. Neben REG-IS gibt es auch
Lösungen beispielsweise von Rack und
Thürmer. Rack ist wie REG-IS von einer
Rechtsanwaltskanzlei entwickelt worden
und hat einen juristischen Schwerpunkt.
BeiThürmer ist der Vater ein Ingenieurbü-
ro, das seit 13 Jahren imThema Betreiber-
verantwortung aktiv ist und einen praxis­
orientierten Ansatz fährt: Arbeitskarten.
„Die Arbeitskarten zeigen alle wichtigen
Informationen im Bereich von Lüftung
und technischer Gebäudeausstattung“, er-
läutertWolfgangThürmer, der das System
mit einem Partner entwickelt hat.
Um es für den Anwender einfach zu
halten, ist jede Arbeitskarte anlagenindi-
viduell aufbereitet und entspricht dank
kontinuierlicher Pflege immer der aktu-
ellen Rechtslage.
HILFSMITTEL IMPLEMENTIEREN
Wer die
Sicherheit weiter erhöhen möchte, kann
zusätzlich auf Software zurückgreifen. Das
kann ganz simpel mit Einträgen in einem
Kalender-Tool erfolgen, die mit Excel-
Listen kombiniert werden. Bei der Kom-
plexität von Immobilien-Portfolios auf
der einen und der sich ständig ändernden
Rechtslage auf der anderen Seite ist eine
professionelle CAFM-Software aber die
bessere Wahl.
„CAFM-Systeme helfen bei derWahr-
nehmung der Betreiberverantwortung
sehr gut, wenn entsprechende Funkti-
onalitäten eingebaut sind“, sagt Berater
Christian Harting. Entsprechende Funk-
tionalität wären zumeinenWartungs- und
Instandhaltungs-Tools, die Arbeiten do-
kumentieren, an kommende Aufgaben au-
tomatisiert erinnern, dazu Historien und
Statistiken führen und auf Knopfdruck
alle relevanten Angaben auswerfen.
Richtig interessant wird ein CAFM-
System aber, wenn es auch Regelwerks-
Datenbanken einbinden kann. „Wir kön-
nenEinträge aus unserer Rechtsdatenbank
direkt per Drag & Drop mit Objekten in
unserer CAFM-Lösung von IMSWARE
verknüpfen und haben somit immer den
aktuellen Rechtsbezug“, berichtet Georg
Daher, Leiter Facility Management der
Baunataler Diakonie, aus der Praxis. Eine
derart tiefe Integration ist allerdings im
Markt nicht oft anzutreffen. Die meisten
Systeme öffnen aus ihrer Oberfläche he-
raus lediglich die Konten ihrer Anwen-
der bei den Regelwerks-Datenbanken,
in denen diese dann auf die Pirsch gehen
können.
MIT SYSTEM
Betreiberverantwortung
wahrzunehmen ist wesentlich, sie syste-
matisch anzugehen ebenso. Dabei helfen
qualifizierte Berater und leistungsfähige
Software. Und auchwenn das Feldweit ge-
steckt ist, sollte niemand verschreckt sein:
Jeder Schritt hin zu einer verbesserten
Wahrnehmung der Betreiberverantwor-
tung gilt juristisch bereits als mildernder
Umstand – selbst eine GBU mit To-do-
Liste. Sich seiner Betreiberverantwortung
anzunehmen, lohnt sich folglich.
SUMMARY
»
In fünf Schritten zur Betreiberverantwortung
»
1. Verantwortung rechtssicher delegieren
»
2. Gefährdungsbeurteilung(en)
erstellen
»
3. Notwendige Arbeiten priorisieren
»
4. Arbeiten planen, ausführen und dokumentieren
»
5. IT-gestützte Automatismen für Erinnerungen,
Kontrollen, Dokumentation und Rechtsauskünfte nutzen
«
Thomas Semmler, Hannover
1...,67,68,69,70,71,72,73,74,75,76 78,79,80,81,82,83,84,85,86,87,...116
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