IMMOBILIENWIRTSCHAFT 11/2016 - page 46

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VERMARKTUNG & MANAGEMENT
I
TITELTHEMA
Rahmenbedingungen haben sich
für den Makler schon oft geändert:
Ich erinnere mich noch an Zeiten,
in denen die Nachfrage sehr
schwach war und viele Makler in
Depressionen verfielen. Markt-
schwankungen wirbelten den
Markt durcheinander, genauso
wie „Big-Time-Operater“ – auch
Glücksritter genannt –, die in den
so genannten guten Zeiten den
seriösen Maklern die Geschäfte
wegschnappten. Mir kommt der
SPD-Beschluss Anfang der 70er
Jahre in den Sinn mit dem Inhalt,
die Immobilienmakler grund-
sätzlich zu verbieten. Ich denke
an die Einführung des §34c der
Gewerbeordnung und an die erste
Version des Wohnraumvermitt-
lungsgesetzes von 1971.
Auch die technischen Mittel
und Vertriebskanäle haben sich
geändert. Die Einführung des BTX
1984 mit ersten Möglichkeiten,
in Immobilienbeständen online
zu suchen oder Videokonferenzen
abzuhalten. Die Anzeigenpreise
der Tageszeitungen, die Ende
der 90er Jahre extreme Höhen
erreichten und die Makler scha-
renweise ins Internet bzw. zu den
Portalen trieben und die heute
noch über den Onlinepreisen
liegen. Die Schreibautomaten in
den 70ern, die bezahlbare mobile
Telefonie Anfang der 90er und die
Einführung der digitalen Fotogra-
fie scheinen dabei aus heutiger
Sicht nicht besonders revolutionär
gewesen zu sein, waren es aber
zu den jeweiligen Zeiten sehr
wohl. Sie haben die Arbeit der
Immobilienmakler im Grunde nach
vorne gebracht.
Auch jetzt gibt es Veränderungen.
Nur könnten diese tatsächlich eine
Gefahr für die Immobilienmakler
darstellen. Makler lassen sich
verstärkt auf einen Wettbewerb
mit den PropTech-Firmen ein. Den
können sie höchstwahrscheinlich
nicht gewinnen.
PropTech-Firmen revolutionieren
den Markt. Sie bieten ein breit
gefächertes Dienstleistungspro-
gramm an, das auch vermeint-
liche Maklerleistungen ersetzen
kann. Dabei gibt es etwa reine
Serviceanbieter, Verkaufsberater/-
manager und Immobilienportale.
Hierbei sind im Servicebereich Be-
wertungsportale, Videoerstellung,
Fotobearbeitung, Grundrissopti-
mierung, virtuelle Besichtigungen,
Homestaging, Onlinefinanzierer
und viele weitere zu nennen.
Einige dieser Anbieter werben mit
einer professionellen Bewertung
und der anschließenden Suche
nach dem geeigneten Makler.
Dass dabei nicht der beste gesucht
wird, sondern ausschließlich der
Makler, der bereit ist, eine hohe
Summe für den Kontakt zu zahlen,
ist leider Teil der Wahrheit.
Immobilienportale sind Marktplät-
ze, die allen Marktteilnehmern
die Gelegenheit bieten, sich zu
präsentieren. Dort werden Pro-
dukte wie Bewertung, Finanzie-
rungen usw. oft über Drittanbieter
angeboten. Darüber hinaus besteht
bei den Immobilienportalen jedoch
das unterschwellige Bestreben,
auch an den Transaktionsprovi-
sionen beteiligt zu werden oder
gar die Maklertätigkeit online zu
übernehmen. Aus diesen Entwick-
lungen ergeben sich Verände-
rungen und Herausforderungen,
denen sich der Immobilienmakler
stellen muss.
Getrieben durch einen vermeint-
lichen Verkäufer- bzw. Vermie-
termarkt konzentrieren sich viele
Makler in ihrer Aufgabenstellung
auf den Verkäufer und präsentie-
ren sich als die besten Immo-
bilienbewerter, Videoersteller,
Fotokünstler, Texter und Besichti-
gungsbegleiter. Ein regelrechter
Wettbewerb unter den Maklern
ist in dieser Beziehung bereits
entbrannt. Die Aufgaben können
aber früher oder später die Prop-
Tech-Firmen besser und billiger.
Verkäufer, die davon überzeugt
sind, dass sich die Maklertätig-
keit hierauf beschränkt, werden
diese Maklerleistung nicht mehr in
Anspruch nehmen wollen.
Wie sieht die Lösung aus?
Immobilienmakler müssen sich auf
ihre eigentliche Kernaufgabe kon-
zentrieren. Sie sind der Einigung
zwischen Verkäufer/Vermieter und
Käufer/Mieter verpflichtet, ob, wie
in vielen Ländern üblich, durch
einen Anbietermakler und einen
Suchmakler, die miteinander das
Ziel verfolgen, gemeinsam einen
Weg zur Einigung zu finden, oder,
wie in Deutschland üblich, durch
einen so genannten Doppelmakler,
der neutral und professionell die
Interessen von beiden Parteien
versucht unter einen Hut zu
bringen.
Meist liegen die Interessen der
Parteien diametral auseinander,
und diese Hürde zu überwinden,
die unterschiedlichen Auffas-
sungen zueinander zu führen
und Probleme durch kreative
Lösungsansätze zu überwinden,
ist eine Aufgabe, die kein Internet
und keine PropTech-Firma je be-
werkstelligen können wird. Denn
hierbei ist eine gute fachliche Aus-
bildung, viel Erfahrung, spontane
Kreativität, Orts- und Objektkennt-
nis und nicht zuletzt die Fähigkeit,
die Menschen in ihren Eigenheiten
und Unterschiedlichkeiten zu
verstehen, notwendig.
Dabei brauchen die neuen
Möglichkeiten der Bewertung,
Präsentation und Kommunikation
nicht außer Acht gelassen zu wer-
den, ganz im Gegenteil: Sie nicht
einzusetzen wäre ein Fehler. Sie
unterstützen die Maklertätigkeit in
einer nie da gewesenen Form und
geben Zeit, sich auf das Wesent-
liche der Aufgabe zu konzentrie-
ren. Sie sind aber nur Hilfsmittel
zur Unterstützung der eigentlichen
Aufgabe. Immobilienmakler sollten
sich nicht auf diese Leistungen
reduzieren lassen!
Insofern hat der Beruf des Immobi-
lienmaklers Zukunft, wenn er sich
nicht durch die Veränderungen be-
eindrucken lässt. Denn die Interes-
sen der einzelnen Parteien werden
immer unterschiedlich bleiben,
und es ist eine anspruchsvolle
Arbeit, diese zusammenzuführen.
Diese Aufgabe sollte wieder in den
Mittelpunkt ihrer Leistung gestellt
und entsprechend kommuniziert
werden. Von jedem Einzelnen und
den Immobilienverbänden.
Der Makler ist nicht das bessere Portal
HARALD BLUMENAUER
Harald Blumenauer,
Geschäftsführer Blu-
menauer Consulting
„Die unterschiedli-
chen Interessen der
Parteien zusammen-
zubringen und Prob-
leme kreativ zu lösen,
ist eine Aufgabe, die
keine PropTech-Firma
je bewerkstelligen
können wird.“
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