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VERMARKTUNG & MANAGEMENT
I
RECHT
Wohnungseigentumsrecht
– Aktuelle Urteile
FAKTEN:
Vorliegend ist in der Gemeinschaftsordnung geregelt, dass sich ein Eigentümer
in der Versammlung nur durch den Verwalter oder einen anderen Eigentümer vertre
ten lassen kann. Eine Eigentümerin hatte offensichtlich unwirksame Baumaßnahmen
in ihrer Wohnung durchgeführt. In der Versammlung war der von der Gemeinschaft
beauftragte Rechtsanwalt anwesend. Für die Eigentümerin erschien ihr Anwalt. Die
Beseitigung der baulichen Veränderungen wurde mehrheitlich beschlossen. Den Be
schluss hat die Eigentümerin erfolgreich angefochten. Der Beschluss war wegen des
unberechtigten Ausschlusses des Anwalts der Eigentümerin von der Versammlung für
ungültig zu erklären. Ist ein Anwalt imAuftrag der Eigentümergemeinschaft anwesend,
der gegen die Interessen eines einzelnen Eigentümers tätig wird, so wird man dem
Eigentümer, gegen den die Beratung gerichtet ist, die Begleitung durch einen eigenen
Rechtsanwalt zugestehen müssen. Es verstößt gegen das Fairnessgebot, wenn nur eine
Seite anwaltlich beraten wird.
FAZIT:
Die Anwesenheit von Beratern in der Eigentümerversammlung ist häufiger
Streitpunkt in den Gemeinschaften. Grundsätzlich haben Berater von Eigentümern
in der Versammlung nichts zu suchen. Diese Entscheidung verdeutlicht aber, dass im
oben behandelten Fall etwas anderes gelten muss. Berater oder Dritte sind auch stets
zu dulden, wenn es sich bei dem Eigentümer um eine besonders betagte/gebrechliche
Person handelt, die die Tragweite der TOPs nicht einschätzen kann. Die Anwesenheit von
Dolmetschern ist ebenso stets dann zu dulden, wenn der Eigentümer nicht ausreichend
der deutschen Sprache mächtig ist.
FAIRNESS IN VERSAMMLUNG
Anwaltliche Beratung für
beide Seiten
Ist ein Rechtsanwalt im Auftrag der
Eigentümergemeinschaft anwesend,
der gegen die Interessen eines einzel-
nen Eigentümers tätig wird, so wird
man dem Eigentümer, gegen den die
Beratung gerichtet ist, die Begleitung
durch einen eigenen Rechtsanwalt
zugestehen müssen. Es verstößt
gegen das Fairnessgebot und das
gemeinschaftliche Rücksichtnahme-
gebot, wenn nur eine Seite anwaltlich
beraten wird.
AG Schöneberg, Urteil v. 17.03.2016, 771 C 64/15
VERWALTERNACHWEIS
Funktion der Unterzeich-
nenden muss erkennbar sein
Der formalisierte Nachweis über die
Bestellung des Verwalters verlangt
die Vorlage einer Niederschrift über
den Bestellungsbeschluss mit zwei
oder (bei Bestellung eines Verwal-
tungsbeirats) drei Unterschriften. Für
das Grundbuchamt muss die jeweilige
Funktion der unterzeichnenden Person
feststellbar sein. Bei einem mehrköp-
figen Verwaltungsbeirat genügt die
der Unterschrift beigefügte Bezeich-
nung „Verwaltungsbeirat“ diesen An-
forderungen nicht. Der Wortlaut von §
24 Abs. 6 Satz 2 WEG verlangt gerade
die Unterschrift des Vorsitzenden oder
seines Vertreters.
OLG München, Beschluss v. 30.05.2016, 34 Wx 17/16
NUTZUNGSFEHLVERHALTEN
Gutachterkosten sind vom
Eigentümer zu erstatten
Länger andauernder Schimmelbefall
in einer Wohnung birgt die Gefahr,
dass dieser das Gemeinschaftseigen-
tum an der betroffenen Wand befällt.
In derartigen Fällen hat der Verwal-
ter die erforderlichen Maßnahmen
zur Gefahrenabwehr zu treffen und
dabei insbesondere die Ursache für
den Schimmelbefall zu erforschen.
Dass er hierfür ein Gutachten für die
Gemeinschaft in Auftrag gibt, ist nicht
zu beanstanden. So sich herausstellt,
dass allein ein Nutzungsfehlverhalten
für den Schimmelbefall ursächlich ist,
hat der betreffende Eigentümer die
Gutachterkosten zu tragen.
AGWaiblingen, Urteil v. 22.02.2016, 20 C 1896/15WEG
EINLEGUNG VON RECHTSMITTEL
Urteil muss im Vorfeld
bekannt sein
Soll über die Einlegung eines Rechts-
mittels Beschluss gefasst werden,
muss den Eigentümern im Vorfeld der
Eigentümerversammlung zumindest
der wesentliche Inhalt des Urteils
bekannt gemacht werden. Den Eigen-
tümern wurde im Vorfeld der Ver-
sammlung allein der entsprechende
Beschlussvorschlag übermittelt.
Daneben erhielten sie keinerlei Anga-
ben zum ergangenen Urteil selbst. Sie
waren im Vorfeld der Versammlung
nicht über den Ausgang des Verfah-
rens unterrichtet worden.
LG Frankfurt/Main, Urteil v. 20.05.2016, 2-13 S 1/13