Immobilienwirtschaft 4/2016 - page 54

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TECHNOLOGIE, IT & ENERGIE
I
TITELTHEMA
Algenbildung, noch mit Spechtfraß oder problematischem
Brandverhalten. Probleme treten häufiger imBestand auf, also da,
wo nachträglich gedämmt wurde. Um die EnEV erfüllen zu kön-
nen, kann man einfach die Dämmung dicker machen, so BDA-
Mitglied Tibes. Doch er zweifelt, ob mehr als zwölf Zentimeter
noch groß was bringen. Man kann auch auf die Dämmung ganz
verzichten. Wie, das zeigt ein Leipziger Unternehmen.
ENEV ERFÜLLEN OHNE DÄMMUNG
Die Leipziger Atrium Baube-
treuungsgesellschaft setzt seit vier Jahren auf Gasporenbeton. Mit
einem50er-Mauerwerk wird genügend Isolation auch ohne extra
Dämmung erreicht. An die Außenwände kommt lediglich ein
mineralischer Putz. Die Vorteile sieht Atrium-Chef Michael Suhr
vor allem in der Langlebigkeit. „Eine normale gedämmte Fassade
muss man nach 15 Jahren nochmals bearbeiten, da durch die Al-
genbildung und Vergrauung sowohl optischer Eindruck als auch
Funktionalität leiden“, so Suhr. Zudemsind ihmdie Fungizide, die
in den Putzen verarbeitet sind, einDorn imAuge. Die würden bei
starkem Regen ausgespült und landeten im Grundwasser (siehe
Praxis-Beispiel auf Seite 55).
PASSIVHAUS – JA ODER NEIN?
Den Energieeinsparungsgedanken
könnte man weitertreiben – bis zum Passivhaus. Ein Verfech-
ter dieses Gedankens ist der Architekt Burkhard Schulze Darup
(siehe auch Interview auf Seite 58). Den Vorteil sieht er in der
Langlebigkeit hochgedämmter Fassaden. „Die paar Zentimeter
Mehrdämmung erweisen sich immer als wirtschaftlich. Und
hochwertige Fens-ter mit Dreischeibenverglasung sind in den
letzten Jahren sehr preisgünstig geworden“, so der Nürnberger
Passivhausexperte. Dafür spare man bei der Gebäudetechnik, die
kleiner sein könne, weil die benötigte Heizleistung minimal sei.
Das zahle sich langfristig aus, weil eine nachhaltig gebaute Gebäu-
dehülle 40 bis über 60 Jahre halte, während die Gebäudetechnik
alle 20 Jahre erneuert werde.
Die ABG Frankfurt baut seit 15 Jahren alles im Passivhaus-
standard. Dabei unter anderem2.500 Geschosswohnungen. „Wir
wollten einen Beitrag zum Klimaschutz auf der einen Seite und
gleichzeitig bezahlbare Mieten über Nebenkosten andererseits
erzielen“, so Frank Junker, Vorsitzender der Geschäftsführung.
Das sei gelungen, da in den Häusern der Passivhausstandard
mit einem Wärmeverbrauch von 15 kWh pro Quadratmeter/
Jahr erreicht werde. Damit erfüllten diese Gebäude heute schon
die Anforderungen an die EU-Gebäuderichtlinie 2020, die ein
nahe Null-Energie-Haus verbindlich vorschreibe.
„Der Passivhausstandard ist eigentlich nur was für Einfami-
lienhäuser“, wirft Suhr ein. „Für den Geschossbau ist das un-
rentabel.“ Auch dafür gibt es Beispiele. Das Wiesbadener Un-
ternehmen GWW hat im dortigen Quartier F zwei identische
Wohngebäude errichtet. Identisch sind die Wohnhäuser sowohl
von Lage und Schnitt als auch von der Anzahl und Anordnung
der Wohnungen her. Das eine wurde im KfW-40-Standard
„Es gibt als Alternative zur Däm-
mung zum Glück andere Bauwei-
sen und Fassadenaufbauten.“
Thomas Dorant,
Geschäftsführer Deutsche
Wohnwerte, Heidelberg
„Bei unseren Passivhaus-Objek-
ten rechnen wir die Heizkosten
nicht mehr ab, da dies wegen
der geringen Verbräuche zu teuer
wäre.“
Frank Junker,
Vorsitzender der Geschäftsführung
der ABG, Frankfurt
Fotos: Frank Urbansky
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