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4.2016
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FAKTEN:
Die Wohnungseigentümer hatten mit einer Mehrheit von mehr als drei Viertel
aller stimmberechtigten Eigentümer beschlossen, die vorhandenen Balkonbrüstungen
einer Fassade des Wohngebäudes aus Eisen und Holz durch solche aus Stahl und Glas
zu ersetzen. Der Beschluss wurde angefochten. Der anfechtende Eigentümer ist der
Auffassung, der Beschluss sei rechtswidrig, weil er eine bauliche Veränderung zum Inhalt
und er nicht zugestimmt habe. Dem konnten sich die Richter nicht anschließen. Bei der
beschlossenenMaßnahme handelte es sich umeineModernisierung des Gemeinschafts-
eigentums. Diese kannmit 75 Prozent der Stimmen aller stimmberechtigten Eigentümer
beschlossen werden. Dieses Quorum war hier erreicht worden. Eine mit qualifizierter
Mehrheit beschließbare Modernisierung liegt dann vor, wenn sie, ohne die Eigenart der
Wohnanlage zu ändern, eine sinnvolle Neuerung darstellt, die voraussichtlich geeignet
ist, den Gebrauchswert nachhaltig zu erhöhen. Der durch die Maßnahme zu erzielende
Vorteil muss dabei nicht notwendigerweise finanzieller Natur sein. Es genügt vielmehr
ein qualitativer Vorteil (etwa: mehr Licht).
FAZIT:
Soweit Instandsetzungsbedarf besteht, ist grundsätzlich der Bereich der moderni-
sierenden Instandsetzung eröffnet. Voraussetzung etwa des Ersetzens defekter Anlagen:
Der Kostenmehraufwand amortisiert sich in einem Zeitraum von zehn Jahren. Ist dies
nicht der Fall, kann eine mit doppelt qualifizierter Mehrheit zu beschließende Maß-
nahme der Modernisierung des Gemeinschaftseigentums dann angenommen werden,
wenn sie u.a. die Wohnverhältnisse verbessert und dabei die Eigenart der Wohnanlage
nicht ändert.
MODERNISIERUNG
Abgrenzung zur modernisie-
renden Instandsetzung
Eine modernisierende Instandsetzung
liegt vor, wenn sich auf Grundlage ei-
ner Kosten-Nutzen-Analyse ihre Inves-
titionen in einem Zeitraum von zehn
Jahren amortisieren. Ist dies nicht
der Fall, kann eine Modernisierung
nach § 22 Abs. 2 WEG dann vorliegen,
wenn die Maßnahme die Eigenart der
Wohnanlage nicht verändert, jedoch
mit Vorteilen verbunden ist. Diese Vor-
teile müssen nicht geldwert sein. Es
genügt eine qualitative Verbesserung
der Wohnverhältnisse etwa aufgrund
einer Vergrößerung der Balkonfläche,
mehr Lichteinfall, einer Anpassung an
den Zeitgeschmack.
LG Bremen, Urteil v. 10.07.2015, 4 S 318/10
UNSCHLÜSSIGE JAHRESABRECHNUNG
Keine ordnungsmäßige
Verwaltung
Die Darstellung der Entwicklung der
Instandhaltungsrücklage muss aus
sich heraus nachvollziehbar sein, um
ihren Zweck zu erfüllen, eindeutige
Klarheit über die finanziellen Verhält-
nisse zu schaffen. Die Jahresabrech-
nung hat auch Stand und Entwicklung
der gemeinschaftlichen Konten aus-
zuweisen. Dies muss so übersichtlich
erfolgen, dass sie ohne Hinzuziehung
eines Sachverständigen verständlich
ist. Unterbleibt eine nachvollzieh-
bare Darstellung, ist ein Abgleich der
Bankkonten mit der Einnahmen-/Aus-
gabenrechnung nicht möglich.
AG München, Urteil v. 25.11.2015, 485 C 30059/14
WEG; nicht rechtskräftig
ANFECHTUNG DES
WIRTSCHAFTSPLANS
Streitwert des Verfahrens
Der Streitwert einer Anfechtung des
Beschlusses über die Genehmigung
des Wirtschaftsplans bemisst sich
auf 50 Prozent des Gesamtvolumens
des Wirtschaftsplans, soweit nicht
der fünffache Betrag des auf den
anfechtenden Wohnungseigentümer
entfallenden Hausgelds geringer ist.
Für Verwalter sind die Grundzüge
der Streitwertbemessung vor dem
Hintergrund interessant, als bei grob
fehlerhafter Jahresabrechnung oder
Wirtschaftsplan auch durchaus dem
Verwalter die Verfahrenskosten auf
Grundlage der Bestimmung des § 49
Abs. 2 WEG auferlegt werden können.
LG Berlin, Beschluss v. 21.07.2015, 85 T 96/14 WEG
BAUTRÄGER-VERWALTER
Klage gegen sich selbst ist
möglich
Es liegt kein unzulässiger Insich-
Prozess vor, wenn eine Verwalterin
als gewillkürte Vertreterin namens
der Gemeinschaft gegen sich selbst
klagt. Die Gemeinschaft als Klägerin
und der Bauträger als Beklagter sind
nicht personenidentisch. Zwar ist hier
der Bauträger personenidentisch mit
dem Verwalter der Gemeinschaft,
auch wenn es sich dabei jeweils um
unterschiedliche Abteilungen dersel-
ben juristischen Person handelt. Der
Verwalter war jedoch nicht von der
Vertretung der Gemeinschaft ausge-
schlossen, weil er mit dem Bauträger
personenidentisch ist.
OLG Stuttgart, Urteil v. 31.03.2015, 10 U 46/14