Immobilienwirtschaft 4/2016 - page 42

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VERMARKTUNG & MANAGEMENT
I
RECHTSASPEKTE DER DIGITALISIERUNG
I
RECHT
wegs auf IT-Großprojekte beschränkt,
sie können sich auch bei kleineren IT-
Vorhaben, etwa einer digitalen Mieter-
akte, zeigen.
DATENSCHUTZ
Eine besondere Rolle spielt
heute zudem der Datenschutz. Immo-
bilienunternehmen arbeiten in großem
Umfang mit Mieterdaten, für die stren-
ge gesetzliche Anforderungen gelten.
Kommt es zu einem Datenleck, so kann
dies Bußgelder nach sich ziehen, aber auch
den Ruf des Unternehmens beschädigen.
Die Sensibilität für den Datenschutz hat
ein bisher ungekanntes Niveau erreicht.
Das Immobilienunternehmen kann die
Verantwortung nicht mit der Begrün-
dung von sich weisen, dass die Daten
bei einem Dienstleister liegen. Es bleibt
haftbar für die Datenverarbeitung, die in
seinemAuftrag geschieht, undmuss durch
detaillierte „Auftragsdatenverarbeitungs-
vereinbarungen“ sicherstellen, dass den
gesetzlichen Anforderungen zu jeder Zeit
Genüge getan wird.
All dies soll nicht vergessen lassen,
dass die Vorteile der Digitalisierung die
Gefahren bei Weitem überwiegen. Den-
noch ist erstaunlich, wie wenig Sorgfalt
auch große Immobilienunternehmen im-
mer noch auf IT-Verträge verwenden. Die
IT-Versorgung wird nach wie vor oft stief-
mütterlich behandelt. Dies ist auch inso-
fern unverständlich, als die IT-Sicherheit
eines Unternehmens eine Kernverantwor-
tung der Geschäftsführung ist.
NIEMAND IST SCHUTZLOS
Dabei gibt es
durchaus Handhabe, um Gefahren zu
begegnen. Risikoreduzierung kann schon
durch ein besseres Vertragsmanagement
erreicht werden, wenn IT-Projektemit der
notwendigen Sorgfalt betrieben werden.
Zu oft werden langjährige IT-Verträge
überhastet abgeschlossen, ohne für die
Verhandlungen das rechtliche, wirtschaft-
liche und technische Know-how eines Un-
ternehmens umfänglich zu nutzen. Auch
die Einbindung externer Dienstleister
wie etwa IT-Berater kann im Einzelfall
geboten sein. Unsere Erfahrung aus der
Beratung zu IT-Projekten in der Immobi-
lienbranche zeigt, dass IT-Dienstleister in
vielen Fällen noch von ihrem Informati-
onsvorsprung profitieren; zu selten finden
die Interessen der Immobilienunterneh-
men ausreichend Berücksichtigung.
Ein gutes Vertragswerk, das mag zu-
nächst selbstverständlich klingen, zeich-
net sich zudem durch Klarheit aus: durch
eindeutige Regelungen, zweifelsfreie
Zuteilung von Verantwortlichkeiten,
unmissverständliche Beschreibung von
Leistungspflichten, klare Service-Level-
Verpflichtungen, durchdachte Vereinba-
rungen zur Aufgabenteilung an Schnitt-
stellen (auch zu anderen Dienstleistern)
und nachvollziehbare Festlegung von
Prozessen. Ein gedankliches Durchspie-
len möglicher Szenarien kann helfen,
Lücken und Unklarheiten aufzuzeigen.
Hier ist es wichtig, IT-Fachleute bei der
Vertragsgestaltung nicht auf sich allein
gestellt zu lassen. Das, was aus Sicht eines
IT-Fachmanns logisch, vollständig und
selbsterklärend sein mag, ist es im Streit-
fall nicht notwendigerweise auch für ei-
nen Richter.
Auch Vorsorge ist ein wichtiger Ge-
danke bei der Vertragsgestaltung. Selbst
wenn die Zusammenarbeit mit dem IT-
Dienstleister weitgehend problemlos sein
wird – der Wert eines Vertrages zeigt
sich oft erst bei Störungen. Daher ist es
wichtig, eventuelle Krisen gedanklich
durchzuspielen und sicherzustellen, dass
Handhabe besteht, wenn die zugesicher-
ten Leistungsparameter nicht eingehalten
werden. Klare Kündigungsmöglichkeiten,
Zurückbehaltungsrechte und Vertrags-
strafen können helfen, die Leistungs­
erbringung und schnelle Fehlerbehebung
durchzusetzen. Zudemsollte sichergestellt
werden, dass die durchaus üblichen ver-
traglichen Haftungsbeschränkungen der
IT-Dienstleister nicht gerade dort anset-
zen, wo in der Immobilienbranche Schä-
den typischerweise entstehen.
VERTRAGSAUSSTIEG MITDENKEN
Schließ-
lich empfiehlt es sich, bei IT-Projekten bei
aller Anfangseuphorie immer auch an das
Ende der vertraglichen Beziehungen zu
denken. Dieses Ende kann einvernehm-
lich oder streitträchtig sein. Für jeden
Fall muss sichergestellt werden, dass das
Wirtschaften im Unternehmen nicht un-
terbrochen wird, der Zugriff auf die Daten
gesichert ist und die Übergabe an einen
neuen Dienstleister reibungslos funkti-
oniert. Einen besonderen Unterfall stellt
in diesem Zusammenhang die mögliche
Insolvenz des Dienstleisters dar, da das
Zusammenspiel von Datenschutz und In-
solvenzrecht rechtlich sehr komplex ist. Je
nach Auftragsvolumen, Risikoprofil und
Verhandlungsposition sind Schutzme-
chanismen denkbar, um die Gefahren für
den Betrieb einzugrenzen oder zumindest
das „Dateneigentum“ des Immobilien­
unternehmens zu stärken.
Die Digitalisierung der Immobilien-
branche wird immer weiter voranschrei-
ten. Sie wird Prozesse optimieren, Effi-
zienzgewinne schaffen und immer neue
Anwendungsbereiche finden. Natürlich
gehen mit solchen Chancen auch Risiken
einher. Dies sollte die Branche jedoch
nicht davon abhalten, sich dem Wandel
zu öffnen – solange sie es mit Umsicht
und Sorgfalt tut, um die Möglichkeiten
der Digitalisierung optimal für sich zu
nutzen.
«
Dr. Niklas Conrad, Rechtsanwalt,
Greenberg Traurig, Berlin
Das Immobilienunter-
nehmen kann die Ver-
antwortung nicht von
sich weisen, wenn
die Daten bei einem
Dienstleister liegen.
Es bleibt haftbar.
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