Immobilienwirtschaft 4/2016 - page 58

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TECHNOLOGIE, IT & ENERGIE
I
TITELTHEMA
NEUES EEWÄRMEG DROHT IM BESTAND
Für den Bestand könnte
sich die Einkopplung erneuerbarer Energien weiter verschärfen.
Denn Berlin diskutiert, die 15 Prozent erneuerbarer Energien, die
in Baden-Württemberg bereits via EWärmeG auch bei Bestands-
sanierungen festgeschrieben sind, bundesweit ins EEWärmeG zu
übertragen und eine Steuer auf Öl- und Gasheizungen zu erhe-
ben. Dann stünden rein fossile Heizungen vor dem Aus.
FAZIT
Zur Erfüllung der verschärften Energieeinsparverordnung
kommt man auch ohne immer dickere Dämmung. Ein intelli-
gentes Heizungssystem sowie eine ergänzende Dämmung oder
alternative Baustoffe, die deren Funktion übernehmen, reichen
mitunter aus. Wichtig ist, dass für Investoren, Käufer und Mieter
einGewinn entsteht, der sich in niedrigerenNebenkosten nieder-
schlägt. Die sind sowohl mit dem Passivhaus- als auch mit dem
KfW-40-Standard erreichbar. Aber die ideale Lösung hängt sehr
häufig von der individuellen Planungssituation und natürlich
auch dem Planer selbst ab.
«
Frank Urbansky, Leipzig
Mehrkosten von 60 Euro pro
Quadratmeter Wohnfläche kön-
nen bereits einen Passivhaus-
standard ermöglichen. Doch
ohne ein klein wenig neues
Denken gehe dies nicht, meint
Burkhard Schulze Darup.
Welche Kostensteigerung
ist durch die neue EnEV zu
erwarten?
Die EnEV 2016 wird
die Baukosten ansteigen lassen,
denn erhöhte Standards kosten
eben mehr Geld. Bei der Dis-
kussion sollte die Kirche deshalb
im Dorf bleiben. Wir kalkulieren
regelmäßig die Kostendifferenzen
unterschiedlicher Standards und
haben deshalb einen guten
Überblick. Der Schritt von der
EnEV 2014 zur EnEV 2016 ist beim
Wohnungsbau in günstigen Fällen
mit gut 20 € pro m² Wohnfläche
*
hinzubekommen. Wenn der Planer
sich besonders dumm anstellt –
oder ein besonders schwieriges
Gebäude zu planen ist, können es
auch 80 €/m² WF sein. Es geht
also um ein Spektrum von 1,5
bis sechs Prozent Kostensteige-
rung. Wir versuchen bei unseren
Planungen mit 60 bis 100 €/
m² Mehrinvestition in etwa beim
Passivhausstandard zu landen. Das
funktioniert fast immer und es
gibt inzwischen viele Kollegen, die
das hervorragend können. Das gilt
sowohl für Einfamilien- wie auch
für Mehrfamilienhäuser.
Mit welchen zusätzlichen, etwa
planerischen und gestalte-
rischen Problemen haben Sie
dabei zu kämpfen?
Oft ermögli-
chen Effizienzziele einen anderen
Umgang mit dem Bauherren.
Es werden grundsätzliche Dinge
hinterfragt und plötzlich kommen
Synergien zustande, die zu sehr
wirtschaftlichen Gebäuden führen.
Und hinsichtlich der Gestaltung
hält sich hartnäckig das Gerücht,
dass Effizienzhäuser hässlich
seien. Das ist mit einer Vielzahl
wunderbarer Beispiele widerlegt.
Bessere Bauphysik erfordert ein
klein wenig neues Denken bei der
Planung, schafft vor allem aber ar-
chitektonische Freiheiten, die viele
Architekten inzwischen hervorra-
gend zu nutzen wissen.
Was ist Ihrer Meinung nach am
besten geeignet, den Brücken-
schlag zwischen Energieeffi-
zienz und Wirtschaftlichkeit
hinzubekommen?
25 Jahre
Erfahrung mit Passivhäusern und
KfW-Effizienzhäusern zeigen, dass
sowohl beim Neubau als auch bei
der Sanierung zunächst die Devise
gilt, eine hochwertige Gebäude-
hülle zu schaffen. Die paar Zenti-
meter Mehrdämmung erweisen
sich immer als wirtschaftlich, und
hochwertige Fenster mit Dreischei-
benverglasung sind in den letzten
Jahren sehr preisgünstig gewor-
den. Am wichtigsten ist es jedoch,
nicht auf die Investitionskosten zu
schauen, sondern auf die monatli-
che Belastung der Nutzer. Bei den
aktuellen Förderbedingungen der
KfW liegen wir mit unseren hoch-
effizienten Gebäuden inklusive
Plusenergietechnik ab dem ersten
Monat günstiger als mit Standard-
gebäuden.
„Effizienz muss weder hässlich noch teuer sein“
INTERVIEW
Burkhard Schulze
Darup, Architekt
aus Nürnberg
Fotos: Urbansky; privat
*Kostenangaben in € pro m² Wohnfläche für
die reinen Baukosten, d. h. Kostengruppe
300/400 nach DIN 276 inkl. MWSt.
Mit erneuerbaren Energien wie Solarthermie, aber auch mit
Photovoltaik lassen sich die Anforderungen der verschärften
EnEV zu großen Teilen erfüllen.
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