Immobilienwirtschaft 4/2015 - page 19

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thekenpfandbriefe im Wert von etwa 200
Milliarden Euro im Umlauf. Der Pfand-
brief ist in Deutschland das Rückgrat der
Refinanzierung von Immobilieninvestiti-
onen. DerHypothekenpfandbriefmarkt ist
geprägt von einer seit Jahrzehnten kaum
veränderten Investorenstruktur.
Was heißt das genau?
Bei Hypotheken-
pfandbriefen dominieren bisher Pensions-
kassen, Lebens- und Sachversicherungen
sowie Versorgungswerke als Investoren-
gruppen. Wegen des extrem niedrigen
Zinsniveaus können sie über Zinskupons
von Pfandbriefen keine ausreichenden
Liquiditätsströme für ihre Zahlungsver-
pflichtungen generieren. Bei zehnjäh-
rigen Titeln beträgt die Rendite derzeit
im Schnitt lediglich 0,6 Prozent pro Jahr,
selbst bei weit länger laufenden Emissi-
onen ist nicht einmal mehr eine Rendite
von 1,5 Prozent erzielbar. Die Investoren-
gruppen bräuchten jedoch mindestens
eine Rendite von 2,5 bis 3,0 Prozent, um
ihre Liquiditätsströme sicherzustellen.
Was resultiert daraus?
Dass sich diese
Investorengruppen gezwungen sehen,
verstärkt andere Anlageoptionen ins Kal-
kül zu ziehen. So ist eine Reihe von ins-
besondere großen Lebensversicherungen
längst verstärkt im Baufinanzierungsge-
schäft aktiv. Ebenso dürfte manche Asse-
kuranz überlegen, mehr finanzielle Mittel
in Aktien zu stecken, um zumindest eine
halbwegs akzeptable Gesamtrendite ihrer
Anlagen zu erreichen. Diese Investoren
dürften ihre Käufe von Pfandbriefen wei-
ter erheblich zurückschrauben. Proble-
matisch daran könnte sein, dass dieser
Prozess womöglich irreversibel ist.
Das klingt dramatisch.
Es könnte sehr he-
rausforderndwerden, was sich dort gerade
zusammenbraut. Denn Banken und Ver-
sicherungen nehmen bislang etwas mehr
als 50 Prozent aller Pfandbriefemissionen
– öffentliche und Hypothekenpfandbriefe
– ab. Wir sprechen bei Hypothekenpfand-
briefen über einen gewaltigen Brocken
von mehr als zehn Milliarden Euro pro
Jahr. Momentan springen besonders No-
tenbanken, allen voran die EZB, in die
Bresche. Aber wenn sich die Verhältnisse
irgendwann wieder normalisieren sollten,
werdenVersicherungen undVersorgungs-
werke nicht automatisch genauso operie-
ren wie in den Jahrzehnten zuvor.
Warum haben Sie da Bedenken?
Das
nötige Know-how zu erwerben, um den
Investitionsfokus neu auszurichten, kos-
tet mitunter viel Geld und erfordert den
Aufbau entsprechender Kapazitäten. Die-
se werden bei veränderterMarktlage nicht
einfach wieder abgebaut. Derzeit verän-
dert sich das gesamte traditionelle Gefüge
auf dem Hypothekenpfandbriefmarkt.
Welche Folgen haben die historisch
niedrigen Zinsen bei Pfandbriefen für
das Aktivgeschäft?
Bei Wohnungsbau-
darlehen liegt bei zehnjähriger Zinsfest-
schreibung und einem Beleihungsauslauf
von 60 bis 70 Prozent der Zinssatz bei 1,3
bis 1,4 Prozent. Der Wettbewerb ist hart,
zumal inzwischen – wie schon erwähnt –
Versicherungen ins Baufinanzierungsge-
schäft drängen. Da wurden aus Partnern
manchmal Konkurrenten.
Das sind auch für die Aareal Bank keine
ermutigenden Nachrichten. Was bedeu-
tet das für das laufende Geschäftsjahr?
2015 wird kein einfaches Jahr, obwohl
wir durch unsere internationale Diver-
sifizierung weniger stark vom gerade
auf dem deutschen Markt herrschenden
Wettbewerb betroffen sind. Trotzdem
sind wir zuversichtlich, ein ähnlich gutes
Konzernbetriebsergebnis wie 2014 zu er-
reichen, das für uns ein Rekordjahr war.
Es dürfte bei 400 bis 430 Millionen Euro
liegen, inklusive eines Einmaleffekts aus
demErwerb der WestImmo von rund 150
Millionen Euro.
Warum setzen die von vielen ihrer
Konkurrenten beklagten erheblich ge-
sunkenen Margen – von zum Teil nicht
einmal mehr 100 Basispunkten – der
Aareal Bank offenbar weniger stark
zu?
Fast 90 Prozent unseres Geschäfts-
volumens erwirtschaften wir im Ausland.
Unsere Kernmärkte sind Großbritannien,
Frankreich und die USA. Dort haben die
Zinsen ebenfalls erheblich nachgegeben.
Aber die Wettbewerbsstruktur ist anders
als in Deutschland, weshalb durchaus
noch Bruttomargen von über 200 Basis-
punkten erzielbar sind. Großvolumige Fi-
nanzierungen vonmehr als 100Millionen
Euromit einer komplexen Strukturierung
sind eine ausgesprochene Stärke unserer
Bank. Hier ist die Zahl der Konkurrenten
zumindest zurzeit noch etwas geringer,
was die Durchsetzung höherer Margen
erlaubt.
Die aktuelle Situation ist für die Im-
mobilienbanken in Deutschland nicht
einfach. Wem setzt sie besonders stark
zu?
Für eine Reihe von Banken und Spar-
kassen stellt die aktuelle Niedrigzinspha-
se eine große Herausforderung dar. Die
Aareal Bank hat den Vorteil, dass sie die
schwierige Situation auf dem deutschen
Immobilienfinanzierungsmarkt durch
ihre breite Aufstellung und aufgrund
ihres speziellen Know-hows in Deutsch-
land sehr gut ausbalancieren kann. Diese
Möglichkeit haben viele andere Institute
nicht. Negative Zinsen gab es hierzulan-
de noch nie. Selbst in Japan blieben die
Zinsen – trotz Dauer-Deflation – stets
positiv. EZB-Chef Mario Draghi ist sich
sicherlich bewusst, dass die aktuelle Situa-
tion nebenChancen auch ein hohes Risiko
in sich birgt.
zur person
Thomas Ortmanns
ist Vorstandsmitglied der Aareal Bank. Er ist verantwortlich
für die Ressorts Institutionelle Wohnungswirtschaft, Treasury, Organisation und Information Technology.
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Norbert Jumpertz, Staig
Foto: Aareal Bank
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