Immobilienwirtschaft 4/2015 - page 27

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4.2015
Am Donnerstag ist auf dem deutschen Stand deutsche Stunde.
Prof. Dr. Elisabeth Merk, Stadtbaurätin von München, berichtet
von ihrem Kampf mit den charmanten Männern in den dunklen
Anzügen, die in der Regel ganz viel für die Grundstücke zahlen,
ganz – puff, peng – schnell mehr Baurecht wollen, aber bereits
vor Erteilung der Baugenehmigung neue Männer vor ihr sitzen,
die noch mehr für dasselbe Grundstück gezahlt haben und noch
mehr Baurecht wollen. Auch ich sehe diese wundersame Art der
Geldvermehrung nicht gerne. Mit jedem Zwischenhandel bleibt
weniger für die Architektur. Wie bei Hans im Glück.
EU-Generalkommissar Oettinger klopft bei seinem Besuch
den Standpartnern gut gelaunt auf die Schulter. Er spricht den
„Wissensträgern deutscher Ingenieurbaukunst“ und den „krea-
tiven Architekten“ auf ihremWeg hinaus in die interkontinentale
Welt Mut und Selbstbewusstsein zu. Mit mehr politischer Unter-
stützung möchte er nächstes Jahr wiederkommen.
Nach der Podiumsdiskussion hadert ein Kollege mit seinem
heimischen Berufsstand. Kopf hoch, Architekten! Unter den zehn
Städten mit der höchsten Lebensqualität auf der Welt finden sich
nach einer Umfrage der Unternehmensberatung Mercer sechs in
Deutschland, der Schweiz und Österreich. Drei deutsche Städte
sind vorne dabei. Reicht reden oder müssen wir liefern? Dazu
noch mal Elisabeth Merk: „Wenn amerikanische Investoren zu
mir kommen, fragen sie mich nach dem Gewerbegebiet, in dem
sie ihr Hochhaus bauen können. Aber so geht das nicht bei uns.
Und so etwas gibt es in München auch gar nicht.“ München ist
bereits eine durchmischte Stadt, in der Arbeiten, Wohnen und
Einkaufen eng miteinander verwoben sind.
Wer danach sucht, findet am Eingang zum Hafen das Mipim
Innovation Forum. Orange und Frühlingsgrün versprechen ju-
gendliche Neugier. Ben van Berkel was here. Yesterday. Ich genie-
ße ein paar Minuten der Ruhe und der Leere. Für Innovationen
steht hier auf der Mipim keiner Schlange. Frankfurt amMain hat
eine Milieuschutzsatzung erlassen. Dadurch ist unser über ein
Jahr mit der Behörde abgestimmter und bereits seit Dezember
eingereichter Bauantrag zurNiete geworden. AmFrankfurt-Stand
hat auch die neue Leiterin der Bauaufsicht bei allem Verständnis
kein Ass im Ärmel, mit dem unser Projekt noch gerettet werden
kann. Auf demMünchen-Stand geht es zu wie bei Woolworth in
Neukölln zum Räumungsverkauf. Seit Jahren das Erfolgsmodell:
30 Standpartner, mehrere tausendWeißwürste, Brezeln und Gäs-
te auf der Sonnenterrasse und maximal ein Architekturmodell.
Denn um Architektur geht es hier nicht.
Auch Frankfurt, Berlin, Düsseldorf, Stuttgart und Hamburg
sind auf der Messe im Palais des Festivals vertreten. Der Name
ist eine kolossale Übertreibung für diesen abgewetzten, laby-
rinthischen Gelddruckmaschinenbunker zwischen Strand und
Yachthafen. Die deutschen Städte sind weit voneinander entfernt
verteilt, haben sich aber über die Jahre dem Münchner Vorbild
bestmöglich angenähert: große, zentrale Bar mit Sonnenterras-
se. Irgendwie gastfreundlich. Architekturmodelle? Fehlanzeige.
Die Stände sind zu effizienten Partnerbörsen mutiert. Bei diesen
Balztänzen ohne Bräute würden fertige Planungen nur stören.
Ach ja, die Frauen! Durch das Fernbleiben der russischen Re-
gionen mit ihrer Hostessstrategie ist die Frauenquote gefühlt er-
neut gesunken. Frauen in Führungspositionen sind immer noch
die Ausnahme in dieser gockelhaften Branche. Wie viel besser
könnte sie mit ausgewogenerem Führungspersonal wohl sein?!
London und Paris sind in Zelten am Strand untergekommen
und spielen in ihrer eigenen Liga. Die Stadt an der Themse wirbt
mit ihrer Architektur. Riesengroße Stadt- und Hochhausmodelle
zeugen von einem objektbezogenen Städtebau im Gegensatz zu
den über und über fein geschliffenen und am Konsens und Kon-
text orientierten deutschen Städten. Auch die zumeist hauptstadt-
fixierten internationalen Akteure scheinen sich mit den vormals
als intransparent beklagten deutschen Regionen angefreundet
zu haben. Deutschland ist auf der Mipim 2015 für internationale
Investoren und Entwickler gerade durch seine Polyzentralität,
wirtschaftliche Stärke und Lebensqualität attraktiv. Und das, ob-
wohl zum Beispiel der Frankfurter Wirtschaftsförderer es mei-
det, Chinesen die eigene Einwohnerzahl von jetzt gerade einmal
700.000 zu nennen. Für chinesischeMaßstäbe würde dadurch die
Mainmetropole zum Dorf geschrumpft.
The Times They Are A Changin‘. Immer wieder.
Architekturmodelle? Fehlanzeige. Die deutschen Städte sind auf der
Mipim zu effizienten Partnerbörsen mutiert. Bei diesen Balztänzen ohne
Bräute würden fertige Planungen nur stören.
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zur person
Eike Becker
leitet seit Dezember 1999 zusammen mit Helge Schmidt das Büro Eike Becker_Architekten in Berlin.
Internationale Projekte und Preise bestätigen seitdem den Rang unter den erfolgreichen Architekturbüros in Europa. Eike Becker_Architekten arbeiten
an den Schnittstellen von Architektur und Stadtplanung mit innovativen Materialien und sozialer Verantwortung.
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