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Markt & Politik
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Verbandsinformationen
D
ie bei diesemThema zu berücksichtigendenDenk- und Entscheidungsprozesse sind
mehrdimensional und vielschichtig. Es muss „über den Tellerrand“ hinaus- und
vorausgeschaut werden. Chancen ergeben sich aus einem Mehr an Informationen
und durch dieMöglichkeit, die erforderlichen Prozesse so zu gestalten, dass ein betriebs-
wirtschaftliches Optimum aus den Determinanten Nutzermarkt, rechtliche Gegeben-
heiten, eigenes Know-how, bauliche Möglichkeiten, Gebäudebestand, Restlebenszyklus
der Immobilie und dem am Markt zu erzielenden Verkaufsmultiplikator entsteht.
Der Entwickler im Bestand ist gegenüber dem Projektierenden eines Neubau-Bau-
vorhabens zusätzlichen und anderen Gefahrenquellen ausgesetzt. In der Regel gibt es
keine eindeutigenDokumentationen über bestehende Schadstoffkontaminationen oder
Korrosionen. Solche werden oftmals erst viel zu spät verortet. Zahlreiche Probleme
lassen sich mit finanziellem Aufwand beheben. Dies gilt nicht im Falle einer zu gerin-
gen Geschossdeckenhöhe, eines nicht normgerechten Achsmaßes oder zu weniger Kfz-
Stellplätze. Der Entwickler muss sich vom ästhetisch ansprechenden Erscheinungsbild
einer noch jungen, aber nicht mehr vermietbaren Büroimmobilie komplett frei machen.
Die Dealbreaker Schwierigkeiten und Kostenexplosion sind häufig imDetail zu finden.
Der erste eindruck täuscht oft
Flächen erscheinen auf den ersten Blick attraktiver, als
dies bei näherer Betrachtung der Realität entspricht. Regelmäßig wird zunächst eine ver-
mietbare Fläche angeboten, ohne dass deren Ermittlung offen gelegt wird. Stellt sich he-
raus, dass eine Flächenermittlung nachGIF vorgenommenwurde, verfügt das schließlich
hergestellte Gebäude über deutlich weniger vermietbare Apartmentfläche als zunächst
angenommen. Hinzu kommt, dass das Verhältnis von Bruttogeschossfläche (BGF) zu
der später tatsächlich nutzbaren Apartmentfläche üblicherweise stark abnimmt, weil
bei einer Umnutzung zwingend Nutzungskompromisse eingegangen werden müssen.
Die größten Herausforderungen ergeben sich beim Brandschutz. Häufig stellt sich
heraus, dass weder eine wirtschaftliche noch eine baulich sinnvolle Herstellung der
Rettungswege vorgenommen werden kann. Wiederkehrende Fragen: Wie können alle
Apartments ordnungsgemäß angebunden werden? Wie können die Größen dem aktu-
ellenMarktverlangen angepasst werden?Wie sind die bauaufsichtsrechtlichen Auflagen
und die daraus folgenden Kosten im Griff zu behalten? Hinsichtlich der Traglast ist zu
klären, ob diese für den neuen Nutzungszweck ausreicht. Schließlich ist zu überprüfen,
ob vorhandene Dokumentationen den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen.
In Sachen Schallschutz ist zu prüfen, ob undwie dieser gewährleistet werden kann; ob
die Bauteile bei Erstellung des Gebäudes entkoppelt hergestellt wurden oder Schallbrü-
cken vorhanden sind und wie undmit welchemfinanziellen Aufwand diese zunächst ge-
ringfügig erscheinendenMängel, die häufig gravierende Auswirkungen haben, beseitigt
werden können. Und weiter: Sind die Deckenhöhen ausreichend? Wird ein zusätzlicher
Fußbodenaufbau benötigt und falls ja, wie wirkt sich dieser aus? Wie viele Parkplätze
sind vorhanden oder können neu geschaffen werden? Danach bemisst sich die Anzahl
der möglichen Apartments und Zimmer. Bei einer Umnutzung von Büroimmobilien
sind die Unwägbarkeiten groß. Der Markt ist intransparent, die Wissensunterschiede
der Akteure erheblich. Die Nutzernachfrage differiert stark von Region zu Region; ein
Mikrostandort ist häufig schnell gesättigt. Dennoch sind die darin liegenden Chancen
für wissende Akteure überproportional lukrativ.
Ralph Jerey FRICS, Vorstandsmitglied RICS
Deutschland und Gesellschafter NAI apollo
realwert
Umnutzen oder gleich abreißen?
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Ralph Jerey FRICS
RICS
Vom Büro zum Hotel
oder Boarding House: Kann
ein nicht mehr vermietungs-
fähiger Bürobestand noch
einer ökonomischen Nutzung
zugeführt werden? Das ist
eine der Fragen, die der
11. RICS-Focus am 16. April
2015 in Berlin zu beant-
worten sucht.