Immobilienwirtschaft 7/2015 - page 40

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Vermarktung & Bewertung
i
Titelthema
heute oft. Ich glaube aber, dass wir nicht
so extremhohe Preise kriegenwerden, das
ist aus meiner Sicht begrenzt.
Wie kann ichmich als Portal denn abhe-
ben von anderen, im Prinzip sehen die
doch alle ähnlich aus?
Es geht auch nicht
nur darum, wie gut Immobilien dargestellt
sind. Sondern um das beste Konzept: Wie
wird dasThema Immobilien sexy? Immo-
biliensuche wird zumErlebniseinkauf. Ich
merke das ja in meiner eigenen Familie:
Obwohl wir längst ein Objekt erworben
haben, surft meine Frau ab und zu weiter
nach Wohnungen im Netz. Es ist für sie
eine Art Hobby geworden, mal zu schau-
en, was sich in der Nachbarschaft tut, wie
sich Preise entwickeln, wo Neubaupro-
jekte entstehen.
Das heißt, Nähe wird doch wieder wich-
tig?
Ja, das kann ein Faktor sein und eine
Nische für kleinere Portale, die derzeit
wie Pilze aus dem Boden schießen. Mit
einer geschickten Bindung, dem Aus-
schlachten von Lokalkolorit können sich
einige vermutlich neben den etablierten
mit bundesweiter Reichweite behaupten.
Nur: Im großen Stil wird es notwendig
sein, auf das veränderte Suchverhalten
von Menschen einzugehen. Emotionale,
individuell zugeschnittene Angebote, all
das wird künftig eine viel größere Rolle
spielen als bisher. Und damit ist nicht der
übliche „Maklersprech“ gemeint, sondern
geschicktes Marketing. Es wird entschei-
dend für die Zukunft sein, ob Immoscout
als größter Anbieter diesen Trend setzen,
diesen Bedürfnissen nachkommen kann –
und sich als Marke so zum Synonym für
Immobiliensuchemachen, wie es „Tempo“
für Taschentücher geworden ist. Der Zu-
sammenschluss von Immonet und Immo-
welt verstärkt sicher den Druck auf den
Branchenprimus, sich zu bewegen.
Herr Bölting, Immobilienbörsen liefern
sich derzeit eine virtuelle Schlacht um
Kunden. Warum ist der Markt auf ein-
mal so in Unruhe?
Ich bin selbst verwun-
dert, wie schnell sich die Räder drehen.
Noch vor wenigen Jahren spielte sich der
Markt hauptsächlich inTageszeitungen ab.
Inzwischen ist es eben so, dass alle Bevöl-
kerungsgruppen das Internet in ihren All-
tag integriert haben – und damit auch die
entscheidenden Player in der Branche, wie
Verbände, Eigentümer, sich früher eher
zurückhaltende Großinvestoren. Damit
ballen sich hier die Konkurrenten. Da die
Portale alle recht einfach geworden sind,
ist auch die Hemmschwelle niedriger, als
Anbieter aktiv zu werden.
Was bedeutet das für Interessenten?
Zu-
nächst einmal wird die Immobiliensuche
für sie leichter. Frühermusste ich zu nacht-
schlafender Zeit aufstehen, zum Kiosk
rennen, großformatige Blätter wälzen und
mir die Finger wundtelefonieren. Heute er-
ledige ich das locker unterwegs, zwischen-
durch, auf Tablet und Smartphone, im Bus
und im Café. Je stärker der Wettbewerb
wird, umso mehr werden Anwendungen
auf individuelle Bedürfnisse zugeschnit-
ten– das dürfte sich noch verstärken.
Worumgeht es den Immobilienportalen
eigentlich?
Es geht auch um Daten. Je
mehr Daten ich über Anbieter und Kauf-
oder Mietwillige sammle, desto mehr
weiß ich über meine Kunden. So kann ich
Angebote noch präziser ausrichten und
letztlich eine bessere Leistung bieten. Au-
ßerdem spielen die Daten natürlich auch
anderswo eine Rolle – wir nutzen sie ja
auch, um das Marktgeschehen beschrei-
ben und verstehen zu können. Die Erlöse
aus Anzeigenpreisen sind nicht allein das
entscheidende Argument. Und obwohl
Immoscout die Preise angezogen hat – die
Zeitungsanzeigen früher waren wesent-
lich kostspieliger, das vergessen Makler
„Immobiliensuche wird sexy“
zur person
Torsten Bölting
hat
Raumplanung an der TU Dortmund studiert
und ist seit 2013 Geschäftsführer der InWIS
Forschung & Beratung GmbH. Das Unterneh-
men ist aus einem An-Institut an der Ruhr-
Universität Bochum hervorgegangen und
sieht sich als Dienstleister an der Schnittstel-
le zwischen Wissenschaft und Praxis.
Immobiliensuche wird
nach Ansicht von
Torsten
Bölting
zum Erlebniseinkauf.
Entscheidend für den Erfolg
von Portalen sei auch die
emotionale Ansprache, sagt
der Geschäftsführer der InWIS
Forschung & Beratung GmbH.
Das Beratungsinstitut hat
einen Kooperationsvertrag
mit Immoscout24 über die
Nutzung von Marktdaten.
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Kristina Pezzei, Berlin
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