Immobilienwirtschaft 7/2015 - page 30

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Investment & Entwicklung
i
kolumne
und den Bauern angeblich nur drei wesentliche Gruppen, die
um die Macht rangen und 1688 ihren König wählten, sind die
Verhältnisse heute deutlich unübersichtlicher. Die Linien ver-
laufen fließend. Höhere Ansprüche, divergierende Bedürfnisse
und vielfältigere Meinungsbildung führen zu einem Leben wie
in der Waschmaschine.
Letztes Wochenende bin ich im Gespräch mit indischen
Freunden aus Bombay immer wieder zu dieser Frage gelangt:
Wie kommt die Ordnung zustande, die hierzulande die meisten
Städte aufblühen lässt und Lebensqualität für viele schafft? Und
warum ist das nicht überall anderswo in der Welt genauso?
Weil die Leute hier so fleißig sind? Weil sie die richtige Re-
ligion haben? Weil es in den Genen liegt? Das richtige Klima?
Gute Regierung? Fünfmal Nein! Die Wirtschafts- und Politik-
wissenschaftler Daron Acemoğlu und James A. Robinson haben
in ihrem Buch „Warum Nationen scheitern“ genau diese Fragen
untersucht. Und jetzt kommt es: Sie haben Institutionen als Mul-
tiplikatoren für den Erfolg identifiziert.
Gerichte, die für Gerechtigkeit sorgen, keine Klüngelwirt-
schaft. Schulen, die Talente individuell ausbilden. Politische Sys-
teme, die unterschiedlichenGruppen gleichermaßen Beteiligung
bieten. Und eine offene, pluralistische Gesellschaft, die Kompe-
tenz und Kreativität auf allen Ebenen schätzt, schützt und fördert.
Das ist alles! Der Grad der Einbeziehung verschiedener gesell-
schaftlicher Gruppen in wirtschaftliche und politische Instituti-
onen: Das ist es! Das setzt eine Spirale zum Guten, Besseren und
W
ie hab ich das als Kind gehasst! Wieder einmal war Sonn-
tag. Abend. Undmein Bruder und ich hatten unsere Lego-
und Bauklotz-Versuche wieder einmal nicht aufgeräumt.
Weil am Montag unser Spielzimmer wie immer gestaubsaugt
werden sollte, beförderte unser Vater, unter der Bürde des erzie-
herischen Anspruchs plötzlich radikalisiert, alle auf dem Boden
befindlichen Sachen kurzerhand aus dem Fenster in den Garten.
Damals waren die Erziehungsmethoden noch deutlich rustikaler.
Nicht ganz korrekt, aber die, die selber Kinder haben, können
diesen Moment der Schwäche etwas milder bewerten.
So oder so ist Ordnung ein Kampfplatz der Generationen.
Welche Ordnung? Wie viel Ordnung? Wie viel Eingriff? Wie viel
Unordnung? Wie viel Freiheit von Ansprüchen anderer? Für uns
war Aufräumen schlichtweg die Zerstörung von dem, was wir
über Tage mit konzentrierter Arbeit aufgebaut hatten.
Aufräumen und Entscheiden ist auch heute nur selten toll.
Wie schwer ist es, sich von Liebgewonnenem zu trennen, von
Eingespieltem zu lösen. Das aber ist genau der erste Schritt zu
Abschied und Aufbruch, zu allem, was vor uns liegt, zum Rest
des Lebens. Voraussetzung auch für Innovation und Fortschritt.
Doch wie imKinderzimmer muss Neues innerhalb einer Ge-
sellschaft oder einer Gruppe auch immer wieder neu errungen
werden. Offene, inklusive Institutionen gehen diesen Prozess
aktiv an und tun sich dabei deutlich leichter als exklusive Aus-
schüsse. Waren es im England des 17. Jahrhunderts, zum Be-
ginn der neuzeitlichen Demokratie, mit dem Adel, den Bürgern
Kreatives Aufräumen
Foto: Dirk Weiß
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