53
12|2017
Über die Anpassungsfähigkeit von Unternehmen
Unternehmensführung in Zeiten des Wandels
Die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft erlebt herausfordernde Zeiten. Rechtliche und gesellschaftliche
Rahmenbedingungen sowie die Anforderungen der Stakeholder wandeln sich. Die Digitalisierung setzt neue
Wegemarken, angesichts des demografischen Wandels stellen sich z. B. auch Fragen nach den Personal-
oder den Portfoliomanagementstrategien neu. Was macht in diesem Umfeld gute Unternehmensführung
aus? Wie werden Unternehmen widerstandsfähiger und bleiben gleichzeitig anpassungsfähig?
THEMA DES MONATS
man nunmehr auch hier die Wechselwinde der
Veränderung. Dies betrifft zunächst den demo-
grafischen Wandel. Während einige Regionen im
Lichte der Deindustrialisierung hohe Wande-
rungsverluste zu verzeichnen haben, wird es in
den Ballungszenten der Großstädte allmählich
eng. Zwar boomt der Handel mit Immobilien,
doch lässt sich die Nachfrage nach bezahlbarem
Wohnraum für breite Schichten der Bevölke-
rung gegenwärtig kaum befriedigen. Dies wird
noch verstärkt durch die anhaltende Migration.
Zusätzlich stellt die steigende Lebenserwar-
tung neue Anforderungen an altersgerechten
Wohnraum, z. B. in Sachen Barrierefreiheit und
betreutes Wohnen.
Herausforderung: Finanzmärkte
Sieht man hiervon ab, so hat die bereits seit
längerer Zeit zu verzeichnende Internationali-
sierung der Finanzmärkte mittlerweile auch die
Immobilien- und Wohnungswirtschaft erreicht.
Dies eröffnet für die Branche nicht nur neue Fi-
nanzierungschancen, sondern hat zwischenzeit-
lich durch die Schaffung börsennotierter Immo-
bilienaktiengesellschaften auch „Global Playern“
in Form von Anlagegesellschaften den Zugang
zum deutschen Wohnungsmarkt eröffnet, ohne
jedoch bisher dessen lokale und funktionale Seg-
mentierung im Kern zu beeinträchtigen.
Mit der Niedrigzinspolitik der EZB wurde zu-
gleich eine zunehmend steigende Nachfrage
der Anleger nach Immobilien generiert, die zu
einem deutlichen Anstieg der Immobilien- und
Grundstückspreise geführt hat, mit deutlichen
Auswirkungen auf den Wohnungsneubau in
Deutschland.
Herausforderung: Digitalisierung
Zwar hat die zunehmende Digitalisierung des
Wirtschaftsgeschehens ihren Niederschlag
in einer Vielzahl von Vermittlungs- und Ver-
gleichsportalen gefunden, doch weist die Immo-
bilienwirtschaft gegenüber anderen Branchen
noch einen deutlichen Nachholbedarf auf.
Ausrichtung und Zukunftsfähigkeit eines
Unternehmens am Markt
Ziel effektiver Unternehmensführung – darüber
besteht weitgehend Einigkeit – ist die strategi-
sche Ausrichtung des Unternehmens am Markt
und damit dessen Zukunftsfähigkeit. Ob dabei die
Erwartungen und Zielvorgaben der Anteilseigner
langfristig erfüllt werden, hängt nicht zuletzt
von den Bedürfnissen der Stakeholder, also der
Mieter und Käufer, ab.
Dies betrifft nicht allein die Miete oder den Kauf-
preis, sondern umfasst, wie sollte es auch anders
sein, zugleich die sozialen Dimensionen des Woh-
nens, und damit sowohl die Serviceleistungen
des Vermieters als auch die baulichen und orga-
nisatorischen Grundlagen für eine gelingende
Nachbarschaft. So lassen sich manche im öffent-
lichen und Unternehmensinteresse erforderli-
chen Maßnahmen, wie die Nachverdichtung in
den Ballungsräumen, gegen den Widerstand der
„Altbewohner“ nur schwer durchsetzen, erwei-
sen sich jedoch bei Einbindung der Beteiligten
als machbar.
Transparenz des Handelns und Kommunikations-
fähigkeit des Managements sind nicht nur gegen-
über den Anteilseignern und dem Aufsichtsrat,
sondern auch im Verhältnis zu den Stakeholdern
eine wesentliche Voraussetzung des Gelingens.
Umgang mit normativen Vorgaben
Es nimmt kaumWunder, dass in einer zunehmend
verrechtlichten Wirtschaftsordnung zugleich
die normativen Vorgaben des Gesetzgebers
über weite Strecken das Handeln der Unterneh-
mensleitung bestimmen. Dies gilt nicht nur im
Hinblick auf die alljährlichen Nachtarierungen
der energetischen Vorgaben des Bauens, son-
dern betrifft zugleich die Sorgfaltspflichten des
Managements, insbesondere unter dem Aspekt
der Compliance. So wesentlich die Bedeutung
der Einhaltung rechtlicher Rahmenvorgaben
im Kontext einer sozialen und fairen Wettbe-
werbsordnung auch ist, erweist es sich dennoch
als geboten, den Entscheidungsspielraum der
Leitungsorgane im Interesse eines funktionsfä-
higen Wettbewerbs nicht unverhältnismäßig zu
beschränken.
Hier hat der deutsche Gesetzgeber mit der Ein-
räumung einer Einschätzungsprärogative bei
unternehmerischen Entscheidungen im Rahmen
der Business Judgement Rule gemäß § 93 Abs.1
Satz 2 AktG und § 34 Abs.1 Satz 2 GenG den rich-
tigen Weg beschritten, der den Prognosespiel-
raum der Geschäftsführung wahrt und zugleich
dessen Überprüfung durch die Gerichte sachlich
beschränkt. Dies hat der BGH nunmehr auch für
den Bereich der GmbH anerkannt.
August von Hayek hat den Wettbewerb zu Recht
als Entdeckungsverfahren bezeichnet, das die
Bedürfnisse der Nachfrager offenbart und uns
Erkenntnisse vermittelt, die uns ohne Wettbe-
werb nicht zugänglich wären. Für die Teilnehmer
des Wettbewerbs gilt ohnedies die Leitmaxime
Samuel Becketts: „Scheitern, erneut scheitern,
besser scheitern.“