Lukas Siebenkotten:
Ich gebe Ihnen ja recht,
Herr Gedaschko: Natürlich liegt kein Marktver-
sagen vor. Aber Tatsache ist, dass die Anzahl der
bezahlbarenWohnungen nicht der Zahl entspricht,
die wir eigentlich benötigen. In bestimmten Ge-
genden – keineswegs überall – fehlt es an genü-
gend bezahlbaremWohnraum. Man sollte darüber
nachdenken, wieman diesemProblemvernünftig
begegnet. Vor diesemHintergrund ist die Idee der
neuen Gemeinnützigkeit entstanden. Wir können
gerne gemeinsam darüber nachdenken, wie wir
das Ziel auf andere Weise erreichen, ohne es neue
Gemeinnützigkeit zu nennen, sondern vielleicht
Gemeinwohlorientierung.
Deswegen noch einmal mein Appell: Überlegt
euch, positive Gegenargumente zu formulieren!
Das finde ich besser, als nur ein rotes Schild hoch-
zuhalten.
Lutz Freitag:
Letztlich geht es darum, für die
Haushalte mit geringer Kaufkraft Wohnungen
zu wesentlich geringeren Mieten auf dem Markt
anzubieten als nach den gesamten Bau- und Fi-
nanzierungskosten eigentlich verlangt werden
müssten. Wenn man das erreichen will, muss der
Staat subventionieren. Um die Debatte über die
neue Gemeinnützigkeit zu entspannen, sollteman
darauf hinweisen, dass es bereits ein starkes En-
gagement von Genossenschaften, kommunalen
Unternehmen und auch einer Reihe nachhaltig
wirtschaftender privater Unternehmen gibt, die
den Aspekt der Nachhaltigkeit und der Gemein-
wohlorientierung im Fokus haben.
Thomas Ortmanns:
Ich bin froh, dass Sie auch
die verantwortungsbewussten privaten Unter-
nehmen erwähnen. Diejenigen, die Mieten und
Grundstückspreise spekulativ treiben, sind nicht
diejenigen Unternehmen, die ihre Rendite aus den
laufenden Einnahmen erwirtschaften, sondern die
exit-orientierten Investoren, die den größten Teil
des Ertrages aus dem Wiederverkauf erwarten.
Diesen Investoren sind Langfristigkeit und Nach-
haltigkeit nicht sowichtig. Aber diejenigen Inves-
toren, die über 15 oder 20 Jahre stabile Einnah-
men aus der Wohnimmobilie habenwollen, haben
ein ureigenes Interesse daran, mit Immobilie und
Mietern pfleglich umzugehen.
Lutz Freitag:
Warum kann man nicht Unterneh-
men, die sich in besonderer Weise fur die Ent-
wicklung der Stadt und der Quartiere engagieren,
belohnen und so Anreize setzen, dass sich noch
mehr Unternehmen fur Stadtentwicklung und In-
tegration einsetzen? Das wäre aus meiner Sicht
zielführender als die systemverändernde neue
Wohnungsgemeinnützigkeit.
Wir sind am Schluss einer sehr spannenden und
lebhaften Diskussion angekommen, fur die ich
mich bei allen Experten am Tisch sehr herzlich
bedanke.
„Auch ich bin absolut dagegen, die Wohnungsgemeinnützigkeit
vorzuschreiben. Aber wo gibt es denn einen einzigen seriösen
Politiker, der die Auffassung vertritt, es müsse zwangsweise
Gemeinnützigkeit eingeführt werden?!“
Lukas Siebenkotten