DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT6/2017 - page 51

Aus meiner Sicht sollte sich Politik eigent-
lich wie ein normales Wirtschaftsun-
ternehmen verhalten. Die Politik muss
wegkommen von einem Abteilungsdenken
und hinkommen zu einem Geschäftspro-
zessdenken. Projekte sind mittlerweile
immer im Gesamtzusammenhang zu
sehen. Wir können nicht mehr Umwelt
losgelöst von Energie und von Wirtschaft-
lichkeit betrachten. Wer z. B. energetisch
modernisiert, muss sich fragen, wie sich diese Maßnahmen auf die
Wirtschaftlichkeit und auf die Mietbelastung auswirken. Es geht also
um Themen wie Verursacherprinzip, Lebenszykluskonzepte und Wir-
kungszusammenhänge. Das kann nur über Projektteams erfolgen und
damit über eine Zentralisierung, die dann auf Projektebene herunter-
gebrochen wird.
Das gilt nicht nur auf Bundesebene, sondern auch auf kommunaler
Ebene. Um das konkret zu machen: Wenn wir als Genossenschaft einen
Neubau planen, dann müssen wir zum Liegenschaftsamt, zum Umwelt-
amt, zum Planungsamt, zum Tiefbauamt gehen. Mit jedem Amt haben
wir isoliert zu tun, an jeder Stelle müssen wir den Prozess neu aufrol-
len. Genauso, wie wir auf Bundesebene eine Zentralisierung benötigen,
brauchen wir auch auf kommunaler Ebene einen zentralen Kümmerer,
der sich den Themen der Wohnungsunternehmen im Gesamtzusammen-
hang annimmt.
Grundsätzlich müssen wir der Politik vermitteln, dass die Themen eine
gewisse Komplexität haben und nicht auf populistische Weise ver-
einfacht werden dürfen. Es sollte also nicht nur um Themen wie die
Mietpreisbremse gehen, über die sich öffentlich gut diskutieren lässt,
sondern auch um andere Herausforderungen: Wie gehen wir damit um,
wenn wir aufstocken wollen, wenn wir nachverdichten wollen, wenn wir
Bauland neu entwickeln wollen? Dafür brauchen wir politische Unter-
stützung. Letztlich brauchen wir also mutige Politiker, die auch mal eine
unbequeme Position vertreten und so vielleicht sogar an Glaubwürdig-
keit gewinnen. Von daher sind wir in Nordrhein-Westfalen froh, dass
Bauminister Michael Groschek durchaus mal auf den Tisch haut.
Wichtig für uns ist auch die Professionalisierung. Nehmen wir das Bei-
spiel Building Information Modeling (BIM): Die Wohnungsunternehmen
und die Architekten beschäftigen sich damit, aber für die Verwaltung
muss man die Pläne dann eben doch wieder ausdrucken und vorbei-
bringen. Deshalb sollte die Bundespolitik die Frage der beruflichen
Qualifizierung angehen. Wir müssen Bildung und Weiterbildung ganz
anders denken, weil sich die Berufsbilder verändern und verstärkt Quer-
schnittsdenken gefragt ist.
Außerdem brauchen wir bei Lärmschutz, Brandschutz und Verkehrssi-
cherheit eine Lösungsorientierung statt einer Problemorientierung. Es
hilft uns nichts, wenn jeder Bedenkenträger ist und aufzeigt, wieso man
etwas nicht machen kann. Wir brauchen Leute, die uns unterstützen, so
dass wir zusätzliche Wohnungen schaffen können.
Letzter Punkt: Wir brauchen auf lokaler Ebene eine gewisse Flexibilität,
um den örtlichen Besonderheiten mit passgenauen Lösungen begegnen
zu können. Ich finde deshalb Ansätze wie die kommunalen Handlungs-
konzepte toll, bei denen Unternehmen gemeinsam mit den Städten
Entwicklungspläne für Quartiere entwickeln, die zwar einen gewissen
Rahmen vorgeben, aber doch sehr flexibel sind. Das sind Wege, auf
denen wir vor Ort eine ganze Menge bewegen können.
Franz-Bernd Große-Wilde, Vorstandsvorsitzender, Spar- und Bauverein eG, Dortmund
Wir benötigen einen zentralen Kümmerer
Mich ärgert, dass Politiker zurzeit unglaublich populistisch vorgehen.
Vielen Politikern heiligt der kurzfristige Erfolg jedes Mittel. Was in zehn
Jahren ist, ist ihnen vollkommen egal. Konkret merken wir das beim
sozialen Wohnungsbau. Vor Jahren haben wir in Sachsen vorgeschla-
gen, Wohnungsgenossenschaften zu Vorzugskonditionen Grundstücke zu
übertragen, so dass die Genossenschaften darauf günstige Wohnungen
bauen können – ohne öffentliche Förderung, die es damals in Sachsen
für den Neubau gar nicht gab. Diesen Vorschlag hat Rot-Rot-Grün in
Dresden abgelehnt, weil sie lieber eine neue städtische Wohnungsbau-
gesellschaft, eine neue Woba, wollten. Diese Woba existiert heute
Dr. Axel Viehweger, Vorstand, Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e. V. (VSWG), Dresden
Die Endstation politischen Handelns ist die Wohnung
In Mecklenburg-Vorpommern schließlich haben wir es mit Regionen
zu tun, in denen der Rückbau auf der Agenda steht. Nehmen wir z.B.
das Städtchen Strasburg in Landkreis Vorpommern-Greifswald. Der
Geschäftsführer des dortigen kommunalen Wohnungsunternehmens hat
mir die Entwicklung seines Orts seit der Wende folgendermaßen skizziert:
kein Gymnasium mehr, keine Kreisverwaltung mehr, kein Katasteramt
mehr, kein Amtsgericht mehr, kein Finanzamt mehr. Die Einwohnerzahl
ist von 9.000 auf 4.500 gesunken. Bei den 5-geschossigen Plattenbauten
in der Innenstadt sind die beiden obersten Etagen stillgelegt. Auch das
ist Realität auf dem deutschen Wohnungsmarkt. Das führt dazu, dass die
Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern nicht ausreichend Ehr-
geiz entwickelt, über Neubau nachzudenken. Dabei gibt es Rostock und
andere Städte, die durchaus des Neubaus bedürfen.
Auf Bundesebene erhoffe ich mir, dass Populismus nicht den Verstand
frisst, sondern dass wir mit den für uns relevanten Themen unbeschadet
durch den Bundestagswahlkampf kommen. Es gibt erste Anzeichen, dass
das gelingen kann. Beim Mietrecht, bei dem es immer sehr attraktiv ist,
populistische Forderungen zu erheben, müsste sich die jetzige Regierung
ja fragen lassen, warum sie nichts umgesetzt hat, wenn sie doch so tolle
Vorstellungen hat.
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