DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT6/2017 - page 55

Vorstandsmitglied der neu geschaffenen Anstalt
des öffentlichen Rechts „Wohnraumversorgung
Berlin“, die die sechs landeseigenen Wohnungs-
unternehmen beraten soll.
Deshalb sehe ich eine große Wahrscheinlichkeit,
dass der Gesellschafter, also das Land Berlin, die
Wohnungsgemeinnützigkeit verpflichtend ein-
führt, sobald er die Möglichkeit dazu hat. Und ich
vermute, dass viele andere Bundesländer diesem
Vorbild folgen würden.
Auch vomBBU dazu beauftragte Gutachten haben
aber nochmal sehr deutlich gemacht, dass eine
neue Wohnungsgemeinnützigkeit nicht nur in
Konflikt mit EU-Recht geraten könnte, sondern
vor allem als Folgen das Entstehen neuer sozialer
Brennpunkte und die erhebliche Schwächung der
wirtschaftlichen und sozialen Leistungskraft der
betroffenen Unternehmen drohen. Und dabei kann
ich nicht erkennen, was eine neue Wohnungsge-
meinnützigkeit mehr leisten könnte als das, was
die soziale Wohnungswirtschaft schon heute für
bezahlbares Wohnen, gute Nachbarschaften und
soziales Engagement leistet.
LutzFreitag:
HerrOrtmanns,wiewurdensichdenn
die Restriktionen einer neuen Gemeinnutzigkeit
auf die Finanzierung eines Wohnungsunterneh-
mens auswirken?
Thomas Ortmanns:
Die Bewertung stellt immer
auf die nachhaltig erzielbaren Mieten ab. In dem
Augenblick, in dem in die Mieten eingegriffen
wird, wirkt sich das natürlich auf die Bewertung
und damit auch auf die Kreditspielräume aus. Der
Bewerter berücksichtigt die Mietbegrenzung und
die anderen Anforderungen der Gemeinnützigkeit
und rechnet dann dagegen, inwieweit das Unter-
nehmen trotzdem in der Lage ist, die notwendigen
Investitionen aus eigener Kraft zu leisten.
Oftmals kommt bei einer Bewertung heraus, dass
das Unternehmen dazu nicht mehr vollumfänglich
in der Lage seinwird, weil die Begrenzungen dazu
führen, dass die Investitions- und Finanzierungs-
kraft des Unternehmens nicht mehr gegeben ist.
Das würde mit Sicherheit zu Bewertungsabschlä-
gen führen. Aus meiner Sicht soll sich der Staat auf
die notwendigen Rahmenbedingungen konzent-
rieren und dafür sorgen, dass es keine Ausschläge
und keine Unwuchten im System gibt. Über die
These, dass der Staat der bessere Unternehmer
ist, lässt sich trefflich diskutieren. Den meisten
hier am Tisch dürften sicherlich einige Beispiele
einfallen, in denen sich der Staat direkt oder in-
direkt als Unternehmer versucht hat, ohne dabei
wirklich erfolgreich zu sein.
Lutz Freitag:
Bedeutet das, dass Sie gegen kom-
munale Wohnungsunternehmen sind?
Thomas Ortmanns:
Nein. Ich sage nicht, dass der
Staat nicht Eigentümer sein darf oder nicht Rah-
menbedingungen schaffen darf. Problematisch
wird es, wenn der Staat direkt in die Geschäfts-
politik von Unternehmen eingreift.
Axel Gedaschko:
Ich möchte erläutern, warum
der GdWmit einer besonderen Inbrunst versucht,
den aufkeimenden Funken der neuen Wohnungs-
gemeinnützigkeit im Keim zu ersticken. Wir neh-
men die erwähnten Studien der Linken und von
Bündnis 90/Die Grünen sehr ernst. Denn es hat
sich in der Vergangenheit gezeigt, dass man klüger
beraten ist, solche Papiere rechtzeitig zu studie-
ren, als sich später durch Ergebnisse überraschen
zu lassen. Diese Papiere sagen: Wir brauchen ein
komplett neues System, weil wir in Deutschland
einMarktversagen haben. Das ist falsch. Wir haben
kein Marktversagen! Es muss jedem klar sein: Da
geht es nicht umeine andereWohnungspolitik, es
geht um eine andere Gesellschaft.
Was die angebliche Freiwilligkeit der neuen Woh-
nungsgemeinnützigkeit betrifft, so handelt es sich
umeine Scheinfreiwilligkeit. Wennman diese Pa-
piere liest, wird klar, dass Förderung, Vergabe von
Grundstücken und Zinsverbilligung künftig ohne
Ausnahme den Gemeinnützigen zugute kommen
sollen. Man hätte dann also zwei Klassen von Ge-
sellschaften: Diejenigen, die gemeinnützig sind,
werden vorrangig bedient werden; diejenigen
aber, die normal am Markt agieren, werden es
schwer haben, in Gebieten Neubau zu realisieren,
in denen dafür Förderung nötig ist.
Es wird uns vorgeworfen, wir würden zu wenig
sozialenWohnraumbauen. Dieser Vorwurf schlägt
dem Fass den Boden aus und deshalb sind wir an
der Stelle auch extrem angefasst. Denn es ist die
Politik, die uns nicht das dafür nötige Geld gibt
und die sich in den vergangenen Jahren nicht um
die sozialeWohnraumversorgung gekümmert hat!
Nein, wir haben kein Marktversagen, sondern ein
Politikversagen, ja sogar ein Staatsversagen.
Das Allerschlimmste für mich ist aber – Frau Kern
hat es bereits angesprochen – Folgendes: Wir
würden sehenden Auges die Durchmischung der
Quartiere, die oberstes Gebot ist für funktionie-
rende Stadtteile, aufgeben.
Das würde automatisch dazu führen, dass wir wie-
der eine Ansammlung vonMühseligen und Belade-
nen an einemFleck hätten. Es hat Millionen, wenn
nicht Milliarden Euro gekostet, um die Probleme
zu lösen, die uns die alte, verfehlte Strukturpolitik
eingebrockt hat. Sehenden Auges diesen Fehler
noch einmal zu machen – damit habe ich wirklich
ein Problem.
Lutz Freitag:
Herr Breitner, wird es irgendwann
einen Trailer beimNDR gebenmit den Slogan „Das
Beste amNorden sind seine gemeinnützigenWoh-
nungsunternehmen“?
Dr. Axel Viehweger
Thomas Ortmanns
Franz-Bernd Große-Wilde
„Was die angebliche Freiwilligkeit der neuen Wohnungsgemeinnützigkeit
betrifft, so handelt es sich um eine Scheinfreiwilligkeit.“
Axel Gedaschko
53
6|2017
1...,45,46,47,48,49,50,51,52,53,54 56,57,58,59,60,61,62,63,64,65,...84
Powered by FlippingBook