DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT6/2017 - page 65

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den?Wie können diese zusätzlichenMittel sinnvoll
eingesetzt werden, um Zinsrisiken durch höhere
Tilgungen oder Bausparmodell auszugleichen?
Datengerüst: feste und variable Eingaben
Die verwendeten Daten stammen aus zwei Be-
reichen des Unternehmens: zum einen aus dem
Bestandsdarlehensportfolio und zumanderen aus
der Unternehmensplanung bzw. dem aktuellen
Prüfbericht.
Um die Höhe der Verbindlichkeiten sowie die
Zins- und Tilgungsleistungen für die einzelnen
Jahre darzustellen, werden die Werte der beste-
henden Darlehen berechnet und summiert. Die
Höhe der geplanten Neukreditaufnahmen und die
Kapitaldienstfähigkeit – als wichtige Kennzahl der
Risikofrüherkennung – werden aus der Unterneh-
mensplanung hergeleitet.
Auf Basis dieser festen Größen bietet das Instru-
ment die Möglichkeit, zentrale Einstellungen zu
variieren und gemeinsam die jeweiligen Auswir-
kungen zu analysieren. Bei demzugrunde gelegten
Zinsniveau kann zwischen aktuellen Forwardkur-
ven und Planungszinssätzen gewählt werden. Für
die Tilgungshöhe der zukünftigen Finanzierun-
gen können individuelle Tilgungsquoten bzw.
Volltilgervarianten für verschiedene Laufzeiten
durchgespielt werden. Da in denmeisten Fällen die
Planungsunterlagen den Zeitraumvon fünf Jahren
erfassen, kann für die Zeit danach festgelegt wer-
den, wie dieWerte fortgeschriebenwerden sollen.
Kernaussagen anhand von Schaubildern
Die Ergebnisse werden anhand von drei Schaubil-
dern visualisiert. In demersten Schaubildwerden
die im Fokus stehenden Größen: Höhe der Ver-
bindlichkeiten, Zins- und Tilgungsleistung und Ka-
pitaldienst miteinander in Verbindung gebracht.
Die Abbildung 1 stellt die Entwicklung eines klei-
nerenWohnungsunternehmens dar. Auf Basis der
bestehenden Unternehmensplanung und Darle-
hensbeständen wurden folgende Einstellungen
gewählt:
Zins: Für die ersten fünf Jahre eine Forwardkurve
auf Basis von MidSwap-Sätzen 20 Jahre, danach
ein Planungszins von 5% mit einem Anstieg von
fünf Basispunkten per anno.
Tilgung: 20-jährige Volltilger für Neuabschlüsse.
Im Ergebnis nimmt das Verbindlichkeitenniveau
aufgrund einer hohen geplanten Neuverschuldung
zuerst zu, baut sich dann aber dank der annui-
tätischen Tilgung verstärkt ab. Der tatsächliche
Kapitaldienst aus Zins- und Tilgungsleistung be-
wegt sich über die Jahre hinweg deutlich unter
der Kapitaldienstfähigkeit. Das heißt, er ist immer
bedienbar.
Der Abstand zwischen dem Kapitaldienst und der
Kapitaldienstfähigkeit stellt den Puffer im Cash-
flow dar, welcher dem Unternehmen zusätzlich
bei unvorhergesehenen Ereignissen zur Verfügung
steht. Die Kapitaldienstfähigkeit erhöht sich im
Zuge der abnehmenden Verbindlichkeiten.
Sensitivität des Kreditportfolios
Mit den Neuabschlüssen von Kreditverträgenwird
das Zins- und Tilgungsniveau des Gesamtport-
folios verändert. Um transparent zu machen, in
welchen Jahren das Unternehmen besonders an-
fällig für Zinsänderungsrisiken ist, wird die Höhe
des Darlehensvolumens, welches neu finanziert
werdenmuss, für die jeweiligen Jahre dargestellt.
Ob in den kommenden Jahren mit Zinsersparnis-
sen, also zusätzlichem freien Cashflow, zu rechnen
ist, ergibt sich aus dem Prolongationsvolumen.
Ausschlaggebend ist die Restvaluta zum Zinsbin-
dungsende, dem dann auslaufenden Zinssatz und
den erwarteten Anschlusszinsen.
Bei dem Unternehmensbeispiel zeigt sich in Ab-
bildung 2, dass in den Jahren 2017 bis 2020 mit
Zinseinsparungen im Bestandsportfolio zu rech-
nen ist. Der Wert in 2018 ist dabei mit Abstand am
höchsten (233 T€), da das Prolongationsvolumen
verhältnismäßig hoch ist (ca. 9,6 Mio. €) und der
Unterschied zwischen dem auslaufenden Zins
(4,7%) und demZinssatz anhand der Forwardkur-
ve (2,3%) einen deutlichen Unterschied aufweist.
Durch den Abschluss eines Forwarddarlehens kann
sich das Unternehmen heute schon diesen Betrag
sichern.
In den Jahren ab 2023 hingegen ist bei dem un-
terstellten Planungszins von 5% plus Anstieg um
fünf Basispunkte per anno mit höheren Zinsaus-
gaben zu rechnen. Das Unternehmen hat nun die
Möglichkeit, die Zinseinsparungen aus den frühen
Jahren für die Ansparung eines Bauspardarlehens
zu verwenden, umdie Zins-Mehrkosten in den spä-
ten Jahren auszugleichen. Unabhängig von dem
dann herrschenden Zinsniveau müssen bei der
Planung somit keine höheren Zinsaufwendungen
eingerechnet werden.
Fazit
Für alle Entscheidungen rund um das Kreditport-
folio ist es wichtig, ein Gefühl für die Entwicklung
des Kapitaldienstes und der Kapitaldienstfähigkeit
zu haben. Dieses Berechnungsinstrument ermög-
licht durch die graphische Aufbereitung einen
visuellen Überblick über die Auswirkungen von
wesentlichen Einflussfaktoren. Das Wohnungs-
unternehmen kann damit abschätzen, wie sensitiv
das jeweilige Kreditportfolio auf Zinsänderungen
reagiert undwelche zusätzliche Neuverschuldung
aus dem Cashflow gestemmt werden kann.
Die Gegenüberstellung mit der Kapitaldienstfä-
higkeit dient dabei zur Risikofrüherkennung und
gibt die Sicht der Banken wieder. Für die Planung
und alltägliche Kreditentscheidungenwerden die
Auswirkungen von der jeweiligen Tilgungshöhe
sichtbar. Das Instrument bietet weiterhin eine
Hilfestellung für die Zinsoptimierung der beste-
henden Verbindlichkeiten und deckt Handlungs-
möglichkeiten auf, wie diese optimiert werden
können.
300 T€
200 T€
100 T€
0 T€
-100 T€
-200 T€
-300 T€
-400 T€
ABB. 2: ZINSERSPARNIS UND ZINSVERLUST AUS PROLONGATIONEN UNTER BERÜCKSICHTIGUNG DER ZINSPROGNOSE
2017
2018
2019
2020
2021
2022
2023
2024
2025
2026
2027
6%
5%
4%
3%
2%
1%
0%
Durchschnittszins alt
Zinsersparnis
Forward-Kurve und Zinsprognose
3,8%
4,7%
3,3%
4,6%
1,0%
1,9%
1,6%
1,2% 1,1%
1,2%
2,2% 2,3% 2,4% 2,4% 2,5%
5,0% 5,1% 5,1% 5,2% 5,2%
42 T€ 233 T€
62 T€
179 T€
-17 T€
-138 T€ -238 T€ -192 T€ -276 T€
-23 T€
5,3%
Quelle: Dr. Klein
1...,55,56,57,58,59,60,61,62,63,64 66,67,68,69,70,71,72,73,74,75,...84
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