Andreas Breitner:
Ich halte die neue Gemein-
nützigkeit für überflüssig, und ich hoffe, dass
dieser Kelch im Bundestagswahlkampf an uns
vorübergehen wird. Ich halte auch wenig von der
Grundhaltung, die ich bei Ihnen, Herr Siebenkot-
ten, heraushöre, nämlich: Lasst es uns doch mal
versuchen, das wäre doch ein Experiment wert.
Unsere Branche, die über Generationenwirtschaf-
tet, verträgt keine politischen Experimente.
Hinzu kommt ein zweiter Punkt: Wir haben im
Frühjahr in Hamburg eine Mietenanalyse vorge-
stellt, die von allen wichtigen Wohnungsverbän-
den in Auftrag gegebenwurde. Diese Auswertung
dokumentiert, dass wir nicht nur die Guten auf
dem Hamburger Wohnungsmarkt sind, sondern
sogar die Superguten. Wenn jetzt die Politik
kommt und sagt, dass sie mit der Leistung der
Superguten nicht zufrieden ist und sich etwas noch
Besseres wünscht, dannwirkt das auf unsereMit-
glieder demotivierend. Und das führt dazu, dass
sich diese nicht mehr am Neubau beteiligen. Sie
müssen ja nicht zwingend bauen, sondernmachen
das aus sozialer Verantwortung. Es braucht ein
Klima, das motiviert und fördert. Deshalb sage ich
mit Konrad Adenauer: keine Experimente.
Lukas Siebenkotten (r.)
Axel Gedaschko
Lutz Freitag:
Das Beste am Norden ist also die
nachhaltige Wohnungswirtschaft.
Dr. Axel Viehweger:
Mich stört an der Diskussion
um die neue Wohnungsgemeinnützigkeit zwei-
erlei. Zum einen bedeutet die Forderung nach
einer solchen Gemeinnützigkeit nichts anderes,
als dass wir bisher asozial gewirtschaftet haben.
Sonst bräuchte es ja keine Neuerung.
Zumanderen – vielleicht, weil ich hier in der Runde
der einzige Ossi bin – erinnert mich die Forderung
schon sehr an die Kommunale Wohnungsverwal-
tung der DDR. Wenn ich dann noch merke, dass
es dem zuständigen Staatssekretär in Thüringen
vollkommen egal ist, ob in zehn Jahren noch Geld
da ist oder nicht, dann geht mir die Hutschnur
hoch. Diese Leute scheinen der Ansicht zu sein,
es brauche kein Eigenkapital und das Geld regne
schon irgendwie als Manna vom Himmel.
Lukas Siebenkotten:
Moment mal. Ich habe das
Gefühl, dass Sie gerade einen Popanz aufbauen.
Auch ich bin absolut dagegen, die Wohnungsge-
meinnützigkeit vorzuschreiben. Aber wo gibt es
denn einen einzigen seriösen Politiker, der die
Auffassung vertritt, es müsse zwangsweise Ge-
meinnützigkeit eingeführt werden?!
Maren Kern:
Herr Siebenkotten, ich kann Ihre
Position ja verstehen, und Sie haben auch recht,
dass man die Politik nicht immer gleich angehen
soll. Aber wir alle in der Runde haben ein Erfah-
rungswissen.
Und dieses Erfahrungswissen besagt, dass öffent-
liche Unternehmen immer die Ersten sind, die
neue politische Vorgaben experimentell umsetzen
müssen. Ich könnte Ihnen hierfür eine ganze Reihe
von Beispielen geben. Dabei sind unsere Unter-
nehmen als nachhaltige Bestandsbewirtschafter
doch schon dieMietpreisdämpfer, Mietwohnungs-
bauer und Kiezstabilisierer.
Lutz Freitag:
Das ist die besondere Situation der
kommunalen Unternehmen: Sie stehen auf der
einen Seite von außen aufgrund der politischen
Rahmenbedingungen unter Druck, auf der an-
deren Seite von innen uber politische Vorgaben
des Gesellschafters. Das macht ihre Arbeit nicht
einfach. Aber auch Genossenschaften und private
Wohnungsunternehmenwerden von veranderten
Rahmenbedingungen stark betroffen.
Andreas Breitner:
Wenn wir die Sache genau-
er betrachten, so stellen wir fest, dass sich die
Unternehmen eigentlich erst seit Aufhebung der
Gemeinnützigkeit im Jahr 1989 im aktiven Sinne
gemeinnützig verhalten. Genossenschaften bei-
spielsweise konnten erst nach dieser Abschaffung
ihre Charakteristika zum Ausdruck bringen und
damit gemeinnützig wirken. Das Schlagwort von
der Gemeinnützigkeit zeichnet also ein Idealbild,
das derjenige, der nicht vomFach ist, nicht durch-
schauen kann, und wertet gleichzeitig Modelle
ab, die eine viel bessere Wirkung im Sinne von
(Gemein)sinn haben.
Lutz Freitag:
Wer dieWirtschaftlichkeit nicht res-
pektiert, der schadet gerade den armeren Schich-
ten der Bevolkerung. Sie sind in besonderer Weise
darauf angewiesen, dass Wohnungsunternehmen
wirtschaftlich handeln. Verschwendung konnen
sich nur Reiche leisten.
Axel Gedaschko:
Jetzt muss ich aber doch dem
armen Lukas Siebenkotten etwas zur Seite ste-
hen. Vielleicht solltenwir wegkommen von diesem
Begriff der Gemeinnützigkeit, der als Kampfin-
strument verstanden wird, und gemeinsam da-
rüber sprechen, wie wir eine sozial orientierte
Wohnungspolitik in Deutschland erreichen, wie
sie auch in unserem Interesse liegt. Dann hätten
wir eine ganz andere Diskussion.
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6|2017
MARKT UND MANAGEMENT